Die Internationale Energieagentur in Paris (IEA) ist schon wieder im Erdölrausch – nach einer nur kurzen Ausnüchterungszeit. Noch vor kurzem hatte es dort geheißen: „Wir sollten das Öl verlassen ehe es uns verlässt.“ Doch seit dieser Woche ist in Paris wieder alles anders. Die IEA hat ihren „Energy Outlook 2012“, ihre jährliche Energieprognose, veröffentlicht. Darin wiederholt sie ihren Kardinalfehler: Die fossil-atomaren Energieträger werden grandios überschätzt und die Erneuerbaren fahrlässig unterschätzt.
Die IEA schreibt in ihrer neuen Prognose das Märchen vom ewigen Öl fort. Der neue Energy Outlook prognostiziert, dass die USA bis 2025 der „größte Erdölproduzent der Welt“ und bis 2020 der „größte Gasproduzent der Welt“ seien. Dieselbe Agentur, schon immer die Interessenvertretung der alten Energiewirtschaft, hatte bisher behauptet, dass die USA schon seit 1972 den Höhepunkt ihrer Ölförderung überschritten hätten. Jetzt also die wundersame Ölvermehrung in den USA durch die sogenannten unkonventionellen fossilen Energieträger wie Ölschiefer und Teersande.
Auch diese Rohstoffe sind nur begrenzt vorhanden und schon zur Hälfte aufgebraucht. Und das Klimaproblem scheint für die IEA überhaupt keine Rolle zu spielen. Klimawandel ist offenbar ein Hirngespinst der Klimaforschung. Die IEA übersieht, dass die Nutzung von Ölschiefer und Teersanden das Klima noch mehr belastet als Erdöl und Erdgas.
Im neuen Energy Outlook steht unverdrossen, „dass die fossilen Rohstoffe im globalen Energiemix vorherrschend bleiben“. Die von der fossilen Wirtschaft anhängige Agentur will einfach nicht zur Kenntnis nehmen, was unabhängige Institute wie das Ludwig-Bölkow-Institut schon seit Jahren errechnet haben: Der weltweite Peak of Oil, also die globale Erdölförderung, hatte schon 2006 ihren Höhepunkt überschritten. Seither steigt zwar die Nachfrage nach Öl, aber nicht mehr die Förderung. Sie geht weltweit zurück und vor allem deshalb steigen die Preise.
Öl und Gas sind für Verbraucher nur noch bezahlbar, weil sie staatlich gefördert werden
Allein zwischen 2009 und 2011 stiegen die staatlichen Subventionen nach IEA-Angaben von 312 auf unvorstellbare 523 Milliarden Euro. Das ist sechsmal mehr Geld als alle Erneuerbaren Energien weltweit an Unterstützung erhalten.
Viele Staaten ruinieren ihren Haushalt wegen der steigenden Öl- und Gaspreise. Wir geben noch immer viel mehr Geld für die Zerstörung unseres Planeten aus als für dessen Rettung.
Wie fehlerhaft und unseriös aber schon die alten Prognosen der IEA waren, lässt sich exakt nachprüfen: So wie bei der Verfügbarkeit der alten Ressourcen lag die IEA auch bei den Preisen glatt daneben. Noch 2004 hatte die Agentur für 2011 einen Ölpreis von 22 Dollar vorausgesagt – er war in Wirklichkeit fünfmal höher.
So weit wie die alten Prognosen von der Wirklichkeit entfernt waren, werden es auch die neuesten sein. Das lässt sich schon jetzt vorhersagen. Das Märchen von den ewigen fossilen Ressourcen ist ausgeträumt. Das wissen alle außer scheinbar die so genannten Energieexperten in Paris.
In den letzten 30 Jahren wurden keine neuen Großfelder mit Erdöl entdeckt. Die Fördermengen gehen weltweit zurück. Zurzeit werden nur noch wenig neue kleinere Felder gefunden. Und es wird dreimal mehr verbraucht als neues Erdöl entdeckt. Peak Oil ist jetzt.
Kritiker erinnern sich bei den permanenten Fehlprognosen der IEA an die Weltuntergangsprognosen der Zeugen Jehovas. Spekulationen und Wahnvorstellungen werden mit der Realität verwechselt.
2002 hatte die IEA prognostiziert, dass die EU bis 2030 71.000 Megawatt Windstrom produzieren werde. Tatsächlich war dieses Ziel 2009 erreicht – viermal so schnell wie von der IEA errechnet.
Energiewende heißt die Aufgabe unserer Zeit und nicht das Propagieren von Wunschphantasien.
- Der Autor ist Journalist, Buchautor und Fernsehmoderator. Er wurde bekannt durch das ARD-Magazin „Report“, das er bis 1992 leitete und moderierte. Bis 2003 leitete er die Zukunftsredaktion „Zeitsprung“ im SWR, seit 1997 das Magazin „Querdenker“ und ab 2000 das Magazin „Grenzenlos“ in 3sat. Die Erstveröffentlichung des Beitrags erfolgte auf www.sonnenseite.com. Franz Alt schreibt dort regelmäßig. -