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“Die EEG-Novelleist ein harter Angriff“

Bringt das Digitalisierungsgesetz die Energiewende und damit auch die Photovoltaik voran?

Hermann Falk: Die Digitalisierung ist eine große Chance für die Energiewende. Grundsätzlich halte ich die Idee, gewisse Standards für die Kommunikation im Energieversorgungssystem einzuführen, für durchaus sinnvoll. So wie das Gesetz gestrickt ist, wird es aber zum Risiko. Es entstehen hohe Kosten, denen häufig kein oder nur ein geringer Nutzen gegenübersteht, falls überhaupt einer. Momentan können wir nicht abschätzen, ob es überhaupt Vorteile geben kann, da bisher noch nicht einmal beschrieben ist, welche Steuerungsfunktionen über das Gateway möglich seinen sollen. Wäre das Gateway eine kostengünstige Lösung, Anlagen zu steuern, und wäre es den Betreibern freigestellt, ein Gateway einzusetzen, hätte wohl niemand Einwände gegen das Gesetz. Dies gilt vor allem für die Betreiber von Photovoltaikanlagen, die Smart Meter einbauen müssen, obwohl dies für das System keinen Mehrwert bringt. Im Gegenteil, es steigen sogar noch die Risiken im Falle eines rechtswidrigen Eingriffs in den Wechselrichterbetrieb.

Was halten Sie vom verpflichtenden Einbau eines Smart Meters bei Kraftwerken über sieben Kilowatt?

Für Anlagen unter 30 Kilowatt ergibt das überhaupt keinen Sinn. Es ist klar, dass so kleine Anlagen nicht zentral gesteuert werden müssen. Der Wechselrichter kann hier bereits für die Spannungshaltung sorgen, kann selbstständig zur Frequenzhaltung beitragen und könnte im Störfall über die Spannung abgeschaltet werden. Die zentrale Steuerung einer dezentralen Erzeugungsanlage birgt systemische Risiken, da regionale Restriktionen unberücksichtigt bleiben. Zudem ist bis heute unklar, wie die Steuerung der Anlagen erfolgen soll. Eine Steuerbox, wie sie momentan im FNN entwickelt wird, ist mit der angedachten Relais-Technik wohl wenig geeignet, die Vorteile der digitalen Kommunikation zu erschließen. Für die Datenerhebung gibt es bereits genügend Möglichkeiten, was zum Beispiel SMA mit seiner Datenaggregation täglich zeigt. Der Einbau von Smart Metern bringt also vor allem Nachteile.

Ist die Kosten-Nutzen-Analyse, die das Bundeswirtschaftsministerium für den Gesetzesentwurf vorlegt, nachvollziehbar?

Nein. Der Nutzen wird massiv übertrieben und die Kosten werden runtergerechnet, um im Ergebnis zu einem vermeintlich positiven Kosten-Nutzen-Verhältnis zu kommen. Auf der einen Seite wurde ein Kosteneffekt durch die Einbeziehung von Kleinanlagen in das Einspeisemanagement unterstellt, der viel zu hoch angesetzt wurde. Andererseits wird außen vor gelassen, dass marktbasierte Laststeuerung, wie sie durch die intelligenten Messsysteme ermöglicht werden soll, einen erheblichen zusätzlichen Bedarf des Netzausbaus verursachen würde. Sobald sich die E-Mobilität im großen Maßstab durchsetzt, werden die Netze auch hierfür ausgebaut werden müssen. Es sind also nicht mehr die Erzeuger, sondern die Last, die den Netzausbau auf den unteren Spannungsebenen verursacht. Folglich läuft das Einspeisemanagement auf diesen Netzebenen ins Leere.

Wer wird am Ende für die zusätzlichen Kosten des Digitalisierungsgesetzes, wie es jetzt geplant ist, aufkommen?

Das ist noch nicht in allen Punkten klar. Teilweise die Anlagenbetreiber und teilweise die Netzbetreiber. Der Endkunde wird auf jeden Fall die Hauptlast sowohl über die zusätzlichen Anlagenkosten als auch über die Netzentgelte tragen, da zum Beispiel die Kosten für den Umbau der IT-Struktur bei den Netzbetreibern in die Netzentgelte gewälzt werden.

Was muss geschehen, um mit dem neuen Digitalisierungsgesetz für die Energiewende einen messbaren Nutzen zu schaffen?

Anlagen unter 30 Kilowatt sollten von der Smart-Meter-Pflicht ausgenommen werden. Insgesamt wäre dem Gesetz, das auch sonst viele Mängel aufweist, aus meiner Sicht noch deutlich mehr Zeit für eine fundierte Durcharbeitung und Aktualisierung zu gönnen. Zunächst sollte der Bereich Steuerung aus dem Gesetz herausgelöst werden. Es kann nicht sein, dass das Gesetz zum Einbau eines Gerätes verpflichtet, für das bisher noch nicht einmal ein Anforderungskatalog existiert. Außerdem sollte es Verbrauchern unter 6.000 Kilowattstunden pro Jahr, noch besser unter 10.000 Kilowattstunden pro Jahr, freigestellt bleiben, ob sie einen digitalen Zähler verwenden oder nicht. Ein Zwangs-Rollout, wie er sich hinter den angeblich optionalen Einbaufällen im Gesetz verbirgt, zumal im Namen der Energiewende, schadet der Akzeptanz.

Auch mit dem neuen Strommarktgesetz ist der BEE in dieser Form nicht einverstanden. Was kritisieren Sie am aktuellen Gesetzesentwurf vor allem?

Unsere Kritik am Strommarktgesetz bezieht sich vor allem auf die Punkte, die noch fehlen, wie beispielsweise die Neudefinition des Speicherbegriffs, um Speicher abgabenneutral zu stellen. Sie sollten künftig nicht mehr als Letztverbraucher, sondern als Infrastruktur eigener Art definiert werden. Das würde ihre Wettbewerbsfähigkeit deutlich verbessern. Die Stromnetzentgeltverordnung sollte dahingehend angepasst werden, dass nicht mehr die starre, sondern die flexible Stromnachfrage von Unternehmen bei den Netzentgelten belohnt wird. Und die Regelenergiemärkte sollten stärker für erneuerbare Energien und Speicher geöffnet werden. Hier verhalten sich die Übertragungsnetzbetreiber häufig wie Könige in ihrem Land, und diejenigen, die sich für die Regelenergiemärkte präqualifizieren wollen, werden dann wie Bittsteller behandelt.

Wie könnte die EEG-Umlage Ihrer Meinung nach als Steuerungselement genutzt werden, um den Strommarkt zu flexibilisieren?

Es wäre vor allem wichtig, dass zu Zeiten besonders niedriger Strompreise, das heißt in der Regel zu Zeiten mit viel Wind und Sonne, die EEG-Umlage deutlich abgesenkt wird. Dann würden sich auch Speicher, Power-to-Heat- sowie Power-to-Gas-Anlagen deutlich eher lohnen. Zu den übrigen Zeiten läge die Umlage leicht höher, sodass sie unterm Strich gleich bliebe.

Wie sollte überschüssige Energie besser genutzt werden, statt Stromspitzen einfach zu kappen?

Erneuerbare-Energie-Anlagen abzuregeln bedeutet nichts anderes als Energieverschwendung. Angesichts der Erhitzung der Erdatmosphäre ist es nicht zu verantworten, dass klimaneutraler Strom ungenutzt bleibt, während gleichzeitig schmutzige Kohle, Gas und Öl verfeuert werden. Wir müssen daher dafür sorgen, dass künftig, wenn die Stromerzeugung absehbar stärker ist als die Nachfrage, zusätzliche Lasten aktiviert werden. Das können zum Beispiel Heizpatronen in Wärmenetzen sein, die sonst mit fossilen Brennstoffen beheizt werden, idealerweise dort, wo KWK-Anlagen diese Wärme erzeugen. Denn sie würden ansonsten noch Strom ins Netz einspeisen. So hätten wir sogar einen doppelten Effekt in Netzengpass-Situationen.

Fünf Monate nach der Vorlage des Bundeswirtschaftsministeriums gibt es Korrekturen an der EEG-Novelle. Ist die Novelle auf einem guten Weg?

Die EEG-Novelle ist ein harter Angriff auf die Energiewende und den Klimaschutz. In Paris und New York werden seitens der Bundesregierung feierlich Klimaverträge ausgehandelt und unterschrieben, während in Deutschland der Ausbau der wichtigsten Klimaschutztechnologien ausgebremst wird. Dieses Mal soll es vor allem die Windenergie treffen, die einzige Erneuerbare-Energien-Branche, die in den letzten Jahren noch nennenswert zum Umbau beitragen konnte. Bei der Photovoltaik wird nichts Wirksames zur Wiederbelebung unternommen. Erfreulicherweise soll gemäß Referentenentwurf der 52-Gigawatt-Deckel für die Photovoltaik wegfallen, wogegen sich aber schon wieder einige Wirtschaftspolitiker der Union sowie der BDEW aufstellen.

Solarstrom ist für den BDEW als Verband der alten Energiekonzerne eigentlich doch eine große Chance. Wie nutzt er sie?

Kurzzeitig sah es so aus, als wollte der BDEW sich mit den erneuerbaren Energien modernisieren. Jetzt fährt er wieder einen knallharten Kurs gegen die Photovoltaik. Er will, dass der 52-Gigawatt-Deckel erhalten bleibt. Zudem will der BDEW den Eigenverbrauch faktisch abschaffen. Mit dieser Forderung würde er durchkommen, wenn alle Dachanlagen ausgeschrieben werden sollen. Demnach gäbe es keine Vergütungen mehr für Photovoltaikanlagen jenseits der Ausschreibungen. Zugleich begrüßt der BDEW den Referentenentwurf, wonach Eigenverbrauchsanlagen von Ausschreibungen auszuschließen sind. In dieser Kombination wäre der seitens der Energieversorger ungeliebte Eigenverbrauch abgeschafft. Der Prosumer bleibt dann komplett auf der Strecke. Dass die Bürger ihren eigenen Strom erzeugen, ist und bleibt den BDEW-Energiekonzernen ein Graus. Erfreulicherweise haben jedoch viele Stadtwerke und sogar einzelne Mitarbeiter der ehemals großen Vier erkannt, dass sie damit in die energiepolitische Steinzeit zurückfallen würden. Schon jetzt verändern die volatilen erneuerbaren Energien die Energiesysteme und werden sie über kurz oder lang weiter transformieren.

Das Gespräch führte William Vorsatz.

www.bee-ev.de

BSW-Solar

Scharfe Kritik am aktuellen Entwurf

Anstatt den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen, stehe die Bundesregierung bei der Energiewende weiter auf der Bremse, kritisiert der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar). „Dieser Gesetzesentwurf steht in eklatantem Widerspruch zu den Klimaschutzzielen und muss dringend nachgebessert werden“, fordert Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig (Foto). „Großverbraucher klimaschädlicher Energie werden weiter subventioniert. Energiebewussten Verbrauchern und Gewerbebetrieben werden hingegen bei der Investition in Solartechnik immer mehr Steine in den Weg gelegt.“

Solarenergie sei inzwischen preiswert, bei fairer Kostenbetrachtung sogar günstiger als Strom aus neuen Atom- oder Kohlekraftwerken. „Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, sie nicht endlich stärker zu nutzen. Solarstrom darf nicht länger der Stecker gezogen werden!“ Selbst die bescheidenen Ausbauziele der Bundesregierung werden seit zwei Jahren deutlich verfehlt. Nach Angaben der Bundesnetzagentur wurden 2015 von den angestrebten 2.500 Megawatt nur 1.400 Megawatt realisiert.

Der BSW-Solar fordert unter anderem eine Abschaffung beziehungsweise deutliche Verringerung der finanziellen Belastung solarer Eigen- oder Direktversorgung durch die EEG-Umlage. Energieversorger und Stadtwerke würden längst Mieter mit preisgünstigen Solartarifen bedienen, wenn Solarstrom vom Dach des Vermieters nicht weiterhin künstlich verteuert werde. „Es stinkt zum Himmel, dass Mieter für Solarstrom vom eigenen Hausdach mit sechs Cent je Kilowattstunde zur Kasse gebeten werden, während die größten Energieverbraucher in der Industrie weitgehend von den Kosten der Energiewende befreit werden“, kritisiert Körnig.

Der BSW-Solar fordert unter anderem eine Abschaffung beziehungsweise deutliche Verringerung der finanziellen Belastung solarer Eigen- oder Direktversorgung durch die EEG-Umlage. Energieversorger und Stadtwerke würden längst Mieter mit preisgünstigen Solartarifen bedienen, wenn Solarstrom vom Dach des Vermieters nicht weiterhin künstlich verteuert werde. „Es stinkt zum Himmel, dass Mieter für Solarstrom vom eigenen Hausdach mit sechs Cent je Kilowattstunde zur Kasse gebeten werden, während die größten Energieverbraucher in der Industrie weitgehend von den Kosten der Energiewende befreit werden“, kritisiert Körnig.

Er warnt zudem deutlich davor, den Fördermechanismus von Photovoltaikanlagen generell auf ein Ausschreibungsverfahren umzustellen. Um eine breite Akteursstruktur und Akzeptanz der Energiewende zu sichern, müssten Ausschreibungen auf große Solarparks begrenzt bleiben. Anders als bei ebenerdigen Solarparks würden Förderauktionen von Solarstromanlagen auf Dächern scheitern, das sei die übereinstimmende Auffassung der meisten Energie- und Finanzexperten. Dies liege an den deutlich komplexeren, heterogeneren und kleinteiligeren Projekt- und Investorenstrukturen, Finanzierungs- und Planungsprozessen.

Die Erzeugungskosten von Solarstrom sind in den letzten Jahren deutlich gefallen. In der jüngsten Ausschreibungsrunde lag der durchschnittliche Gebotspreis für Solarstrom aus großen Solarparks bei nur noch 7,5 Cent je Kilowattstunde.

www.bsw-solar.de

Dr. Hermann Falk

ist seit Februar 2013 Geschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE) in Berlin. Zuvor war er von 2004 bis 2012 stellvertretender Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen in Berlin. Nach dem juristischen Studium promovierte er zu Verträgen rund um die Stromeigenerzeugung.

BDEW

Gegen jegliche Freigrenzen

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BEDW) kritisiert, dass sich Solarstrom auf Dachanlagen der Steuerungswirkung durch Ausschreibungen entzieht. Das finden die Interessenvertreter der klassischen Energieversorger problematisch , weil sich eine Zielüberschreitung des Ausbaukoridors für die Erneuerbaren abzeichne. Ein „unkontrollierter“ Ausbau der Photovoltaik bis ein Megawatt auf Dächern würde zulasten der Windenergie gehen, wenn der Zielkorridor für den Ausbau der Erneuerbaren eingehalten werden solle.

www.bdew.de

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