Sie haben 30 Jahre lang Erfahrungen mit dem Solarmarkt in der Schweiz gesammelt. Was hat sich in dieser Zeit verändert?
Thomas Nordmann: Begonnen hat es mit einer Initiative eines kleinen Energieversorgers in Burgdorf im Kanton Bern. Der hatte 1992 die erste kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) von einem Franken pro Kilowattstunde Solarstrom gezahlt. Allerdings sind die Bemühungen, dies auf die nationale Ebene zu heben, vor allem am Widerstand der Energieversorger gescheitert. Bundesweit kam dann das Programm Energie 2000. Das setzte das politische Ziel von 50 Megawatt Solarstromleistung bis zum Jahr 2000. Das haben wir nicht erreicht, weil die Mittel, die der Staat zur Verfügung hatte, nie ausreichend waren. Erst vor fünf Jahren hat die Schweiz bundesweit die KEV eingeführt. Aber das Parlament hat auch hier von Anfang an Bremsen eingebaut, indem es die jährliche Förderung nach oben hin begrenzt hat. Es gab seither immer eine größere Nachfrage nach Einspeisevergütungen, als Projekte freigegeben werden konnten. Derzeit stagniert der Markt auf hohem Niveau. Im Vergleich zu Deutschland haben wir im vergangenen Jahr pro Kopf mehr Solarleistung installiert.
Die Warteliste für die KEV ist lang. Inzwischen gibt es eine Einmalvergütung. Ist das ein Ausweg?
Im Häuslebauermarkt funktioniert das vielleicht. Da gibt es Leute, die lieber 30 Prozent Investitionszuschuss in der Hand haben, als 20 Jahre zu warten, bis das Geld langsam zurückfließt. Aber dabei vergisst man die Verpflichtung, die Anlagen ordentlich in Betrieb zu halten. Dies spricht eigentlich gegen die Einmalzahlung.
Dabei ist das Ziel ambitioniert, das die Regierung in Bern ausgegeben hat: 20 Prozent Anteil der Photovoltaik am Strommix bis 2050.
Das schaffen wir nicht mit einem Liebhabermarkt, in dem es für den Kunden keine Rolle spielt, ob sich die Anlage rechnet oder nicht, und in dem er einfach 30 Prozent Investitionskostenzuschuss bekommt. Am besten wäre es, wenn die Photovoltaik ein ökonomischer Selbstläufer ist. Dann müssten wir uns mit der Politik nicht mehr unterhalten. Die zweitbeste Lösung ist die KEV, weil sie die Betreiber zwingt, die Anlagen ordentlich zu betreiben. Das drittbeste Lösung ist die Einmalförderung.
Aber für Eigenverbrauchsanlagen ist dies doch eine nützliche Option?
Der Eigenverbrauch ist wichtig. In der Schweiz darf man seit 2014 den Strom auch endlich selbst verbrauchen. Und der Solarstrom ist erheblich billiger geworden. Wir produzieren ihn derzeit für 22 bis 25 Rappen pro Kilowattstunde. Allerdings sind die Strompreise in der Schweiz beim Endkunden signifikant niedriger als in Deutschland. Wir bezahlen zwölf bis 20 Rappen pro Kilowattstunde. Das ist für uns ein Nachteil. Denn je teurer der Strom vom Versorger ist, desto attraktiver ist die Photovoltaik. Deshalb ist es eher eine Bremse, die kleinen Anlagen bis zehn Kilowatt Leistung obligatorisch über eine Einmalzahlung fördern zu wollen. Eben weil der Eigenverbrauch in der Schweiz noch längst nicht so interessant ist wie in Deutschland.
Was schlagen Sie vor, um die Photovoltaik auch in der Schweiz zum ökonomischen Selbstläufer zu machen?
Wir müssen aufhören, einfach nur Strom zu produzieren. Stattdessen müssen wir in funktionellere Marktbereiche gehen. Das heißt, nicht nur den häuslichen Strombedarf abdecken, sondern wir müssen zeigen, wie man die Photovoltaik mit der wärmetechnischen Gebäudesanierung durch Wärmepumpen und mit Elektromobilität verknüpft.
Können Sie das erläutern?
Die Schweizer geben 1,5 Prozent ihres Budgets für Strom aus. Für die individuelle Mobilität geben die Leute mit 20 Prozent ihres Einkommens viel mehr Geld aus. Deshalb müssen wir auch die Mobilität in den Blick nehmen. Der durchschnittliche Schweizer verbraucht im Haushalt 2.300 Kilowattstunden Strom pro Jahr. Durch Effizienzmaßnahmen kann man diesen so drücken, dass eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 1,8 Kilowatt ausreicht. Wenn eine Wärmepumpe dazukommt, müsste man den Generator um 500 Watt vergrößern. Mit der Elektromobilität müssten dann noch einmal 1,1 Kilowatt dazukommen. Also hätte jeder Schweizer mit einem Solargenerator mit einer Leistung von weniger als vier Kilowatt alles abgedeckt.
Kommen Speicher in Ihrem Konzept nicht vor?
Mit der Elektromobilität ist auch der Speicher gleich mit drin. Damit könnte man sich vom Energieversorger und von der Tankstelle für 25 Jahre loskaufen. Das wäre die Richtung, die wir der Politik vorgeben müssen. Die Politik ist nur reaktiv. Wir müssen die Agenda vorgeben, wir müssen die Lösungen vorgeben, und wir müssen die Vision vorgeben. Dann werden wir fortschrittliche Politiker finden, die sich dem anschließen.
Reichen die Dächer aus, um die Ziele zu erreichen?
Absolut. Wir haben pro Kopf 50 Quadratmeter Dachfläche. Um 20 Prozent Marktanteil zu erreichen, brauchen wir zehn Quadratmeter. Dazu kommen noch 100 Quadratmeter pro Kopf an Flächen im Straßenareal. Das reicht völlig aus.
Wie wird es weitergehen?
Die Regierung hat sich eine Energiestrategie zurechtgelegt. Bis 2050 sollen 20 Prozent des Stroms aus Photovoltaikanlagen kommen. Derzeit liegen wir bei 1,5 Prozent. Das ist ein sportliches Ziel, aber erreichbar. Denn wir haben kein großes Problem mit fluktuierender Einspeisung. Wir haben schon 60 Prozent Wasserkraft im Strommix. Die bestehenden Wasserkraftwerke haben eine Reichweite als Speicher von etwa drei Monaten. In der Schweiz werden die Sonne und das Wasser die entscheidenden Energiequellen sein. Außerdem hat die Regierung die Grundsatzentscheidung getroffen, aus der Kernenergie auszusteigen. Jetzt wird an den Gesetzen gearbeitet, um diese Ziel auch politisch umzusetzen. Das wird noch bis 2016 oder 2017 dauern. Die Gesetzgebung ist noch nicht auf der Stufe, dass es zügig vorangeht. Die Strategie ist zwar nett, aber sie schafft keine Fakten im Markt.
Das Gespräch führte Sven Ullrich.
Thomas Nordmann
ist seit 1974 in der Solarbranche der Schweiz unterwegs. Damals entwickelte er thermische Solarkollektoren. Im Jahr 1985 gründete er sein eigenes Beratungs- und Planungsbüro für Solaranlagen, Thomas Nordmann Consulting (TNC). Sieben Jahre lang stand er als Präsident dem Sonnenenergie-Fachverband Schweiz vor und bis März 2002 war er Vizepräsident des eidgenössischen Solarverbandes Swissolar. Inzwischen vertritt Nordmann die Schweiz in der Photovoltaikarbeitsgruppe der Internationalen Energieagentur (IEA). Seine Projekte haben ihm schon eine Reihe von Preisen eingebracht. Unter anderem 1994, 1998 und 1999 den Schweizerischen Solarpreis und 1997 den Europäischen Solarpreis.