Keine Mühen gescheut haben die Gegner der Photovoltaik, um die junge Branche in Deutschland endlich zu beerdigen. Doch die Intersolar in München hat eindrucksvoll bewiesen: Zwischen Küsten und Alpen geht die Sonnenwende weiter, jetzt erst recht. Zwar wird der Zubau in diesem Jahr nur rund zwei Gigawatt erreichen.
Eigenverbrauch wächst
Aber dieser Zubau wird fast ausschließlich durch Anlagen zum Eigenverbrauch getragen. Das kann nur die Photovoltaik. Es ist absehbar, dass sich dieser Trend in diesem Jahr noch verstärkt: durch Zubau von Anlagen, die gänzlich auf die Einspeisung von Überschussstrom ins Stromnetz verzichten.
Ein ureigenes Geschäftsmodell
Tausend, Millionen kleiner Inseln für Selbstversorger: Das neue EEG fordert diese technologische Entwicklung geradezu heraus.
Und schon sind netzparallele oder autarke Systeme verfügbar, mit Speicher. „Der deutsche Markt wird sich weiter entwickeln, davon bin ich überzeugt“, sagt Gregor Albrecht, Geschäftsführer von Talesun Solar Germany in München. „Man darf die Politik nicht überschätzen. In der deutschen Öffentlichkeit gibt es ein starkes Bewusstsein für erneuerbare Energien. Und die Strompreise steigen weiter.“
Im Vorfeld der Intersolar hat sein Team erst mal abgewartet, skeptisch wie viele Akteure der Branche. „Im Nachhinein war unsere Teilnahme sehr erfolgreich“, urteilt Albrecht. „Vor allem an den beiden ersten Messetagen hatten wir sehr gute Gespräche, die gehaltvoller waren als während der Goldgräberjahre.“
Den ersten Goldrausch hat die Photovoltaik hinter sich. Aber: Für den Zubau von sieben Gigawatt im Jahr brauchte sie das Stromnetz. Das reichte, um das Geschäftsmodell der alten Energiekonzerne empfindlich zu stören. in eigenes, nachhaltiges Geschäftsmodell öffnet sich jedoch erst durch den Eigenverbrauch.
Systemkosten entscheiden
Das kann die Windbranche nicht, das kann auch die Kraft-Wärme-Kopplung nicht, die ihren Schwerpunkt in der Industrie hat. „Nun wird die Photovoltaik nicht mehr als Profitobjekt wahrgenommen, sondern als Energietechnik, mit der man Kosten sparen kann“, analysiert Gregor Albrecht. „Man kann den Solarstrom vermarkten, auch in diesem Geschäft sind vernünftige Renditen möglich. Ich gehe davon aus, dass wir in Deutschland in diesem Jahr mindestens zwei Gigawatt zubauen. Sicher auch im kommenden Jahr und so weiter. Wenn der deutsche Markt nicht sogar wieder wächst.“
Führend bei Dachanlagen
Talesun bleibt auf dem deutschen Markt aktiv, „weil er international führend sein dürfte im Segment der Dachanlagen“, wie der Manager ergänzt.
Im Sommer erwartet Albrecht eine kleine, eine letzte Rallye der Solarteure, um die Anlagen bis Ende Juli ans Netz zu bringen. Dann tritt das neue EEG in Kraft mit der Strafsteuer auf den Eigenverbrauch. „Immer wenn eine Absenkung der Förderung bevorstand, wollten alle ihre Anlagen noch schnell fertig bauen“, sagt Albrecht. „Wie stark die Rallye in diesem Jahr wird, hängt davon ab, ob ab August auch die kleinen Dachanlagen mit einer anteiligen EEG-Umlage belastet werden.“
Vertrieb und Marketing entscheiden
Bisher ist es relativ ruhig. Die Auftragsbücher der Installateure, die die Marktbereinigung verkraftet haben, sind gut gefüllt. Es wird gebaut, stetig und kleinteiliger, für private und gewerbliche Kunden. Vielleicht erreicht der Markt in diesem Jahr sogar 2,5 Gigawatt. Rechnet man noch ein halbes bis ein Gigawatt in Österreich und der Schweiz hinzu, liegt der deutschsprachige Markt bei drei bis dreieinhalb Gigawatt.
Markttechnisch gehören diese drei Länder zusammen, zumal sich die Preise immer mehr angleichen. „In der Schweiz und in Österreich sind wir über den Modulhandel präsent“, erläutert Gregor Albrecht. „In der Schweiz verzeichnen wir eine erstaunlich gute Entwicklung. Auch in Österreich wächst die Offenheit der Menschen für Photovoltaik. Nicht zu vergessen ist Südtirol. Dort spielen weniger politische Debatten eine Rolle als die Systemkosten.“
Wer in diesen Märkten weiterhin erfolgreich sein will, muss sich auf die neuen Spielregeln einstellen. Fortan genügt es nicht, ein tolles Produkt zu haben. Der Vertrieb und das Marketing entscheiden über den Geschäftserfolg.
Und die Bankability für die Zwischenfinanzierung größerer Projekte, etwa für Gewerbebetriebe und die Industrie. „Die Hersteller werden ihre Systeme und Komponenten nicht direkt an die Endkunden vertreiben, das macht keinen Sinn“, meint Albrecht. „Der Vertrieb läuft über die Händler und die Installateure. Diese Struktur wird den Markt auch künftig tragen.“
Größere Veränderungen stehen auf den europäischen Märkten ins Haus, die derzeit mit Wachstum glänzen. Ein Beispiel ist Großbritannien. Dort wurden bis Ende April bereits Aufträge für mehr als drei Gigawatt gebaut oder angezeigt. Der britische Markt ist von der lukrativen Einspeisevergütung getrieben, wie einst die Märkte in Spanien, Italien und Deutschland. Der Zubau erfolgt wesentlich über Megawattanlagen auf dem freien Feld, technologisch nichts wirklich Neues.
Alles bleibt in Bewegung
Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen: Noch in diesem Jahr wird das Kabinett in der Downing Street den Geldhahn wieder zudrehen. Dann könnte und wird sich der britische Markt sehr schnell in einen Eigenverbrauchsmarkt wandeln, nach dem Vorbild des deutschen Marktes.
Einen schwerwiegenden Vorteil haben die Briten: Auf der Insel ist das Eigentum an Gebäuden viel stärker verbreitet. Wohnungen oder Häuser zu mieten, das ist eher die Ausnahme. My home is my castle. Zudem entspricht der Eigenverbrauch dem britischen Drang nach Unabhängigkeit vom Staat. Oliver Cromwell lässt grüßen.
Noch ein Indiz, dass die Photovoltaik in eine neue Wachstumsphase eintritt: Der weltweite Zubau erreichte 2013 insgesamt 38,4 Gigawatt, rund 28 Prozent mehr als 2012. Das hat die European Photovoltaic Industry Association (Epia) in ihrem jüngsten „Global Market Outlook 2014–2018“ errechnet. 2014 dürften es 40 Gigawatt werden, bis 2018 jährlich 55 Gigawatt.
Und schon wandeln sich die neuen Märkte in den USA und in Asien: An der Ostküste Amerikas, in den Neuengland-Staaten, dominiert das kleinteilige Dachgeschäft. Dort geht es jetzt auch los mit dem Eigenverbrauch. Und in Asien ist es der japanische Markt, der vor allem im gewerblichen Segment mit intelligenten Lösungen zur Selbstversorgung und zur Stromspeicherung aufwartet und sich entwickelt.
Fazit: Es bleibt spannend, spannender denn je. Auch wenn es nicht mehr so einfach ist wie vor drei oder vier Jahren. Doch mit dem Eigenverbrauch macht sich die Photovoltaik von den Netzmonopolen unabhängig. Das macht sie auch gegen politische Angriffe resistent.
Intersolar Europe
Deutschland bleibt technologische Spitze
Die Intersolar in München fiel in diesem Jahr einmal mehr deutlich kleiner aus als im Vorjahr. Rund 1.100 Aussteller aus 48 Ländern zeigten Produkte und Dienstleistungen aus der gesamten Wertschöpfungskette der Solarwirtschaft. Davon waren 250 Aussteller auf der Fachmesse Electrical Energy Storage (EES) vertreten. An drei Messetagen kamen rund 44.000 Besucher in die insgesamt acht Hallen und auf das Freigelände. Die Rangliste der Länder mit den meisten Ausstellern führten Deutschland, China, Österreich, Italien und Frankreich an. Für internationales Flair sorgten Delegationen aus Argentinien, Paraguay, Uruguay, Saudi-Arabien, Marokko und Indien. Auch die Länderpavillons von neun Nationen, darunter Kanada, Südkorea und Taiwan, wurden gut besucht.
Im Zentrum der Intersolar standen intelligente Leistungselektronik, Lösungen für das Energiemanagement und stationäre Stromspeicher. Viele Unternehmen stellten Eigenverbrauchslösungen für Haushalte und Gewerbe vor. Bei den Solarstromspeichern nimmt Deutschland erneut eine Pionierrolle ein, wie seinerzeit in der Photovoltaik überhaupt.
Im kommenden Jahr findet die Intersolar vom 10. bis 12. Juni auf dem Messegelände in München statt.
Pro Solar/WWF
Sonderabgabe für Dreckstrom gefordert
Aus Schweizer Steckdosen fließt heute zu mehr als 50 Prozent schmutziger Strom aus Kohle-, Atom- oder Gaskraftwerken. Dieser Anteil droht noch zu wachsen. Die Schweizer Solarinitiative Pro Solar und der World Wildlife Fund (WWF) Schweiz haben deshalb eine Petition an den Bundesrat in Bern und das Parlament gestartet. Sie fordern eine spezielle Abgabe für Dreckstrom (DSA). Die Strafzahlung könnte Marktverzerrungen mildern und der Umwelt helfen, ohne die Haushalte und Wirtschaft unnötig zu belasten. Das zeigt eine neue Studie.
Das Beratungsunternehmen Infras hat den Vorschlag durchgerechnet. Fazit: Die DSA kann problematische Marktverzerrungen stark mildern. Die Studie rechnet mit mittelfristig zehn Rappen pro Kilowattstunde Strom aus Kohle, Gas oder Atomkraft. Damit kämen jährlich 1,1 bis 1,8 Milliarden Franken zusammen, mit denen sich andere Steuern oder Abgaben (etwa für die Förderung erneuerbarer Energien) senken ließen. Wer heute schon erneuerbaren Strom bezieht, profitiert. Ein durchschnittlicher Haushalt mit nicht erneuerbarem Strom müsste pro Monat rund 25 Franken zusätzlich bezahlen, für die heute die Allgemeinheit aufkommt.
„Schmutziger Strom ist heute billig, weil andere die Kosten bezahlen“, sagt Thomas Vellacott, CEO des WWF Schweiz. „Mit einer Dreckstromabgabe bringen wir das Verursacherprinzip in den Strommarkt.“ Damit haben die einheimischen erneuerbaren Energien ihre verdiente Position und die Umwelt profitiert, weil in der Schweiz weniger schmutziger Strom konsumiert wird. „Die Schweizerinnen und Schweizer wollen sauberen Strom“, sagt Roger Nordmann, Nationalrat und Präsident von Swissolar. „Sie wollen nicht einfach inländischen Atomstrom durch ausländischen Dreckstrom ersetzen.“ Für WWF und Swissolar ist eine DSA darum ein wichtiges Element der Energiewende und eine zwingende flankierende Maßnahme zur vollständigen Öffnung des Strommarkts.
Europäischer gerichtshof
Luxemburger Richter stärken nationale Fördersysteme
Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat die Klage eines Finnen gegenüber Schweden wegen der schwedischen Förderung für erneuerbare Energien zurückgewiesen. Das dürfte auch das deutsche EEG in der Diskussion mit der EU-Kommission stärken.
In ihrem Urteil (Az.: C-573/312) befanden die Richter, dass ausländische Ökostromproduzenten keinen Anspruch auf nationale Vergütungen haben. Im konkreten Fall ging es um einen Betreiber von Windkraftanlagen auf den finnischen Ålands-Inseln.
Er hatte die Schweden verklagt, weil ihm die Ökostromförderung verwehrt wurde. „Das ist ein wichtiges Signal an die Investoren“, kommentierte Frauke Thies. Sie leitet die Politikabteilung beim europäischen Solarverband Epia. Die Gesetzgebung für Erneuerbare bleibe damit verlässlich und die Mitgliedsstaaten könnten sich an ihre verbindlichen Ausbauziele halten.
Die EU-Kommission hatte argumentiert, dass die Erhebung der EEG-Umlage auf nach Deutschland importierten Strom wie ein Strafzoll wirke. Zölle sind innerhalb der EU verboten. Die Bundesregierung ist deshalb mit der EU im Gespräch. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte bei der Verabschiedung der EEG-Novelle im Bundestag am vergangenen Freitag gesagt, dass dieses Thema zuvor noch nie von der EU bemängelt worden sei. Denn das deutsche EEG ist bereits seit April 2000 in Kraft.
Grünen-Fraktionsvize und Energieexperte Oliver Krischer begrüßte ebenfalls die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs. „Das schafft Klarheit für die nationalen Fördersysteme und stärkt die Energiewende.“
Die Forderungen der EU-Kommission zur Öffnung der EEG-Förderung für ausländische Investoren seien damit überholt. „Die Große Koalition muss sich vorwerfen lassen, dass sie in ihrer eilig zusammengeschusterten EEG-Novelle eine Öffnung des Marktes bei Ausschreibungen für mindestens fünf Prozent für ausländische Projekte bereits beschlossen hat, statt auf den Richterspruch zu warten“, erklärte Krischer. Ziel müsse es sein, dass die grenzüberschreitende Kooperation den Ökostromausbau beschleunige, Kosten senke und die Versorgungssicherheit erhöhe. (NHP)