Die von der Nuklearindustrie versprochenen wirtschaftlichen und energetischen Gewinne sind bei Weitem nicht realisiert worden. Stattdessen zeigen alle EPR-Projekte größte Sicherheitsprobleme, explodierende Baukosten und produzieren selbst viele Jahre nach der geplanten Inbetriebnahme keinen Strom. Es wird Zeit, alle Unterstützungen für die gefährliche und unwirtschaftliche Atomkraft zu beenden - sie wird nicht benötigt, insbesondere da Erneuerbare Energien nun wesentlich kostengünstiger geworden sind und sogar beginnen, die Versorgungssicherheit zu übernehmen.
Atomenergie gilt immer noch bei vielen Energieexperten und Politikern als sicher, notwendig und billig. In den 1990er Jahren verkündete die Nuklearindustrie in Europa den EPR als neue inhärente Reaktortechnologie, die eine nukleare Renaissance starten werde. Der französische Nuklear-Riese AREVA (kürzlich umbenannt in ORANO) kündigte an, nach 2010 über 200 EPR-Reaktoren mit hohen Profiten verkaufen zu wollen.
Doch wie sieht die Realität aus? Nichts als unfertige Reaktorbaustellen!
Heute zeigt die Geschichte des EPR nichts anderes als unfertige Reaktorbaustellen, alle Pilotprojekte liefern auch ein Jahrzehnt nach Baubeginn keinen Strom und die Kosten liegen um die 10 Milliarden über den veranschlagten Kosten. Die beteiligten Atomkonzerne, insbesondere die französischen AREVA und EDF sind selbst hoch verschuldet und können nur mit milliardenschweren öffentlichen Finanzhilfen am Leben gehalten werden. Ihnen allen drohen Insolvenzen, was der US-japanische Atomkonzern Westinghouse schon hinter sich hat.
Die nach wie vor unvollendeten bisherigen EPR-Reaktorbauten in Flamanville (Frankreich), Olkiluoto (Finnland) und Hinkley Point C (Großbritannien) stehen exemplarisch für die Verfehlungen der Atomindustrie.
So verschob sich die prognostizierte Inbetriebnahme von Hinkley Point C (GB) zu Weihnachten 2017 zuletzt auf 2027. Gleichsam rückte der Termin für die Inbetriebnahme von Flamanville von 2012 auf 2020. Das finnische AKW Olkilouto liegt schon 12 Jahre hinter dem geplanten Beginn der Energieproduktion.
Die ursprünglichen Baukosten haben sich von jeweils von 3 auf rund 10,5 Milliarden Euro bei Flamanville und auf 8,5 Milliarden bei Olkiluoto mehr als verdreifacht.
Mittlerweile haben sich Schulden angesammelt: bei EDF 61 Milliarden, bei AREVA 10 Milliarden Euro. Der französische Staat musste AREVA mit 4,5 Mrd. Euro subventionieren.
Folgekosten werden unter den Tisch gekehrt
Dabei sind auch die Folgekosten der bisherigen Atomenergienutzung extrem hoch. Sie werden nicht in die Atomstromkosten eingerechnet, aber über Steuergelder bezahlt. Im Februar 2013 wurde bekannt, dass allein die nukleare Reinigung des Atomstandortes Sellafield bis zu diesem Zeitpunkt fast 70 Milliarden Pfund gekostet hatte. Jedes Jahr kommen etwa 1,6 Milliarden dazu.
Dennoch hält die britische Regierung am Bau des neuen EPR-Atomreaktors Hinkley Point C fest, obwohl eine nicht veröffentlichte Regierungsstudie belegt, dass Wind- und Solarstrom im Vergleich zu dem geplanten AKW Hinkley Point C um die Hälfte günstigeren Strom erzeugen würden. Auch die neuste Veröffentlichung der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) stellt klar fest, dass die Stromerzeugungskosten aus Erneuerbaren Energien deutlich niedriger liegen als die aus Kernenergie.
Ziviles Atomprogramm entlastet Verteidigungshaushalt
Von der durch die Atomindustrie beschworenen “inhärenten Sicherheit” sind die EPR-Projekte weit entfernt. Die entstandenen technischen Problematiken sind inzwischen irreversibel. Durch schwere Mängel im Boden und im Deckel des Reaktordruckbehälters in Flamanville kann ein sicherer Betrieb nicht gewährleistet werden. Warum aber hält dann die britische Regierung am Weiterbaubau des Milliardengrabes Hinkley Point fest?
Die Antwort liefert der Blick in die Atomwaffenmodernisierung in Großbritannien. Die Wissenschaftler Emily Cox, Phil Johnstone und Andrew Stirling, (SPRU, Universität Sussex) haben in einer umfassenden Studie detailliert nachgewiesen, was von militärischer Seite offen kommuniziert, von der Energiepolitik jedoch vehement geleugnet wird: die Aufrechterhaltung des zivilen Atomprogramms entlastet den Verteidigungshaushalt.
Offensichtlich werden gerade auch von den Regierungen in Frankreich jegliche friedenspolitischen Notwendigkeiten zur Verhinderung des Aufbaus neuer Atomwaffenarsenale missachtet. Ex-Präsident Sarkozy ist kürzlich vor Gericht angeklagt worden, unerlaubte Wahlkampffinanzierungen durch den Ex-Diktator Gaddafi erhalten zu haben, dem er einst EPR-Reaktoren verkaufen wollte.
Der heutige Präsident Macron reiste kürzlich nach Indien, um dort neue EPR-Atomgeschäfte zu unterschreiben. Dabei ist Indien bis heute nicht dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten und wird die neuen EPR-Atomreaktoren zum Ausbau der eigenen Atomwaffen nutzen. Warum sonst sollte Indien noch Atomreaktoren bauen, wo sie doch viel teurer sind als die boomende Solar- und Windenergie in Indien?
Erneuerbare Energie Technologien sind wesentlich günstiger, schneller zu installieren und liefern unschädliche und sichere Energie.-Zudem können sie nicht für heimliche Atomwaffenpläne missbraucht werden. Eine unlängst veröffentlichte Studie der Energy Watch Group und Lappeenranta University of Technologie belegt nachdrücklich, dass erneuerbare Energien zusammen mit Speichersystemen die völlige Versorgungssicherheit auch ohne Grundlast schaffen können und das zu wettbewerbsfähigen Kosten, jedenfalls viel günstiger als die Atomenergie.
Es ist höchste Zeit, die Atomenergie zu einem Ende kommen zu lassen, sowohl durch den Stopp aller Neubauten, Neuplanungen und das Auslaufen des Betriebs laufender Reaktoren. Erneuerbare Energien sind die sicherste und kostengünstigste Lösung heutzutage. Das Festhalten an nuklearen Energieträgern entbehrt jeglicher rationaler Argumentation, es sei denn das Streben nach neuen Atomwaffen steht dahinter, was aber für den Weltfrieden unverantwortlich ist.
Die jüngste Veröffentlichung der Energy Watch Group “Das Desaster der europäischen Atomwirtschaft” dokumentiert die fatalen Entwicklungen der EPR-Bauprojekte unter den Augen der Europäischen Union.
Über die Energy Watch Group
Die Energy Watch Group (EWG) ist ein unabhängiges, gemeinnütziges globales Netzwerk von Wissenschaftlern und Parlamentariern. Die EWG erstellt Forschungen und unabhängige Studien und Analysen über globale Energieentwicklung.
Hans-Josef Fell ist Präsident der EWG und war Bundestagabgeordneter von 1998 -2013. Er ist Autor des EEG-Entwurfes 2000.