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Fünf Fragen an Joachim Pfeiffer

Welche Faktoren sind für den starken Anstieg der EEG-Umlage 2013 verantwortlich?
Der einfache Grund für den Anstieg der EEG-Umlage ist der unkontrollierte Ausbau der Erneuerbaren-Energien-Anlagen. Dieser ist in den letzten Jahren völlig aus dem Ruder gelaufen. Bei der Photovoltaik etwa, wurden anstelle des bisherigen Zielkorridors in Höhe von 3.500 MW pro Jahr, in 2010 und 2011 über 7.000 MW zugebaut. In 2012 wurden allein von Januar bis August 5.200 MW installiert. Bei diesen Zubauraten müssen wir in 2012 mit einer neuen Höchstmarke von an die 8.000 MW rechnen. Dies bringt nicht nur die Energienetze an die Grenze ihrer Belastbarkeit, sondern muss vom Verbraucher teuer bezahlt werden. Der Ausbau basiert nicht auf den Erfordernissen des Marktes, sondern wird allein durch die üppigen – umlagefinanzierten – Renditen für die Anlagenbetreiber gesteuert. Diese erzielen bei einer über 20 Jahre staatlich garantierten Abnahme teilweise zweistellige Renditen – bei null Risiko. Zeigen Sie mir ein Sparbuch, wo sie derartige Zinsen erhalten. Zahlen muss dies der Verbraucher. Und das nicht zu knapp: Die Übertragungsnetzbetreiber prognostizieren für das Jahr 2013 EEG-Einspeisevergütungen in Höhe von ca. 18,5 Milliarden Euro. Weitere 2 Milliarden Euro kommen als Nachholbetrag für 2012 noch hinzu. Dem stehen gerade einmal 2,6 Milliarden Euro prognostizierter Vermarktungserlöse an der Strombörse gegenüber. Die Belastungen aus der EEG-Umlage summieren sich somit auf das doppelte Volumen des Länderfinanzausgleichs.
Ist die Berechnungsgrundlage der EEG-Umlage in dieser Form richtig und noch zeitgemäß? Wenn nicht, welche Änderungen wären aus Ihrer Sicht sinnvoll?
Die Frage beantwortet sich durch die oben genannten Zahlen von selbst. Für die Verbraucher ist dieses System nicht mehr zumutbar. Hauptproblem ist: EEG-Strom wird derzeit überwiegend nicht in den Markt integriert, sondern in ein staatliches Vollkasko-System überführt – „produce and forget“ lautet das derzeitige Motto. Durch die 20-jährige bedarfsunabhängige Einspeisevergütung entstehen massive Fehlanreize, die eine bedarfsabhängige Einspeisung unattraktiv machen und das System weiter verteuern. Die Anlagenbetreiber erhalten eine Abnahmegarantie für den erzeugten Strom – unabhängig davon, ob überhaupt die notwendige Infrastruktur für den Transport zum Verbraucher besteht und ob der Strom gerade benötigt wird. Die Verantwortung für den notwendigen Netzausbau trägt ebenfalls die Allgemeinheit, die dies finanzieren muss, zusätzlich zur EEG-Umlage. Denn diese Umlage spiegelt die tatsächlichen Kosten nicht annähernd wider. Hinzu kommen unter anderem die Kosten des Netzausbaus, die Aufwendungen für Ausgleichsenergie und die geplante Haftungsübernahme für die Offshore-Anbindung. Dies zeigt, dass die EEG-Umlage die tatsächlichen Kosten nur verzerrt darstellt, denn die wahren Kosten sind noch wesentlich höher – und das mit steigender Tendenz. Auch diese Kosten müssten eigentlich verursachungsgerecht in der EEG-Umlage mit auftauchen.
Rückblickend ist festzustellen, dass der ursprüngliche Gedanke der EEG-Umlage als Anschubfinanzierung für den Ausbau der erneuerbaren Energien längst ad absurdum geführt worden ist: Aus der Nischenförderung ist ein Marktersatz geworden. Das jetzige EEG zielt nur auf den quantitativen Ausbau ab. Der Effizienzgedanke spielt bei der Förderung keine Rolle: So entfallen allein 5 Milliarden Euro oder rund 27 Prozent der Gesamtförderung auf die Vergütung von Photovoltaik-Strom, der jedoch gerade einmal 4 Prozent des deutschen Stroms generiert. Massive Subventionierung ist somit ein bestimmender  Bestandteil der neuen Energieversorgung geworden.
Seine ursprüngliche Aufgabe hat das EEG beinahe übererfüllt: Mehr als jede fünfte Kilowattstunde stammt in Deutschland heute bereits aus erneubaren Quellen. Erneuerbare Energien sind damit kein Nischenprodukt mehr und müssen jetzt auch Systemverantwortung übernehmen. Daher gilt es, das EEG dringend nach marktwirtschaftlichen Kriterien zu reformieren. Es müssen grundlegende Veränderungen in der Förderstruktur her: Stromproduzenten haben ihre Produkte selbst zu vermarkten und an den Markt zu bringen. Was in anderen Branchen selbstverständlich ist, muss schließlich auch für die Energiewirtschaft gelten. Dies ist richtig und fair, denn die Gemeinschaft kann nicht dauerhaft den Preis und die Abnahme garantieren. Die bisherige Produktion muss endlich den Schritt von der Plan- zur Marktwirtschaft vollziehen.
Sind die Ausnahmen für die energieintensiven Unternehmen in dieser Form sinnvoll?
Die momentan geführte Debatte zur diesen Ausnahmen für die Industrie ist aus drei Gründen irreführend: Erstens erhalten diese Entlastungen die globale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Industrieunternehmen. Dies ist unabdingbar für die Erhaltung des deutschen Industriestandortes und die Sicherung der industriellen Basis unseres Wohlstands. Es geht hier nicht um Geschenke oder Subventionen, sondern um Erleichterungen für Standortnachteile, die für die Industrie auch ohne EEG bestehen. Denn die deutschen Industriestrompreise gehören im europäischen und weltweiten Vergleich bereits jetzt zu den höchsten. Jegliche Zusatzbelastung erhöht die Gefahr der Abwanderung und Vernichtung von Arbeitsplätzen. Dabei ist es die Industrie, der Deutschland trotz Krise sein aktuelles wirtschaftliches Wachstum verdankt.
Zweitens führen die heftig kritisierten Entlastungen der energieintensiven Industrie lediglich zu moderaten Zusatzbelastungen von rund 0,6 bis 0,8 Cent/Kilowattstunde. Infolge des jetzigen Anstiegs der EEG-Umlage auf 5,3 Cent wird die Entlastung der Industrie rund ein Cent betragen. Die Entlastungen der Industrie bei der EEG-Umlage kosten einen Durchschnittshaushalt (3.500 Kilowattstunden) damit rund 30 Euro im Jahr. Zum Vergleich: Die EEG-Umlage insgesamt belastet den Durchschnittshaushalt momentan mit rund 125 Euro. Ab nächstem Jahr werden es rund 185 Euro sein. Insgesamt sichern so rund drei Euro im Monat die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland.
Drittens stellt der diskutierte Verzicht auf die Industrieentlastungen keine Lösung des bestehenden Problems dar. Der Wegfall der Industrieentlastungen würde die EEG-Umlage nur geringfügig reduzieren und das grundsätzliche Problem nicht beheben. Dies liegt am derzeitigen ineffizienten Ausbau und der fehlenden Marktintegration der erneuerbaren Energien. Die Kosten würden also unaufhaltsam weiter steigen. Es gilt daher, das Problem an der Wurzel anzupacken. Es müssen marktwirtschaftliche Reformen erfolgen.
Was halten Sie von den Vorschlägen des Umweltministers für eine EEG-Reform?
Das sehe ich ähnlich wie der Bundesumweltminister: Für eine Beibehaltung des Status Quo gibt es kein vernünftiges Argument. Vielmehr wird der Umbau der Energieversorgung nur mit dem Markt erfolgreich sein.  
Ist diese EEG-Reform aus Ihrer Sicht notwendig? Wenn ja, warum und bis wann? Wenn nicht, warum nicht?
Notwendig ist eine grundlegende Reform und eine Markt- und Systemintegration der Erneuerbaren Energie. Es gilt auch für die erneuerbaren Energieträger, auf eigenen Beinen zu stehen und sich endlich aus der 100-prozentigen und durch die Verbraucher finanzierten Subvention zu lösen. Daher ist die Zeit nun mehr als reif, um über die Zukunft des EEG nachzudenken und die notwendigen Maßnahmen einzuleiten. Mit seinem Reformanstoß hat Herr Altmaier die notwendigen Korrekturen der strukturellen Probleme des EEG eingeleitet.

Die Fragen stellte Sandra Enkhardt.