Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Glücklicher Sisyphos

Wenn jemand die Berge kennt, sprich: die Alpen, dann Reinhold Messner. Der Bergsteiger aus Südtirol ist bekannt wie ein bunter Hund: in Deutschland, in Österreich, in der Schweiz, in Italien – überall. Von ihm stammt der Satz: „Wir müssen uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen.“

Messner hat alle Gipfel dieser Erde bezwungen, er kennt staubige Wüsten und die eisige Ödnis am Pol. Auf und ab, ganz oben und ganz unten. Kommt uns das bekannt vor? Auch die Photovoltaikbranche kennt – zubautechnisch gesprochen – schwindelerregende Peaks und steile Abstürze, kennt den Schatten im Tal und das helle Licht am Gipfelkreuz.

Mühsamer Aufstieg aus der Klamm

Langsam und mühsam ist der Aufstieg aus der Klamm, aber die freie Sicht ins Rund – dort oben – verlockt. Das macht süchtig. So gesehen spricht Reinhold Messner den Solarteuren aus der Seele. Sind wir doch alle Sisyphos, irgendwie.

Denn noch ist der Photovoltaikmarkt kein Selbstläufer, ist harte Arbeit, jeden Tag. Auch die Kollegen in der Schweiz haben 2016 ein schwieriges Jahr hinter sich. Gegenüber 2015 ging der Zubau um ein Fünftel auf rund 200 Megawatt zurück. Die Hängepartie um die Energiestrategie 2050 lähmt die eidgenössische Politik wie dicke Nebel im Berner Oberland. Die genauen Zubauzahlen dürften erst im Juni vorliegen.

Vorsichtiger Optimismus

Am 21. Mai stimmen die Schweizer über die künftige Energiestrategie ab, die den erneuerbaren Energien neuen Schub verleihen soll. Darin geht es um die Fortschreibung der Solarförderung der Eidgenossenschaft und der Kantone.

Fallen die notwendigen politischen Entscheidungen, könnte Sonnenstrom bis 2035 zwei Drittel des Atomstroms im Alpenland ersetzen. 2016 wurden in der Schweiz nur 2,5 Prozent des Jahresstrombedarfs aus Photovoltaik gedeckt.

Für 2017 sieht Swissolar jedoch verschiedene Faktoren, die Grund zu vorsichtigem Optimismus geben. Zum einen sinken die Preise für Photovoltaikmodule weiter ab, was den Markt beleben dürfte. Die Schweiz gehört nicht zur Europäischen Union, deshalb spielen dort die Mindestimportpreise für chinesische Ware keine Rolle.

Zudem hat die Schweiz die Förderung von Eigenverbrauchsanlagen vereinfacht. Sie bekommen eine einmalige Vergütung, die rund 30 Prozent der Investitionskosten abdeckt. Ebenfalls unterstützend dürfte sich die Pflicht zur Eigenproduktion von Strom bei Neubauten auswirken, die von den Kantonen geplant ist. Warten wir es ab, wann diese Vorschriften kommen.

Rein bergtechnisch blicken die Schweizer auf die Österreicher herab, denn im östlichen Alpenland gibt es keine Gipfel über 4.000 Meter. Doch der österreichische Photovoltaikmarkt hat sich 2016 stabil gezeigt, der Zubau lag wieder bei rund 150 Megawatt.

„Auch wenn es einige in der Politik nicht wahrhaben wollen, die Nachfrage nach Photovoltaikanlagen in Österreich ist ungebrochen“, bestätigt Hans Kronberger, Präsident des Bundesverbandes Photovoltaic Austria. „Die Österreicher sind nach wie vor an der Zukunftstechnik der Sonnenstromerzeugung hochgradig interessiert.“ Unlängst hatte die Regierung in Wien die Fördertarife für 2017 gekürzt. Dennoch war die Fördersumme bei der Antragsrunde im Januar innerhalb weniger Minuten ausgereicht.

Ein Windhundrennen im Internet

In Österreich läuft das Verfahren übers Internet, da geht es zu wie beim Windhundrennen. Wer zuerst klickt, mahlt zuerst – bingo! Das war auch Anfang 2017 nicht anders, trotz der abgesenkten Fördertarife. „Die Sonnenstromtechnik befindet sich voll am Weg in die Marktfähigkeit“, kommentiert Kronberger. „In der Landwirtschaft und bei einigen gewerblichen Anwendungen rechnen sich bereits solche Anlagen, die ohne Förderung wirtschaftlich sind.“

Deshalb setzt PV Austria stark „auf individuelle Errichter abseits der Förderungssysteme“, wie Hans Kronberger sagt. „Auch in diesem Jahr werden wir politisch weiter für den Eigenverbrauch werben.“ Der Branchenverband fordert die Reform des Ökostromgesetzes, um die Vergabe der Fördermittel zu optimieren. „Aufgrund der dramatischen Preisreduktion für Photovoltaikanlagen in den letzten acht Jahren um etwa 70 Prozent könnte man die installierte Leistung pro Jahr ohne einen Cent an Mehrkosten verdoppeln bis verdreifachen.“

Blockaden in Wien

Seit mittlerweile fast drei Jahren ist dieser Umstand den zuständigen Regierungsparteien bekannt, durch die gegenseitige Blockade jedoch bisher unlösbar geblieben. Denn in Wien jagt eine Regierungskrise die nächste, muss die aktuelle Politikerriege erst noch beweisen, ob sie wirklich reformbereit und dazu fähig ist. Kronberger, selbst ein alter Hase im Politikgeschäft, fordert die zuständigen Ministerien auf, zu konstruktiven Verhandlungen zurückzukehren: „Die österreichische Photovoltaikwirtschaft und damit die interessierten Sonnenstromerzeuger verlieren jährlich hohe Millionenbeträge!“

Speichergeschäft kommt in Gang

Große Hoffnungen setzen die Österreicher in die Stromspeicher. PV Austria hat diesen Trend früh erkannt und die Hersteller von Speichern in den Solarverband eingeladen. Dort sind sie mittlerweile im Vorstand vertreten. „Wir führen regelmäßig Dialoge mit der Speicherwirtschaft durch, um uns zu koordinieren“, erläutert Hans Kronberger. „Die Nachfrage ist enorm, das merken wir bei unseren Veranstaltungen, die aus allen Nähren platzen.“

Im Unterschied zu Deutschland hat Österreich noch keine Bundesförderung für Stromspeicher. Einige Bundesländer bieten eigene Programme an, die von den Experten genau beobachtet und auswertet werden. „Um eine bundesweite Förderung bemühen wir uns“, nennt Kronberger ein weiteres Ziel der Verbandsarbeit. „Diese muss aber einhergehen mit entsprechenden Normen zur Installation.“

Republik Österreich

Neue Richtlinie R 20 für Stromspeicher

Anfang November wurde die neue Richtlinie R 20 für „Stationäre elektrische Energiespeichersysteme, vorgesehen zum Festanschluss an das Niederspannungsnetz“ vom OVE veröffentlicht. Anhand dieser Richtlinie soll der Umgang mit Stromspeichersystemen standardisiert werden, insbesondere was den Einbau und den Anschluss an das öffentliche Stromnetz betrifft. Die Richtlinie gibt leicht verständliche Empfehlungen und Handlungsanleitungen für die sichere Aufstellung und Installation von Stromspeichern, die unter Umständen vor Gericht als Referenz herangezogen werden. Die R 20 deckt folgende Themen ab:

  • Definition von „elektrischen Energiespeichersystemen (ESS)“,
  • Transportregelungen,
  • Aufstellungs- und Dokumentationspflichten,
  • Einbindung von ESS in die Hausversorgung.

Notstrom in der Richtlinie

Ein Thema, das in Österreich und Deutschland schon einigen Netzbetreibern, Elektroinstallateuren und Solarkunden Kopfzerbrechen bereitet hat, ist die (sicherheits-)technische Behandlung der Notstromfähigkeit eines Stromspeichers. Liefert er bei Netzausfall keinen Strom ins Hausnetz (und damit auch keinesfalls in das öffentliche Netz), reicht die integrierte Schutzfunktion des Batteriewechselrichters (NA-Schutz).

Anders lauten die Anforderungen der Richtlinie für zusätzliche Schutzeinrichtungen, wenn der Speicher notstromfähig ist. Je nach Netzform (TN oder TT) steigt der Aufwand bei der Netztrennung, welche wiederum sicherstellen soll, dass die Notstromlieferung nicht auf das öffentliche Stromnetz rückwirkt.

Der Unterschied liegt in der allpoligen Trennung: Hier muss innerhalb eines TT-Netzes, im Gegensatz zum TN-Netz, neben der erforderlichen Netztrennungseinrichtung (Netzfreischaltstelle) auch ein Isolationsüberwachungsgerät eingebaut werden.

Weitere Eventualitäten

Bei Netzausfall kann es vorkommen, dass der Netzbetreiber ein Notstromnetz mit 52 Hertz betreibt. Dies führt zu Rückkopplungseffekten auf den notstrom- oder inselfähigen Stromspeicher, der dann in den Stand-by-Modus wechseln würde, da zu viel Strom und zu wenig Last und eine zu hohe Frequenz im Hausnetz gemessen werden. Für diesen Fall sieht die R 20 den Einbau eines Quellenumschalters (Bypass) vor, der die automatische Trennung des Speichers vom Verteilnetz verhindern soll.

www.ove.at/webshop

Kurz nachgefragt

„Unser Markt ging deutlich zurück“

Wie hat sich der Markt in der Schweiz im vergangenen Jahr entwickelt?

David Stickelberger: Die definitiven Zahlen haben wir noch nicht. Aber wir gehen davon aus, dass der Zubau im vergangenen Jahr bei rund 250 Megawatt lag. Das ist ein deutlicher Marktrückgang. Im Jahr 2015 erreichten wir 337 Megawatt.

Worauf führen Sie das zurück?

Für große Anlagen gibt es faktisch keine Einspeisevergütung mehr. Nur ein ganz kleines Kontingent wurde im vergangenen Jahr freigegeben. Alle Anlagen unter 30 Kilowatt können von der Einmalvergütung profitieren. Für die größeren Anlagen gibt es das nicht. Deshalb wurden im vergangenen Jahr zwar gleich viele oder sogar noch mehr Anlagen als im vorangegangenen Jahr gebaut. Aber sehr viel mehr kleine Anlagen. Dieses Segment kann bezüglich der neu installierten Leistung den Rückgang bei den größeren Anlagen nicht kompensieren.

Die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) ist ausgebucht, da wird keine neu angemeldete Anlage mehr etwas bekommen?

Ja, das ist so. Wer sich da jetzt noch anmeldet, ist absolut chancenlos.

Gibt es Hinweise, dass die Einmalvergütung auch für größere Anlagen eingeführt werden könnte?

Das sollte so kommen. Mit dem Inkrafttreten der Energiestrategie 2050 bekommt der Bundesrat ab 2018 die Kompetenz, die Obergrenze für die Einmalvergütung zu erhöhen. Gemäß dem vorliegenden Verordnungsentwurf wird er das auch tun. Die Einmalvergütung soll für Anlagen bis 50 Megawatt zugelassen werden.

Wie könnte dieses System dann aussehen?

Ab einer Anlagengröße von 100 Kilowatt soll es eine Warteliste geben. Die Betreiber solcher Anlagen werden wahrscheinlich länger warten müssen, bis sie einen Bescheid bekommen. Alle Betreiber von Anlagen, die unter dieser Grenze liegen, werden aber innerhalb von einigen Monaten einen Bescheid bekommen.

Das Gespräch führte Sven Ullrich.

www.swissolar.ch

David Stickelberger

ist seit 1998 Geschäftsleiter von Swissolar. Der schweizerische Dachverband der Solarbranche hat fast 300 Mitglieder. Stickelberger hat Geografie an der Universität in Zürich studiert, bevor er in der kommunalen Umweltberatung tätig wurde. Danach leitete er die Klima- und Energiekampagne von Greenpeace Schweiz.

Jetzt weiterlesen und profitieren.

+ PV E-Paper-Ausgabe – jeden Monat neu
+ Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
+ Fokus PV: Sonderhefte (PDF)
+ Webinare und Veranstaltungen mit Rabatten
+ Adresseintrag im jährlichen Ratgeber
uvm.

Premium Mitgliedschaft

2 Monate kostenlos testen