Dazu wird in Lulea am Nordufer des Bottnischen Meerbusens eine Pilotanlage mit dem hübschen Namen Hybrit entstehen. Auch im 250 Kilometer nordwestlichen Erzgebiet von Norrbotten soll die neue Technik zum Einsatz kommen.
Die Anlage wird mit Wasserstoff laufen, der erste Spatenstich ist für den Sommer geplant. Durch Hybrit könnten die gesamten schwedischen Emissionen an Kohlendioxid auf einen Schlag um zehn Prozent gesenkt werden. In Finnland könnte das neue Verfahren die Emissionen um sieben Prozent senken. Bis 2035 soll der Stahl allein aus sauberen Energien entstehen, auch bei der Gewinnung der Erze aus dem Berg setzen die Unternehmen auf erneuerbare Energien.
Die Bosse denken um
Bisher sind große Energieversorger wie Vattenfall nicht durch besondere Innovationsfreude bei der Energiewende aufgefallen. Zur Erinnerung: Würden wir in Deutschland die schlimmsten Dreckschleudern von RWE vom Netz nehmen, könnten wir die Emissionen in der Stromerzeugung um ein Drittel senken. Die Schweden – über ihre Regierung in Stockholm immerhin Eigner von Vattenfall – haben sich sehr ambitionierte Ziele gesetzt, um möglichst bald völlig unabhängig von Kohle und Öl zu werden.
Offenbar denkt es in der Chefetage von Vattenfall, ähnlich wie sich auch bei Eon und EnBW einiges bewegt. Nur RWE tut sich noch schwer, siehe oben. Doch zurück zum Stahl, eines der wichtigsten Exportgüter der Schweden: Mit der Allianz der drei mächtigen Konzerne könnte ein Modell entstehen, das sich auch auf andere Branchen übertragen lässt.
Die Strafsteuer wird kommen
Den Bossen ist offenbar klar: Eines Tages wird es eine Strafsteuer für Emissionen geben, die wirklich weh tut. Sie wird aus Brüssel kommen, oder aus Stockholm, oder aus einem der Abnehmerländer des Schwedenstahls. Dafür rüstet sich die Industrie, will nicht in die Falle tappen, die früher oder später zuschnappen wird.
Der Schritt von Vattenfall ist klug, richtig und ambitioniert. Denn wenn die Stahlerzeugung grün wird, kann sich Vattenfall neue Geschäftsfelder sichern. Nicht mehr stinkende oder strahlende Kraftwerke und Netzversorgung stehen im Vordergrund, sondern die intelligente Adaption von Energiedienstleistungen für die Großindustrie – bis hin zu Notstrom oder der Kostensenkung durch Effizienzmaßnahmen.
Die Hüttenwerke, Hochöfen und die verarbeitende Industrie sind darauf angewiesen, dass der elektrische Strom zuverlässig rund um die Uhr in erstklassiger Qualität zur Verfügung steht.
Wandel zum Dienstleister
Damit wandelt sich Vattenfall zum Energiedienstleister für die Industrie, wie sich beispielsweise die Telekom zum Kommunikationsdienstleister gemausert hat. Nicht mehr Strom allein – oder Informationskanäle – ist das Geschäft, sondern seine effiziente Verfügbarkeit für die spezifischen Anforderungen der Kunden. Sauberer Strom wird im Überfluss verfügbar sein. Dass er aber in ausreichender Menge und vor allem: Leistung zur Verfügung steht, das ist eine anspruchsvolle Aufgabe.
Bei der Gewinnung von Rohstoffen spielt die Energie eine entscheidende Rolle. Das hat sich mehrfach gezeigt, als in den Vereinigten Staaten die Stromnetze ausfielen – wegen der Stürme oder des Wintereinbruchs. Dann müssen die Aluminiumhütten – die größten Stromfresser überhaupt – als erste dichtmachen. Schon die Gefahr eines Blackouts ermächtigt die Gouverneure der Bundesstaaten, die Schließung der Aluminiumwerke anzuordnen.
Von strategischer Bedeutung
Die Schwerindustrie auf grüne Energie umzustellen, ist strategisch nicht zu unterschätzen. Gleiches gilt für die chemische Industrie. Endlich wachen die Bosse auf. Denn wenn sie diesen Wandel nicht stemmen, werden Renditen eines nicht allzu fernen Tages nicht mehr möglich sein.
Dann gehen die Aktionäre leer aus – wie heute übrigens schon bei RWE & Co. Da bleibt eigentlich nur die Frage, warum das Umdenken in manchen Unternehmen so lange dauert. Größe allein, Behäbigkeit der Giganten, kann dafür kein Grund sein. Vielleicht liegt es ja doch an der unsäglichen Verquickung mit der Politik, wie man in Nordrhein-Westfalen oder in Brandenburg sehr gut sehen. In NRW kungeln die Christdemokraten, in Potsdam die Sozis. Als ob es keine Klimaerwärmung gäbe, keine Notwendigkeit zur Energiewende, keinen breiten Willen in der Bevölkerung.
Noch einmal zurück zum Stahl, nach Lulea. Ich kenne das Nest, war vor 25 Jahren mal dort oben unterwegs. Nun entsteht dort eine neue Technologie, die sich global sehr schnell herumsprechen wird. Man darf gespannt sein, ob die Schweden tatsächlich bis 2035 brauchen, um ihren Stahl emissionsfrei zu schmelzen. Man muss das Eisen schmieden, solange es heiß ist. Und bisher, das lehrt die Erfahrung, ging es in der Energiewende meistens schneller, als Anfangs prophezeit.