Es ist dunkle Nacht. Im Schein des Mondes erkennt man eine kleine Photovoltaikanlage. Plötzlich erstrahlt eine LED direkt neben dem Mond. Diese Moon-Technology ist der neueste Coup von Chin-Yao Tsai. Er ist Chef der taiwanesischen Solarfirma Auria. Mit seinen mikromorphen Low-Voltage-Dünnschichtmodulen könne auch in der Nacht Strom erzeugt werden, berichtet Tsai stolz. Anfang nächsten Jahres will er dafür eine Produktionslinie starten. Er ist ständig auf der Suche nach neuen Ideen, um Solarstrom in den Alltag der Menschen zu bringen. Dabei ist es aus seiner Sicht besonders wichtig, sich von der Masse der Anbieter abzuheben. „Differenzierung ist der einzige Ausweg“, sagt Tsai.
Chin-Yao Tsai gilt als bunter Vogel, zugleich aber einflussreiche Persönlichkeit in Taiwans Photovoltaikindustrie, die sich Ende Oktober auf der PV Taiwan 2010 präsentierte. Knapp 11.500 Besucher aus 57 Ländern kamen zur Messe nach Taipeh. Insgesamt präsentierten 251 Unternehmen an 626 Ständen ihre Neuheiten. Dies ist rund ein Viertel mehr als noch im vergangenen Jahr.
Die Solarbranche auf der vor China liegenden Insel ist noch jung. Viele Unternehmen haben sich seit 2005 in Taiwan gegründet und sind auf dem Vormarsch. Dabei können sie auf ihr Know-how aus der Halbleiterindustrie vertrauen. Der Fokus vieler taiwanesischer Firmen liegt wohl auch deshalb auf der Herstellung von mono- und multikristallinen Solarzellen. Binnen weniger Jahre haben Unternehmen wie Gintech, Motech, Neo Solar Power, Au Optronics und Topcell große Kapazitäten aufgebaut.
Taiwan hat sich bei den Herstellern kristalliner Solarzellen bereits auf Platz zwei der weltweiten Rangliste hinter China vorgearbeitet. In diesem Jahr verfügen die taiwanesischen Produzenten über eine Kapazität von insgesamt etwa fünf Gigawatt. „Solarzellen passen vom Produkt her einfach gut in das taiwanesische Fertigungs-Know-how“, sagt Henning Wicht, Analyst des Beratungs- und Marktforschungsinstituts iSuppli, der auf der Konferenz in Taipeh referierte.
Dies ist aber nicht das Ende der Fahnenstange. Im kommenden Jahr planen gerade die großen Unternehmen, sich weiter zu vergrößern. 2011 sollen es etwa 6,6 Gigawatt und im Jahr danach sogar neun Gigawatt Kapazität sein. Dies zeigt die Dynamik, die in Taiwans Solarzellenmarkt herrscht.
Im Vergleich dazu: Chinas Solarzellenhersteller verfügen am Ende dieses Jahres über eine Gesamtkapazität von rund 13,5 Gigawatt, die im kommenden Jahr auf rund 17 Gigawatt ausgebaut werden soll. Diese Zahlen belegen zugleich, dass sich die Produktion bereits deutlich in Richtung Asien bewegt hat. Deutschland wird nach Wichts Analysen auf einem Level von etwa 3,2 Gigawatt Kapazität bei den Solarzellenherstellern stagnieren.
Die großen Solarzellenproduzenten Taiwans können es dabei locker mit der chinesischen Konkurrenz aufnehmen. Taiwan – flächenmäßig mit der Schweiz vergleichbar – verfügt über etwa acht große Player am Markt. Vor allem die Ankündigungen von Gintech, Motech und Neo Solar Power lassen aufhorchen. Diese drei Firmen wollen im kommenden Jahr ihre Kapazitäten auf 1.200 bis 2.200 Megawatt ausbauen. Damit spielen sie in einer Liga mit den chinesischen Konkurrenten wie JA Solar, Yingli oder Trina.
Doch nicht nur auf die Größe kommt es bei der Wettbewerbsfähigkeit an: Ein weiterer wesentlicher Faktor ist der Wirkungsgrad der Zellen. So kündigte Senior Vice President Andy Shen an, dass Neo Solar Power im kommenden Jahr die Effizienz der multikristallinen Zellen von 16,8 auf 17,4 Prozent erhöhen will. Bei den monokristallinen Solarzellen soll der Wirkungsgrad von derzeit 17,8 auf 18,5 Prozent steigen.
Kosten müssen runter
Ähnliche Ziele verfolgen auch die anderen Solarzellenhersteller, die nach eigenen Aussagen sehr viel Wert auf die Forschungs- und Entwicklungsarbeit legen. Denn mit der Effizienzsteigerung sind Kostensenkungen verbunden, was wiederum die Rendite für Photovoltaikprojekte erhöht. „Niedrige Kosten sind das Gebot der Stunde“, sagt P.H. Chang, CEO von Motech. Kurzfristig sieht er vor allem durch technologische Fortschritte wie die Erhöhung der Wirkungsgrade Potenziale für Kostensenkung. Aber auch dünnere und größere Wafer sowie sinkende Siliziumpreise würden helfen, Kosten einzusparen und die Rentabilität zu erhöhen. Chang hält Kostensenkungen von etwa 10,5 Prozent bei Solarzellen im nächsten Jahr für möglich.
Ein dritter wichtiger Punkt ist die operative Prozessoptimierung. Da die Herstellung von Solarzellen sehr an Halbleiterprozesse angelehnt ist, müssen sich die taiwanesischen Firmen auch bei der Verbesserung der Produktion nicht hinter der weltweiten Konkurrenz verstecken.
„In allen drei Feldern sind die Taiwanesen vorn mit dabei“, sagt Analyst Henning Wicht. Er sieht insgesamt nicht so viele Kostenvorteile bei den chinesischen Unternehmen wie etwa bei der Modulfertigung: „Der Zellpreis ist ein globaler Preis.“ Der größte Kostenfaktor seien die Wafer. „Wenn es die taiwanesischen Hersteller schaffen, diese zu ähnlichen Preisen wie die chinesische Konkurrenz zu beziehen, dann sind sie absolut wettbewerbsfähig“, so der Analyst weiter.
Ungewisse Marktlage 2011
Allerdings herrscht nicht nur in Deutschland, sondern auch in Taiwan Unsicherheit, wie sich der Weltmarkt im kommenden Jahr entwickeln wird. Gerade das erste Quartal 2011 schätzt Wenwhe Pan, Präsident von Gintech, als schwierig ein. „Das Problem wird sein, den richtigen Preis zu finden.“
Die Solarzellen der taiwanesischen Hersteller gehen überwiegend in den Export. Abnehmer sind viele mittelständische Modulhersteller in Europa. Diese seien sehr zufrieden mit den taiwanesischen Solarzellen, sagt Wicht. Allerdings sei es nun auch wichtig, neue Absatzmärkte zu erschließen. Nach Wichts Angaben werden taiwanesische Solarzellen auch verstärkt nach China geliefert. Außerdem könnten Ontario und Indien, also Länder mit sogenannten „Local-Content-Klauseln“, attraktive neue Absatzmärkte für Taiwans Firmen sein. „Modulhersteller könnten dort ihre Produktion aufbauen, die Solarzellen aber weiterhin aus Taiwan beziehen“, schätzt Wicht ein.
Die Marktforscher von iSuppli sind optimistisch, was die Entwicklung des Weltmarktes angeht. Ab 2014 erwarten sie die Installation von 30 Gigawatt Photovoltaikleistung jährlich und die Entwicklung völlig neuer Märkte, „die wir heute noch gar nicht auf dem Schirm haben“. Zugleich räumt Wicht ein, dass der ungebremste Ausbau der Kapazitäten auch Risiken birgt: „Er ist immer eine Wette auf die Zukunft.“
Taiwans Solarzellenhersteller geben sich auf der Messe optimistisch. Sie sehen gute Absatzchancen für ihre Produkte gerade in Europa und dort auch außerhalb Deutschlands. Außerdem liegt der derzeit weltgrößte Wachstumsmarkt der Photovoltaikindustrie direkt vor der Tür: Taiwans Solarzellen sind auch in China eine gefragte Ware.