In der Nacht haben sich die Koalitionsspitzen von Union und FDP auf einen Fahrplan für den Atomausstieg verständigt. „Wir werden schrittweise bis Ende 2022 vollständig auf die Kernenergie verzichten. Die während des Moratoriums abgeschalteten sieben ältesten Kernkraftwerke werden nicht wieder ans Netz gehen“, heißt es im Beschluss „Der Weg zur Energie der Zukunft – sicher, bezahlbar und umweltfreundlich“. Neben den sieben ältesten Meilern soll auch das AKW Krümmel nicht mehr hochgefahren werden. Allerdings dürften die Reststrommengen ebenso wie die des AKW Mühlheim-Kärlich auf andere Meiler übertragen werden, so der Beschluss der Regierung.
Allerdings wird es nun keinen ungebremsten Ausbau der erneuerbaren Energien wie Photovoltaik, Wind und Biomasse geben. Unter dem Punkt „Bezahlbarkeit“ heißt es im Koalitionsbeschluss: „Unser Ziel ist es, erneuerbare Energien schnell zur Marktkonformität zu führen und effizienter zu gestalten. Je rascher dies gelingt, desto stärker wird der Weg in das Zeitalter der erneuerbaren Energie auch die Wachstumsdynamik stärken.“ Dabei sollten bestehende Kostensenkungspotenziale ausgeschöpft werden, um die EEG-Umlage nicht über die derzeit 3,5 Cent je Kilowattstunde-Grenze steigen zu lassen. Der grüne Energiepolitiker Hans-Josef Fell warnt in diesem Zusammenhang vor einem „Deckel beim Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)“. Zugleich sorge die Bundesregierung aber über Sonderregelungen für die Industrie dafür, dass die EEG-Umlage für den normalen Stromkunden ansteige.
Solarausstieg noch vor Atomausstieg?
„Ein besonders scharfes Damoklesschwert schwebt über die Photovoltaik“, so Fell weiter. Die schwarz-gelben Energiepolitiker seien sich einig, dass die Photovoltaik-Vergütung zukünftig mit jährlich bis zu 34 Prozent abgesenkt werden solle. „Sollte dies in der EEG-Novelle umgesetzt werden, könnte dies sehr schnell das Ende des deutschen Photovoltaik-Marktes bedeutet. Der Solarausstieg kann jetzt deutlich vor dem Atomausstieg kommen“, so der Grünen-Energiepolitiker.
Die Bundesregierung setzt eher dafür lieber auf Kohlekraftwerke. Eine schnelle Fertigstellung der im Bau befindlichen fossil befeuerten Kraftwerke, die eine Leistung von rund 10 Gigawatt haben, sei bis 2013 unabdingbar, heißt es im Papier der Koalition. Auch der Netzausbau müsse vorangetrieben werden. Dabei nehme die Bundesregierung den jüngsten Bericht der Bundesnetzagentur ernst. Dieser befasse sich mit den Auswirkungen des Moratoriums der AKW-Laufzeitverlängerung auf die Netze und die Versorgungssicherheit. „Danach sind insbesondere zur Frage der Netzstabilität in Süddeutschland weitere Faktenerhebungen und Untersuchungen erforderlich“, heißt es im Papier. Wenn über die bestehende Leistung hinaus zusätzliche Kapazitäten erforderlich würden, seien zunächst fossile Reservekraftwerke in Betrieb zu nehmen. Sollten diese nicht ausreichend vorhanden sein, müsste die Reservefunktion von voraussichtlich einem der 7 nun abgeschalteten AKW übernommen werden. Diese Möglichkeit sei aber nur für die nächsten beiden Winterhalbjahre bis zum Frühjahr 2013 vorgesehen, heißt es weiter.
Mit der Einigung sieht sich die Koalition aus Union und FDP auf dem Weg zur Energiewende. „Diese energiepolitischen Weichenstellungen setzen Rahmenbedingungen für eine Neuausrichtung unserer Energieversorgung.“ Der Grünen-Politiker Fell sieht die Regierung hingegen eher auf einem Holzweg mit ihrem Koalitionsbeschluss. „Schwarz-Gelb hält an den alten Zielen fest, verschlechtert aber die Rahmenbedingungen für die meisten erneuerbaren Energien - bis hin zu einem drohenden Deckel. Ein Deckel würde den Ausbau der Erneuerbaren Energien begrenzen. Danach gäbe es keinen Ausbau mehr. Die Botschaft der Bundesregierung ist klar: Der Ausbau der erneuerbaren Energien darf keinen Pfennig mehr kosten“, so Fells Einschätzung. (Sandra Enkhardt)