Viele dürften das Versehen gar nicht bemerkt haben. Oben auf dem Eckpunktepapier des Bundesumweltministers ist als Datum der 28. Januar 2012 angegeben. Der Rest des Plans, den Peter Altmaier letzen Montag, am 28. Januar 2013 mit dem Titel „Vorschlag zur Einführung einer Strompreis-Sicherung im EEG“ vorstellte, ist ähnlich schludrig zusammengeschustert und außerdem unlogisch. Logisch ist daran allenfalls, dass Altmaier mit dem Strompreis Wahlkampf machen möchte, denn seine Änderungen will er noch vor August durchdrücken.
Der CDU-Bundesumweltminister will die EEG-Umlage für 2014 einfrieren, 2015 soll sie maximal um 2,5 Prozent steigen. Die Umlage beträgt zurzeit 5,277 Cent pro Kilowattstunde und muss vor allem von kleinen und mittleren Stromverbrauchern gezahlt werden. Damit werden die Einspeisevergütungen für den Strom aus allen erneuerbaren Quellen bestritten.
Altmaiers Strompreis-Sicherung soll durchbrennen, sobald in der Umlagekasse der Übertragungsnetzbetreiber nicht mehr genug Geld ist (wir haben darüber berichtet). Bei durchgebrannter Sicherung wird der Strom aus neuen EEG-Anlagen einfach für eine gewisse Zeit nicht vergütet. Die Zahlungen beginnen erst, wenn sich wieder genug Geld auf dem Umlagekonto angesammelt hat. Wenn also zum Beispiel Wind-Offshore-Anlagen ausgebaut werden, was in einem gewissen Maß richtig ist, könnte die Kasse rasch leer sein, und dann würden auch Betreiber neuer Solaranlagen einige Zeit kein Geld mehr bekommen.
Damit die Sicherung nicht so schnell rausfliegt, schlägt Altmaier vor, die stromintensiven Betriebe künftig etwas weniger zu entlasten, eine „Mindestumlage“ auch auf selbst verbrauchten Strom zu erheben und von Betreibern von Bestandsanlagen einen „Energie-Soli“ zu kassieren. Neu ist an seinen Vorschlägen vor allem, dass sie alle Erneuerbaren einschließlich Wind-Offshore-Anlagen trifft. Neu ist auch, dass die vorrangige Maßnahme keine Vergütungskürzung ist, sondern hinten herum die Bedingungen verschlechtert werden.
Wahltaktisches Manöver
Auf der einen Seite ist sein Vorgehen geschickt. Je näher der Wahltermin kommt, desto näher rückt auch die Verkündung der EEG-Umlage für das nächste Jahr. Es kann gut sein, dass sie wieder steigen wird und die Strompreis- Diskussion neu beginnt. Zwar steigt die Umlage nicht durch den Photovoltaikzubau (pro Gigawatt installierter Leistung sind es im Prinzip nur noch rund 0,015 Cent pro Kilowattstunde höhere Umlagekosten), und er wird seinen Vorschlag vermutlich nicht durchsetzen können. Das scheint egal zu sein. Er kann behaupten, er habe etwas gegen die Strompreis-Steigerung machen wollen. Der FDP hat er so elegant eines ihrer Lieblingsthemen genommen.
Doch der Kollateralschaden, den er dafür akzeptiert oder vielleicht sogar will, ist groß. So kritisieren der Grünen-Politiker Hans-Josef Fell und der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) zu Recht die verheerende Signalwirkung auf Investoren, wenn Einspeisevergütungen für Neuanlagen ausgesetzt und Bestandsanlagen-Betreiber gezwungen würden nachzuzahlen. Dem Minister schwebt bei Bestandsanlagen „eine geringe und vertretbare Vergütungskürzung“ vor, mit der er bis zu 300 Millionen Euro einnehmen will. „Damit würde all denen, die in den klimafreundlichen Umbau unserer Energieversorgung investieren, jegliche Planungssicherheit genommen“, sagt BEE-Präsident Dietmar Schütz.
Altmaier versprüht mit seiner „Sicherung“, die gleichzeitig den Vertrauensschutz in Frage stellt, weiter das Gift, das die Solarwirtschaft schon jetzt lähmt: Unsicherheit. Es ist zwar noch unklar, ob seine Vorschläge so in Recht gefasst werden können, dass sie auch vor dem Verfassungsgericht bestand hätten. Das werde jetzt allerorts evaluiert. „Wenn man aber zu dem Schluss kommt, dass das eine Möglichkeit ist, ist dem bisherigeren Geschäftsmodell für Solaranlagen der Boden entzogen“, sagt der leitende Mitarbeiter einer Kreditabteilung auf Anfrage. Sprich: die Kredite werden zaghafter vergeben, vielleicht auch gar nicht mehr, und die Eigenkapitalquoten steigen. Banker machen die Kreditbedingungen entsprechend der als sicher eingeschätzten Einnahmen. "Ob durch die vorgeschlagene Beteiligung der Betreiber an dieser Strompreis-Sicherung die Förderung nach dem EEG am Ende genauso unzuverlässig ist, wie Steuervergünstigungen“, erklärt Margarete von Oppen, Spezialistin für das Recht im Zusammenhang mit Erneuerbaren,“wird nur eine Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zu Tage fördern". Eine Frage ist jedoch, ob man für neue Anlagen überhaupt noch Vertrauensschutz einfordern kann, da jeder mitbekommen hat, dass an leitender Stelle die Sicherheit der Vergütungszahlung infrage gestellt wurde. Mit den Vorschlägen, kommentiert auch Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD), „nimmt der Bundesumweltminister den Zusammenbruch des gesamten Markts für erneuerbare Energien in Kauf“.
Wie konzeptionslos das Papier ist, zeigt ein Blick auf die Ursachen möglicher Strompreissteigerungen. Auf Seite drei seines Papiers heißt es zum einen: „Durch die sinkenden Börsenstrompreise könnte die EEG-Umlage selbst dann kräftig steigen, wenn der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien vollständig zum Stillstand käme.“ Zum anderen: „Auf Einspeisevergütungen für Neuanlagen entfallen (...) weniger als zehn Prozent der Umlage.“ Das eigentliche Problem hinter der jetzt noch steigenden Umlage ist die Methode, nach der sie berechnet wird. Die Umlage ergibt sich aus der Differenz der Einspeisevergütung und dem Börsenstrompreis. Je mehr Strom aus Erneuerbaren eingespeist wird, umso mehr sinken die Börsenstrompreise und die Umlage steigt durch die Differenzbildung. Altmaier löst also nicht das Problem der ungerechten Umlageberechnung, sondern doktert an den Symptomen herum.
Eigenverbrauch im Visier
Auch beim Eigenverbrauch zeigt sich, dass das Ziel fehlt. Der Umweltminister will dort den Hebel ansetzen, um eine „weitere Entsolidarisierung bestimmter Stromverbraucher“ zu verhindern. Hintergrund ist, dass gerade viele Solarfirmen darauf setzen, dass Betreiber den Solarstrom selber verbrauchen, damit Stromkosten sparen und dadurch ihre Anlagen finanzieren. Je größer der Eigenverbrauchsanteil ist, umso weniger beteiligen sich die entsprechenden Stromverbraucher an der Finanzierung der EEG-Umlage, was sich jetzt teilweise ändern soll. Das ist durchaus ein kritischer Punkt, der im übrigen auch die Industrien betrifft, die mit fossilen Energieträgern ihren eigenen Strom erzeugen und bisher keine Umlage zahlen. Doch Altmaiers Reaktion ist ein Schnellschuß, mit dem sich die Regierung gegen ihre eigene Politik richtet. Sie drängt die Verbraucher seit Jahren zu höherem Eigenverbrauch, erst mit einem Bonus, dann damit, dass nicht mehr 100 Prozent des erzeugten Solarstroms vergütet und Erzeugungsspitzen gekappt werden sollen, was das Netz entlastet. Die Solarbranche hat reagiert und Technologien, Speichersysteme und Geschäftsmodelle dafür entwickelt. Kaum fangen die Produkte an zu laufen, wirft Altmaier Knüppel zwischen die Beine.
Von Seiten der Erbeuerbaren-Branche und der Opposition ist es sicherlich begrüßenswert, dass Altmaier die viel kritisierten Ausnahmeregelungen für energieintensive Unternehmen reduzieren und begrenzen will. Bisher zahlen diese eine stark reduzierte Umlage von nur 0,035 Cent pro Kilowattstunde. Ein Wert, der seit Einführung des EEG im Jahr 2000 nie gestiegen ist, obwohl die Börsenstrompreise dank der Erneuerbaren stark gesunken sind und diese Betriebe davon stark profitiert haben. Außerdem schlägt der Umweltminister vor, die begünstigte Gesamtstrommenge zu deckeln.
Doch dass in den Vorschlägen des Umweltministers für jede Interessensgruppe etwas dabei ist, was sie begrüßen kann, ändert nichts an der Konzeptionslosigkeit. Auch wenn ein Altmaier seine Politik nicht nach Jubelrufen von einer Seite ausrichten darf. Der Umkehrschluss ist ebenfalls falsch, er tut allen etwas weh und deswegen mache er es richtig.
Die Bewertung von Altmaiers Vorschlägen durch Umweltverbände ist dementsprechend auch mehr als negativ. „Er darf die Strompreisdebatte nicht missbrauchen, um das Ausbautempo der erneuerbaren Energien zu bremsen“, sagt der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Aus seiner Sicht versucht Altmaier, das EEG auszuhöhlen. „Die Vorschläge gehen an den energiepolitischen Notwendigkeiten vorbei und stehen im Widerspruch zu Altmaiers Beteuerungen, die Energiewende zu einem Erfolgsprojekt machen zu wollen“, ergänzt BEE-Präsident Dietmar Schütz.
Strompreisdebatte kratzt nur an der Oberfläche
Man kann es nicht oft genug schreiben: Die Strompreisdebatte kratzt sowieso nur an der Oberfläche. Der Strompreis ist vom Jahr 2000 bis heute nach einer Analyse des Fraunhofer-ISE um 13 Cent pro Kilowattstunde gestiegen. Die EEG-Umlage macht also nicht einmal die Hälfte aus. Von den 5,277 Cent Umlage sind außerdem nur gut 2 Cent die reinen Förderkosten für die Erneuerbaren. 1,22 Cent kosten die Privilegien für die stromintensiven Industrien. 0,67 Cent müssen dieses Jahr bezahlt werden, weil letztes Jahr zu wenig umgelegt wurde. Ohne diese Steigerung, ohne die Steigerung bei den Industrieprivilegien, ohne die Steigerung für die sogenannte Liquiditätsreserve wäre die Umlage 2013 kaum höher als 2012. Außerdem macht der Strom nur einen kleineren Teil der Energiekosten eines Haushalts aus. Die Preissteigerungen für Heizöl, Gas und Benzin haben in den letzten Jahren viel stärker zugeschlagen.
Da bleibt die Frage, wo Altmaier hinwill. Er hat in der Vergangenheit sein politisches Schicksal mit dem Gelingen der Energiewende verknüpft. Doch wie will er die Energiewende schaffen, wenn er den Ausbau der Erneuerbaren nicht lenkt, sondern bremst? Und in dem er die Industrie, die diese Energiewende umsetzen muss, mit solche Vorschlägen dermaßen schwächt? Er verkündete erst kürzlich auf dem Neujahrsempfang des BEE, dass beim Netzausbau die Bürger beteiligt werden, anders als es beim Ausbau der Photovoltaik der Fall gewesen sei. Altmaier übersieht dabei, dass gerade der Ausbau der Photovoltaik von Bürgern, und nicht von großen Konzernen bezahlt wurde. Mit seinem jetzigen Vorstoß macht er die Investitionen so unsicher, dass Banken sich schwerer tun, sie zu finanzieren, und sie wirklich nur noch von Konzernen mit einem ausreichenden Risikopuffer und einer für die Bank ausreichenden Bonität gestemmt werden können. Seine Handlungen erschweren gerade die Energie in Bürgerhand.
Dabei bestehen berechtigte Zweifel, dass Unternehmen die für die Energiewende nötigen Investitionen überhaupt stemmen können. Fossile Kraftwerke haben vergleichsweise geringe Investitionskosten und hohe laufende Kosten für Brennstoffe. Solar- und Windkraftanlagen haben hohe Investitionskosten und fast keine laufenden Kosten, was zu einem deutlich höheren Kapitalbedarf führt. „Wenn wir 200 Gigawatt mit Investitionskosten von 1000 Euro pro Kilowatt rechnen, dann wären das etwa 200 Milliarden Euro“, sagte Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik in Berlin im September (siehe photovoltaik 09/2012). „Die großen Energieversorger sind gar nicht willens und vermutlich auch gar nicht in der Lage, diese Investitionen in vergleichsweise kurzer Zeit zu tätigen, der Einfamilienhausbesitzer schon.“
Chancenloser Vorschlag
Noch ist unklar, wie Altmaier seinen Vorschlag in Gesetzesform gießen und einen Entwurf in den parlamentarischen Prozess einbringen wird. Formell könnte es sein, dass der Bundesrat nicht zustimmungspflichtig ist. Er kann jedoch in jedem Fall den Vermittlungsausschuss anrufen und das Projekt relativ problemlos bis über die Bundestagswahl verschieben. Seit der Niederlage in Niedersachsen im Januar verfügt die schwarz-gelbe Regierung über keine Mehrheit mehr in der Länderkammer, was die Opposition vermutlich ausnutzen wird. „Ich gehe davon aus, dass diese Vorschläge in Deutschland nicht mehrheitsfähig sind“, sagt SPD-Politiker Machnig. Ob das auch für die Bundestagswahl gilt, wird davon abhängen, welchen Stellenwert die Energiewende beim Wähler hat. Es ist gut möglich, dass Altmaier mit seinen Vorschlägen nicht nur der FDP das Wasser abgräbt, sondern auch sich selber unglaubwürdig macht. Denen, die für erneuerbare Energien und die Energiewende eintritt, hat er jedenfalls einige gute Gründe gegeben, für einen rot-grünen Wahlsieg zu kämpfen. Denn in der nächsten Legislaturperiode wird es um das EEG als Ganzes gehen und die Gestaltung der Energiewende gehen. Dafür lassen die Vorschläge des Ministers nichts Gutes erwarten. (Sandra Enkhardt, Michael Fuhs)
(Langversion eines Beitrags aus der Februarausgabe der photovoltaik. Das Heft (02/2013 erscheint am 7. Februar.)