Während des Antrittsbesuchs des neuen chinesischen Premierministers Li Keqiang spricht sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) klar gegen die Einführung von Schutzzöllen auf chinesische Solarmodule aus. Deutschland wolle „nicht in eine Art Auseinandersetzung verfallen, die zum Schluss nur in gegenseitigen Zollerhebungen endet, davon halten wir nichts“, erklärt Merkel bei der abschließenden Pressekonferenz in Berlin. Sie setzt statt dessen auf eine Verhandlungslösung. Zuvor hatte der chinesische Premier den Ton im Handelsstreit nochmals verschärft, nachdem schon in der vergangenen Woche das Handelsministerium in Peking offen mit Vergeltungsmaßnahmen gedroht hatte. Vor der Presse gab sich Li allerdings diplomatisch. „Wir lehnen Zölle auf Solarmodule entschieden ab“, betont er. „Das wird nicht nur Arbeitsplätze nicht nur in China, sondern auch in Europa gefährden.“
Streit hat höchste Priorität
Der Streit hat für Deutschland und China höchste Priorität. Denn das Reich der Mitte ist inzwischen einer der größten Handelspartner Deutschlands. Da kommen Streitigkeiten sehr ungelegen. Und die Vergeltung ist schon auf dem Weg. Denn das chinesische Handelsministerium prüft derzeit, ob die Polysiliziumproduktion in Europa staatlich unterstützt wird und ob es sich um im internationalen Handelsrecht verbotene Subventionen handelt. Unternehmen wie Wacker hat Peking schon fest im Visier. Auf der anderen Seite geht es für die chinesischen Solarunternehmen um einen Absatzmarkt, der 2011 immerhin 21 Milliarden Euro wert war. Auch wenn der Absatz in Europa sinken wird, wie es verschiedene Analysten voraussagen, bleibt der Markt für die chinesischen Hersteller trotzdem noch interessant.
Zölle in Europa umstritten
Neben den chinesischen Unternehmen sind auch in der europäischen Branche die Zölle höchst umstritten. So hatte die Allianz für Bezahlbare Solarenergie (AFASE) schon im Vorfeld des Besuches aus China Merkel aufgefordert, gegen Zölle auf Solarprodukte zu stimmen. Denn Europa würde den Schutz seiner Modulhersteller mit dem Verlust vieler Arbeitsplätze bei Unternehmen in den anderen Gliedern der Wertschöpfungskette bezahlen. Deshalb sollte die EU ihre Priorität auf die Sicherung dieser Arbeitsplätze und die Wahrung der Interessen der Zulieferer, Installateure und Hersteller der anderen Komponenten von Photovoltaikanlagen legen. Immerhin haben die Zollgegner in den vergangenen Monaten enormen Zulauf. Die Zahl der Unterstützer der AFASE stieg seit Anfang dieses Jahres von 175 auf fast 600 Unternehmen. Auch Justus Haucap, Wirtschaftswissenschaftler und Mitglied der Monopolkommission, bezweifelt, dass Strafzölle den europäischen Hersteller helfen. „Mit solchen Maßnahmen wird das Problem nicht gelöst, sondern eher verstärkt“, erklärt er gegenüber der Frankfurter Rundschau. „Auch Mindestpreise oder Importquoten bringen nichts. Die Probleme der deutschen Solarindustrie sind hausgemacht. Die Unternehmen haben viel zu wenig in Forschung und Entwicklung investiert. Deshalb sind sie von chinesischen und anderen asiatischen Konkurrenten technologisch überholt worden“, kritisiert der Ökonomieprofessor. Schon allein deshalb seien Strafzölle ein falsches Signal. „Wenn ein nicht-wettbewerbsfähiges Unternehmen weiß, dass die Regierung es im Zweifelsfall vor der Konkurrenz schützt, dann legen die Manager die Hände in den Schoß, da sie nichts zu befürchten haben“, sagt Haucap.
Nicht von China erpressen lassen
Im Gegensatz dazu fordern die Zollbefürworter von EU Pro Sun die Bundesregierung auf, sich für die Einführung von Strafzöllen stark zu machen und sich nicht von China erpressen zu lassen. „Aktuell gibt es 48 geltende Antidumping- und Antisubventionszölle in Europa gegen chinesische Produkte“, erklärt Milan Nitzschke, Präsident von EU Pro Sun und Konzernsprecher von Solarworld. „Zoll Nummer 49 kann wohl kaum alleine die Ursache für einen Handelskrieg sein.“ Dabei fährt EU Pro Sun nicht nur den Konfrontationskurs. „Wir unterstützen die Forderung nach konstruktiven Gesprächen und nach Verhandlungen. Allerdings sieht das europäische Recht vor, dass diese erst nach Einführung vorläufiger Antidumpingzölle begonnen werden können“, so Nitzschke. Er glaub indes nicht daran, dass China bereit und in der Lage ist, sich im Handelsstreit zu bewegen. Denn „selbst nachdem die Kanzlerin im letzten Jahr persönlich im Sinne Chinas in Brüssel interveniert hat, kam danach kein Lösungsvorschlag aus Peking. China arbeitet nach einem Fünf-Jahres-Plan und der sieht vor, die eigene Solarindustrie weiter mit Milliardenbeträgen zu finanzieren, bis sie letztlich alle Wettbewerber in Europa, aber auch Indien, Südkorea, Malaysia, Japan und überall auf der Welt aus dem Markt gedrängt hat“, schimpft der Präsident von EU Pro Sun. „Ohne eine entschiedene Haltung Deutschlands und Europas gegen illegale Handelspraktiken liefert man die Industrie den Auswüchsen der chinesischen Planwirtschaft aus“, befürchtet Nitzschke. (Sven Ullrich)