Die Einstufung von Stromleitungsanlagen als Kundenanlage im Sinne von Paragraf 3 Nr. 24a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) ist maßgebend dafür, ob für Photovoltaikanlagen und Blockheizkraftwerke netzentgeltrechtliche Entlastungen gewährt und Fördermittel nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) sowie dem Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (KWKG) in Anspruch genommen werden können. „Deshalb ist der Kundenanlagenstatus häufig der entscheidende Faktor für die Wirtschaftlichkeit und damit letztlich für die Realisierung klimaschützender Energieversorgungskonzepte“, erläutert Rechtsanwalt Joachim Held von Roedl & Partner in Nürnberg. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es ist unter dem Aktenzeichen VI-3 Kart 729/19 beim OLG Düsseldorf einsehbar.
Mehr Wettbewerb im Strommarkt
Die im Rahmen dieser Versorgungskonzepte angebotene Strombelieferung von Letztverbrauchern (Mieterstrom) stellt für Stadtwerke und Energieversorger eine Alternative zum klassischen Commodity-Geschäft dar. Als neues Geschäftsmodell belebt es den Wettbewerb im Strommarkt.
Konkret ging es um ein Wohnquartier, in dem zwei BHKW (je 50 Kilowatt elektrische Leistung) Strom und Heizwärme liefern. Zudem war eine größere Photovoltaikanlage (250 Kilowatt) geplant.
200 Wohneinheiten als Kundenareal
Der Netzbetreiber Netze BW lehnte den Status als Kundenanlage, die Bundesnetzagentur fasste einen entsprechenden Beschluss. „Dagegen sind wir vor Gericht gezogen“, erläutert Rechtsanwalt Held. „Netze BW hatte die notwendige Erschließungsstraße als Argument benutzt, um den Status als Kundenanlage zu verwehren. Eine weitere Frage war, wie groß eine Anlage sein kann, um noch als Kundenanlage zu gelten.“
Im konkreten Fall wurde ein Gesamtbedarf von 450.000 Kilowattstunden pro Jahr angenommen. Das Areal verfügt über 200 Wohneinheiten. Rund 250.000 Kilowattstunden sollten durch die BHKW und die Photovoltaik gedeckt werden, Überschüsse gehen ins Netz.
Rahmen des BGH ausgeschöpft
Zudem ist der Einkauf von Strom über das Netz geplant, rund 200.000 Kilowattstunden pro Jahr. „Mit über 200 Letztverbrauchern in einem kleinen Wohnquartier hat das Oberlandesgericht die quantitativen Vorgaben der neuen BGH-Formel voll ausgeschöpft“, kommentiert Energierechtsexperte Joachim Held. „Damit wurde eine wirtschaftliche Grundlage für zahlreiche innovative Projekte der Wärmewende geschaffen. Weiterhin hat das OLG die Refinanzierung durch verbrauchsunabhängige Entgelte anerkannt. Damit ermöglicht das Urteil Betreiber- und Bürgerbeteiligungsmodelle für Arealversorgungsanlagen.“
Das Verfahren zur zentralen Rechtsfrage der wettbewerblichen Unbedeutendheit von Kundenanlagenarealen ordnet sich größenmäßig etwa in der Mitte zwischen den vom BGH erst vor kurzem als Kundenanlage anerkannten 20 Wohneinheiten und den als Kundenanlage zurückgewiesenen 550 Wohneinheiten ein.
Musterverträge erhältlich
Mit dem Beschluss ist daher eine weitere Klärung des Begriffs der Kundenanlage, insbesondere im Hinblick auf zulässige Größenverhältnisse zukünftiger Mieterstromprojekte, verbunden. Rödl & Partner stellt hierzu Musterverträge zu Betreibergesellschaften, Kundenanlagenanschluss- und Mieterstromverträgen zur Verfügung und berät zur Wirtschaftlichkeit und Preiskalkulation dezentraler Strom- und Wärmeversorgungskonzepte.
Die Praxis zeigt, dass in Wohnhochhäusern des sozialen Wohnungsbaus und anderer Immobilienobjekte schon heute vielfach Kundenanlagen mit wesentlich mehr Wohneinheiten anzutreffen sind. Deshalb ist die Entscheidung auch von weitgehender wirtschaftlicher Bedeutung für den Bestand.
Aber: Zu große Bestands-Kundenanlagen müssen jetzt mit hohen Nachforderungen von Netzentgelten und Rückzahlung von KWKG- und EEG-Förderung rechnen, soweit das Versorgungskonzept nicht an die neue Rechtslage angepasst wird. (HS)
Lesen Sie auch:
Die Meldung von Roedl & Partner im Original