Beim kompletten Umstieg der Energieversorgung auf den Kanarischen Inseln würde die Photovoltaik die Hauptenergiequelle werden. Dass dieser Umbau der Versorgung auf den Atlantikinseln nicht nur ökologisch sinnvoll, sonder auch ökonomisch ein riesiger Gewinn ist, zeigt eine Studie des DLR.
Die Kanarischen Inseln können bis zum Jahr 2050 ihren gesamten Strombedarf aus erneuerbaren Energiequellen decken. Damit könnten sie langfristig eine emissionsfreie sowie ökonomisch sinnvolle Energieversorgung aufbauen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Auftrag von Greenpeace erstellt hat.
Zwei Szenarien miteinander verglichen
Um die Prognosen für die Energiewende auf der spanischen Inselgruppe zu errechnen, haben die Forscher des DLR-Zentrums für Technische Thermodynamik mit Sitz in Stuttgart zwei unterschiedliche Entwicklungsszenarien für die Energieerzeugung aufgestellt. Das erste Szenario – die Forscher nennen es Energy (R)evolution – beschreibt, wie durch Effizienzmaßnahmen und durch den vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energie bis ins Jahr 2050 die weitgehend emissionsfreie Energieversorgung erreicht werden kann. Das zweite Szenario dient als Referenzszenario und beschreibt den Stopp der Energiewende auf den kanarischen Inseln. In diesem Szenario bleibt das bisherige Energiesystem einfach bestehen. Konkret bedeutet das, dass die kanarischen Inseln auch weiterhin nahezu den gesamten Energiebedarf mit Erdöl abdecken, wie das bisher der Fall ist.
Investitionen amortisieren sich schnell
Der Umstieg auf erneuerbare Energien auf der Inselgruppe im Mittelmeer ist aber denkbar einfach, weil die Voraussetzungen sehr günstig sind. Die Nutzung von Ressourcen wie Sonnen-, Wind- und Meeresenergie ist problemlos möglich. „Das Energy (R)evolution Szenario zeigt auf, wie die Abhängigkeit vom Erdöl beendet werden kann und so die Emissionen und Kosten für den Kauf fossiler Rohstoffe auf null gesenkt werden können – ohne dabei für den Übergang auf Erdgas zugreifen zu müssen“, beschreiben die Forscher aus Stuttgart den Ansatz. Sie rechnen dafür mit Investitionskosten von insgesamt 20 Milliarden Euro bis zum Jahr 2050. Diesen Investitionen stehen aber Einsparungen beim Verbrauch fossiler Brennstoffe in Höhe von 42 Milliarden Euro. „Alle Kosten, die für den Kauf von Erdöl eingespart werden können, würden unseren Berechnungen nach sämtliche Investitionen abdecken und zusätzlich beispielsweise den Bau weiterer unterstützender Infrastruktur wie Energiespeicher und Stromnetze ermöglichen“, rechnet Sonja Simon, Forscherin am DLR-Zentrum für technische Thermodynaik, zusammen. Sie hat das regionale Energieszenario beim DLR federführend betreut.
Stromkosten werden nach Umstieg drastisch sinken
Doch damit ist der ökonomische Gewinn beim Komplettumstieg auf erneuerbare Energien noch längst nicht zu Ende. Die DLR-Forscher haben ausgerechnet, dass der Gestehungspreis für die Ökoenergie bei 17 bis 20 Cent pro Kilowattstunde liegt. In diesen Preis sind schon die Kosten für die zusätzlichen Speicher und den Netzausbau bereits eingerechnet. Im Gegensatz dazu steigt der Preis für die Kilowattstunde Energie, wenn sie mit Erdöl erzeugt wird, bis 20150 auf 23 Cent.
Die Grundversorgung würde bei der Komplettversorgung mit erneuerbaren Energien die Sonne und der Wind übernehmen. Photovoltaik-, Windkraft- und solarthermische Anlagen werden immerhin 80 Prozent der gesamten Energie liefern, die 2050 verbraucht wird. Zusätzliche Kapazitäten werden Erdwärme-, Biomasse- und Meeresenergieanlagen liefern. Dazu müssten schrittweise Anlagen mit einer Gesamtleistung von zwölf Gigawatt installiert werden. „Wichtig ist uns ein ausgewogener Mix, um nicht zu einseitig und von einer Technologie abhängig zu werden“, erklärt Sonja Simon. „Wir wollen jede Technologie ihren Vorteilen entsprechend nutzen, Redundanzen schaffen und so auch gewisse Unwägbarkeiten bei der weiteren technologischen Entwicklung ausgleichen können.“
Mehr Netzausbau verhindert teure Offshore-Windkraft
In welchem Verhältnis zueinander die Technologien installiert werden müssten, hängt von der Ausgestaltung des Gesamtsystems ab. Bleibt das Stromnetz und die Verbraucherstruktur wie bisher bestehen, müsste die Photovoltaik zusammen mit der Windkraft in etwa im gleichen Leistungsverhältnis installiert werden. Dazu müssten aber noch schwimmende Offshor-Windpark auf hoher See einen nicht unerheblichen Beitrag leisten.
Sollten die Möglichkeiten der Verbrauchssteuerung vollständig gehoben werden, würde der Photovoltaik eine geringere Rolle zukommen. Dann müsste die Windkraft an Land die Hauptlast abdecken. Dazu kämen noch teure Offshore-Windparks sowohl in Küstennähe als auch auf hoher See. Wenn das Netz auf der gesamten Inselgruppe ausgebaut würde, könnte man vor allem auf Sonnenenergie setzen. Dabei würden Photovoltaikanlagen zusammen mit den Windkraftanlagen an Land etwa zwei Drittel der gesamten Last von fast 17 Terawattstunden abdecken. Weitere 4,5 Terawattstunden würden konzentrierende solarthermische Kraftwerke liefern. Damit wäre auch die Versorgung in Windstillen Nächten abgedeckt. Den Rest könnten die anderen Technologien abdecken.
Der Netzausbau ist zwar teuer, rechnet sich aber, da in diesem Unterszenario auf den extrem kostenintensiven Ausbau von Offshore-Windkraftanlagen weitgehend verzichtet werden könnte. In allen drei Unterszenarien wird aber die Photovoltaik die größte Rolle bei der Stromerzeugung spielen und gemeinsam mit der Windkraft bis zum Jahr 2020 den Hauptbeitrag leisten. Zusätzlich zum weiteren Ausbau von Photovoltaik und Windkraft werden danach auch Solar- und Geothermie zum Einsatz kommen, vor allem um Grundlasten zuverlässig zu decken.
Große Chancen für Elektromobilität
Grundlage des Umstiegs auf erneuerbare Energien sind aber umfangreiche Effizienzmaßnahmen. Durch diese könnte der Energieverbrauch auf den Inseln um 37 Prozent sinken. Dabei müssen die Bewohner der Inseln weder an Komfort einbüßen, noch würde sich etwas an der Versorgungssicherheit ändern. Gleichzeitig werde der Anteil elektrischer Energie am Gesamtbedarf steigen, haben die Forscher aus Stuttgart ausgerechnet. Ein Grund dafür ist die Elektrifizierung des Verkehrs durch die rasche Einführung von Elektrofahrzeugen, wie sie die Studie vorsieht. „Der Transportsektor der Kanarischen Inseln ist stark geprägt durch den Individualverkehr“, beschreiben die Forscher den Alltag auf den kanarischen Inseln. „Gleichzeitig sind die Bedingungen für Elektromobilität vorteilhaft: Denn geografisch bedingt werden nur kurze Wegstrecken zurückgelegt“, betonen sie die Vorteile des problemlosen Umstiegs auf Elektrofahrzeuge. (Sven Ullrich)