Die Energiewende im Keim ersticken
Historische Episode ist auch die Braunkohle in der Lausitz, so viel steht fest. Zu Pfingsten haben Tausende Ökoaktivisten den umstrittenen Tagebau in Welzow besetzt, die Bagger blieben still. Wutschäumend tönte Woidke aus Potsdam, sinngemäß: „Erst wenn aus den unzuverlässigen erneuerbaren Energien zuverlässige Energien werden, kann man aus der Braunkohle aussteigen.“ Bis dahin sollen die Bagger weiter das Land fressen, soll die Lausitz weiter am Tropf der staatlich subventionierten Rückbaugesellschaft hängen, soll die Energiewende im Keim ersticken.
Ein Mann ohne Schatten
Manfred Stolpe war blass, Matthias Platzeck war noch farbloser, und Dietmar Woidke wirft nicht einmal einen Schatten. So durchsichtig ist seine Politik, die den Kohlewahn der DDR bis zum Sankt Nimmerleinstag fortschreiben will. Sein Argument: Noch immer hängen rund 1.000 Arbeitsplätze in der Lausitz am „schwarzen Gold“, wie die Braunkohle in der DDR gern genannt wurde.
Dafür riskiert er sogar tausende Jobs in der Hotelbranche, weil die Säure aus den Gruben den benachbarten Spreewald zerstört. Und bedenkenlos hat sein Amtsvorgänger Matthias Platzeck vor vier Jahren rund 3.000 hochqualifizierte Arbeitsplätze in den Solarfabriken von Frankfurt/Oder und Fürstenwalde/Spree geopfert, als der Bund die Einspeisevergütung schlachtete, ohne Widerspruch aus den Ländern.
Mehr als Mauern waren nicht drin
Seit einem Vierteljahrhundert ist die DDR ist Geschichte, und mit ihr eine Wirtschaftsweise, in der die Bürokratie regierte. In der die Arbeiterklasse ganz nach Plan ihre historische Mission erfüllte: mit immer größeren Gruben, Dreckschleudern, verstrahlten und vertrockneten Wüsten. Die Stalinisten konnten nichts anderes als große Kraftwerke mit großen Schloten, als große Kundgebungen und große Worte.
Im Grunde genommen waren sie im Zeitalter von Kaiser Wilhelm steckengeblieben, im Zeitalter von Kohle, Stahl und Krieg. Echte Kreativität war ihnen fremd, erst recht in ökonomischen Belangen. Mehr als Mauern – um Berlin und in den Köpfen der Funktionäre – waren nicht drin.
Tod durch Mangel an Fantasie
Die DDR ist am Mangel gestorben, am Mangel an politischer und ökonomischer Fantasie. Und genau darin wurde sie von den Sozis in Potsdam beerbt. Bei ihnen hat sich dieser Mangel erhalten, träumen Leute wie Dietmar Woidke weiter von der Kohle. So blieb vom „schwarzen Gold“ nur der Dreck unter den Nägeln sozialdemokratischer Funktionäre. Woidke hält an der Kohle fest, obwohl er weiß, dass sie keine Zukunft hat – weder historisch, noch politisch, erst recht nicht ökonomisch. Erst vor wenigen Tagen hat der schwedische Eigentümer sein Gruben und Kraftwerke in der Lausitz verramscht, an windige Investoren aus Tschechien.
Die Schnauze voll vom Dreck
Was tut Herr Woidke? Er wettert gegen die jungen Leute, die eine andere Lausitz wollen. Die die Schnauze voll haben vom Dreck, den ihre Eltern und Großeltern hinterließen. Die von intakten ländlichen Strukturen, von alten Dörfern und Seen mehr erhoffen als von den Baggern, die das stille Land verwüsten.
Ministerpräsident Woidke lässt auch die Menschen im Stich, die derzeit noch von der Kohle leben, und doch dringend ein Konzept für den Wandel brauchen. Denn der Wandel ist im Gange, das hat der Untergang der DDR gelehrt. Er lässt sich nicht aufhalten – nicht von der Planwirtschaft und nicht von Funktionären, die Schnee von gestern träumen.
Wie wäre es mit 800 Megawatt Solarleistung?
Am Ende wird es darauf hinaus laufen, die stillgelegten Tagebaue für riesige Solargeneratoren zu nutzen. Unser Vorschlag: Das Kohlekraftwerk „Schwarze Pumpe“ verfügt über ausreichend Anschlussleistung in der Hochspannung, um – sagen wir – 800 Megawatt Solarleistung ans Netz zu bringen, kombiniert mit Großspeichern (um die 500 Megawattstunden dürften genügen) und Windtürmen für den Winterstrom. In der Lausitz ist es nicht nur sonnig, es ist zudem eine flache, zugige Ecke. Kein Hügel stört zwischen Prenzlauer Berg und Oder.
Den Wandel verstehen
Die Frage ist, welche politische Kraft solche Konzepte anzustoßen und umzusetzen vermag. Die Sozis unter Herrn Woidke? Schwamm drüber, siehe oben. Etwa die AfD? Selten so gelacht. Am ehesten wohl der Brandenburger Tourismusverband, um die Aussichtsplattform am Tagebau Welzow nicht abreißen zu müssen. Damit es sich wirklich lohnt, hinzufahren, in die saubere, stille Lausitz. Sie kehrt zurück, wie vor hundert Jahren, bevor sich der erste Bagger in ihre grüne Haut fraß. Diese Landschaft ist zeitlos und schön. Sie ist keine Episode, sie wird bleiben. Wie die jungen Leute von Welzow, die dort eine Heimat suchen. Sie haben den Wandel verstanden.
Zum Wandel in der Lausitz und zur Energiewende hat der Autor einen packenden Roman geschrieben: „Zen Solar“, soeben erschienen im Cortex Unit Verlag in Berlin. Leseproben und Details finden Sie hier.