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Raus aus der Defensive

Die jüngsten Vorschläge zur „Strompreis-Sicherung“ von Bundesumweltminister Peter Altmaier sorgen mal wieder für Wirbel in der Solarbranche. Wirtschaftsminister Philipp Rösler gehen Altmaiers Vorschläge noch nicht weit genug. Er fordert sogar die Einspeisevergütung komplett abzuschaffen, nur Kleinstanlagen sollen noch gefördert werden. Die aktuellen Vorschläge von Altmaier und Rösler sind Sprengstoff für eine ohnehin schon angeschlagene deutsche Solarindustrie. Investoren, Betreiber und Hersteller von Photovoltaik-Anlagen reagieren mit Verunsicherung und zweifeln am Vertrauensschutz. Doch wie kann die Diskussion über die Energiewende wieder in konstruktivere Bahnen gelenkt werden? Und was kann die Solarbranche dazu beitragen? photovoltaik hat nachgefragt, wie man am besten auf solche Attacken reagieren sollte.

Alexander Kirsch, Vorstandsvorsitzender von Centrosolar, findet es problematisch, dass vom Thema Energiewende in Politik und Medien derzeit nur noch der Aspekt der Kostensteigerung übrig bleibt. „Das halte ich für vollkommen unangemessen.“ Die Kosten, die diskutiert werden, spiegelten außerdem gar nicht die wahren Kosten der Energiewende wieder, sagt Kirsch. Altmaier gestehe in seinen Vorschlägen vom 28. Januar 2013 sogar ein, dass die EEG-Umlage steigt, wenn die Börsenpreise für Strom sinken. „Es kann ja wohl nicht sein, dass man sinkende Börsenstrompreise dazu nutzt, den Ausbau der Erneuerbaren zu stoppen“, sagt Kirsch. „Das ist doch eigentlich ein positiver Effekt.“

Daher sei es wichtig, die öffentliche Diskussion wieder auf die langfristig nachhaltigen Kosten und die wahre Dimension der Energiewende zu fokussieren. Bei der Stromkostendiskussion werde zum Beispiel immer das Verbrennen von endlichen Rohstoffen mit den Investitionen in Erneuerbare gleichgesetzt. Dass Erneuerbare-Energien-Anlagen nach ihrer Amortisation nahezu kostenlos Strom liefern, werde dabei gerne vergessen. „Die Menschen wollen aber nicht auf Kosten ihrer Kinder leben, wenn es auch anders geht", sagt Kirsch. „Es geht darum, für die Zukunft die richtigen Weichen zu stellen.“ Alle Akteure aus dem Bereich der erneuerbaren Energien sollten mit daran arbeiten, dies in den öffentlichen Diskurs einzubringen. „Wenn es der Umweltminister nicht sagt, obwohl es seine vordringlichste Aufgabe wäre, dann müssen wir das eben tun.“

Auch Anja Jasper, Leiterin der Unternehmenskommunikation beim Wechselrichterhersteller SMA, ist dieser Meinung. Die Förderung auf Basis des EEG führe zwar kurzfristig zu höheren Kosten, langfristig sichere dieser Weg aber eine bezahlbare und saubere Energieversorgung. „Die Mehrheit der Deutschen hat das offensichtlich erkannt und sieht die Energiewende als Investition in eine bessere Energieversorgung an“, so Jasper. „Trotz der von Falschaussagen durchsetzten Debatte sind zwei Drittel der Deutschen bereit, dafür auch höhere Anfangskosten zu tragen“, sagt sie und bezieht sich dabei auf eine kürzlich veröffentlichte Umfrage von TNS Emnid im Auftrag der Umweltorganisation Germanwatch. „Diese Akzeptanz in der Bevölkerung ist wichtig und zeigt, dass Aufklärung und eine auf Fakten basierende Kommunikation durchaus wirken, wenn man kontinuierlich daran arbeitet.“

„Man muss ganz einfach die Zahlen sprechen lassen“, sagt Hans Urban, stellvertretender Geschäftsführer beim Hersteller von Montagesystemen Schletter. Dafür wäre es aber erforderlich, alle Zahlen der Energieversorgung aufzugliedern und klarzumachen. Die EEG-Umlage werde immer gerne aufgeschlüsselt. Das hält Urban auch für richtig. „Was aber nie gesagt wird, ist, wie die Kosten der konventionellen Energieversorgung im Einzelnen aussehen.“ Dazu zähle dann auch, was der Steuerzahler dafür zahlt und nicht nur, was der Stromverbraucher über die Umlage aufwenden muss. „Wenn man das aufschlüsseln würde und es auf die Kilowattstunde umlegt, dann würde etwas transparent werden, was man derzeit einfach nicht transparent machen will“, meint Urban.

Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW-Solar), verweist in diesem Zusammenhang auf eine weitere Studie: „Die Prognos AG hat im Auftrag des BSW-Solar unter anderem berechnet, welche Auswirkungen der weitere Ausbau der Photovoltaik auf die Verbraucherstrompreise hat. Ergebnis: Selbst bei einer konstant hohen Photovoltaik-Nachfrage in diesem und den nächsten beiden Jahren auf dem Niveau des Jahres 2012 wäre ein Anstieg der Strompreise um gerade einmal ein Prozent zu rechtfertigen.“ Wer den Anstieg der Stromkosten begrenzen möchte, müsse daher das Paradoxon beseitigen, dass erneuerbare Energien die Preise an der Strombörse drücken, dieser Positiveffekt aber bei der Berechnung der EEG-Umlage negativ zu Buche schlägt.

Wenn es darum geht, die Position der Erneuerbare-Energien-Branche besser in Politik und Medien zu vertreten, hält Milan Nitzschke, Vorstandssprecher von Solarworld, die Arbeit in den Verbänden für „die erste Adresse“. Das könnte bedeuten, dass man gemeinsam gegen weitere Verunsicherungen des Marktes protestiert, zum Beispiel wenn es gegen den Vertrauensschutz geht. „Denn so etwas gefährdet die Energiewende insgesamt.“ Andererseits ginge es aber auch darum, dass die Akteure der Branche selbst konstruktive Vorschläge machen, zum Beispiel für ein sinnvolles Strommarktdesign. Das naheliegendste Mittel dafür ist seiner Meinung nach eine angemessene Berücksichtigung der positiven ökonomischen Effekte der Erneuerbaren bei der Berechnung der EEG-Umlage.

Eigene Vorschläge zu entwickeln und in den öffentlichen Diskurs einzubringen, halten viele Branchenakteure für eine wichtige Aufgabe. So auch der Spezialist für Erneuerbare-Energien-Projekte Juwi. „Wir haben zum Beispiel ein standortoptimiertes Vergütungsmodell für die Windenergie mitentwickelt. Auch für die Solarenergie arbeiten wir gerade an einem entsprechenden Konzept“, sagt Björn Klusmann, Leiter der Abteilung Public Affairs bei Juwi. „Dabei diskutieren wir innerhalb der Branche und in den Verbänden, wie man mit einer Umstellung des Vergütungsmodells, die Energiewende so kosteneffizient wie möglich gestalten kann.“ Wichtig sei es, solche Vorschläge mit einem möglichst breiten Bündnis in Richtung der Politik auf den Weg zu bringen. „Dafür sind die Verbände da“, meint der ehemalige Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE). „Ihre Aufgabe ist es, die Interessen von Firmen, die innerhalb der Branche in Konkurrenz zueinander stehen, auf einen Nenner zu bringen.“

Verbände können aber auch noch auf andere Weise helfen. Körnig vom BSW-Solar erklärt: „Wir werden unseren Mitgliedern auch mit Rat und Tat zur Seite stehen. Die Unterstützung reicht dabei von der Bereitstellung von Argumentationshilfen zum Beispiel für die Ansprache von Wahlkreiskandidaten bis zur Unterstützung bei der Öffentlichkeitsarbeit.“

Um den jüngsten Attacken gegen die Energiewende und die Geschäftsgrundlage vieler Unternehmen effizient zu begegnen, ist aber auch eine Zusammenarbeit der unterschiedlichen Verbände aus dem Bereich der Erneuerbaren gefragt. Lars Waldmann, Projektleiter bei der Agora Energiewende, sieht die größte Kraft für den aktuellen Diskurs beim Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE). „Wenn wir über das EEG sprechen, geht es um alle erneuerbaren Energien. Daher ist es sehr wichtig, dass sich die Solarbranche mit den anderen Bereichen, vor allem mit Wind und Biomasse, zusammensetzt und überlegt, welche Aufgaben die unterschiedlichen Technologien im zukünftigen Energiemix haben.“

Aber auch außerhalb der Verbandsarbeit sieht Waldmann für Unternehmen sinnvolle Möglichkeiten sich zu engagieren. Dazu zähle zum Beispiel engen Kontakt zu Regionalpolitikern zu halten. Außerdem hätten alle Parteien spezielle Energiebeauftragte, die in den entsprechenden Bundestagsausschüssen vertreten seien. Auch diese Politiker rät Waldmann gezielt anzusprechen.

Eine weitere Variante könnte sein, die eigenen Kunden zu mobilisieren. Hans Urban von Schletter erklärt beispielsweise: „Wir haben eine sehr große Kundenklientel, insbesondere unter den Installateuren. Also bei den kleinen Akteuren, wo auch sehr viele Arbeitsplätze betroffen sind.“ Diese könne Schletter leicht „über eine Presseaktion aktivieren“. Dann würden auch die vielen kleineren Unternehmen eine Stimme bekommen und eben „nicht nur die großen, die auch schon zum Teil über die Klinge springen“.

Ob nun im Verband oder als Einzelunternehmen, Ziel sollte es sein „nicht nur interessengeleitete Falschaussagen konsequent als solche zu entlarven und richtigzustellen, sondern vor allem auch die Vorteile der erneuerbaren Energien wie der Photovoltaik immer wieder in den Fokus zu rücken“, meint Anja Jasper von SMA. Zum Beispiel, dass dezentrale Energieversorgungsstrukturen, insbesondere in der Verbindung mit dem Modell des Eigenverbrauchs und dem Einsatz von Batteriespeichern, die Stromnetze entlasten und damit einen entscheidenden Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung der Energiewende leisten.

Neue Wahl, neues Glück

Viele Branchen-Akteure stellen sich derzeit auch die Frage, ob eine andere Regierungskonstellation nach der Bundestagswahl im September das Vertrauen in die Erneuerbaren-Branche wieder festigen könnte. Welche Partei dafür am besten geeignet ist, darüber gibt es verschiedene Meinungen. Alexander Kirsch von Centrosolar sagt zum Beispiel: "In Bezug auf die Energiewende vertreten meines Erachtens tatsächlich die Grünen den nachhaltigsten Ansatz.“ Lars Waldmann sagt dazu: „In jeder Partei gibt es sinnvolle Ideen. Die Aufgabe besteht nun unter anderem darin, diese Ideen zusammenzubringen und zu diskutieren.“

Milan Nitzschke von Solarworld meint, dass es vor allem wichtig sei, dass die Energiepolitik und die Förderung von erneuerbaren Energien zum Wahlkampfthema werden. Im Moment würden nur die vermeintlichen Kosten der Erneuerbaren thematisiert und die Energiewende gerate dabei in Vergessenheit. „Es liegt an uns, dass auch die Vorteile der Erneuerbaren Wahlkampfthema werden.“ Dann könnten die Wähler selbst entscheiden, wem sie es am ehesten zutrauen, die Energiewende tatsächlich umzusetzen. (Mirco Sieg)