M omentan ist das Wort „Energiewende“ in aller Munde. Zwar wird ständig und überall darüber geredet. Aber die praktische Umsetzung ist komplett ins Stocken geraten. „Prozentpunkte“ hier und „Cent“ da – alles und jedes wird stets und ständig bis zum Erbrechen in der Öffentlichkeit diskutiert. Von einem Ziel, auf das man hinarbeitet und auf das all diese Maßnahmen ausgerichtet sind, hört man längst nichts mehr.
Wo liegt das Ziel?
Hat man das möglicherweise aus den Augen verloren? Nach einer Halbierung des Ausbaus der Photovoltaik im Jahr 2013 ist für 2014 nochmals eine Verminderung zu erwarten. Sogar Projekte zum Eigenverbrauch, vorher mit viel Tamtam gefördert (Stichwort: Speicherförderung), sollen nun mit einer zusätzlichen Abgabe belegt werden. Windkraft wird zum Beispiel in Bayern durch eine Abstandsregelung mit einem Federstrich komplett zum Erliegen gebracht.
Der Anteil der Kohlekraft steigt indessen ständig an, obwohl die meisten Kernkraftwerke noch am Netz sind. Flexible Gaskraftwerke werden aus wirtschaftlichen Gründen vom Netz genommen. Wo findet aktuell noch Energiewende statt? Wo soll erneuerbare Energie, um fossile Energieträger zu ersetzen, denn noch herkommen?
Wiedervereinigung zum Nulltarif?
In allen Meinungsäußerungen wird impliziert, dass die Energiewende zum Nulltarif passieren müsste. Die Energiewende wird für Deutschland oft „das größte Projekt seit der Wiedervereinigung“ genannt. Hat Deutschland die Wiedervereinigung zum Nulltarif bekommen?
Wurde diese Forderung denn jemals diskutiert? Hat einer unserer damaligen Politiker, heute würdevoll und anerkennend „Architekten der Wiedervereinigung“ genannt, 1989 ein Megaphon in die Hand genommen und zu den Leuten an der Berliner Mauer gesagt: „Moment, Jungs, langsam, langsam, legt die Pickel weg, lasst mal die Mauer noch stehen und klettert nicht rüber! Wir müssen erst kalkulieren, was das kostet?“ Oder bekamen die deutschen Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb standen, oder ihre Mitarbeiter damals Ausnahmen vom „Soli“?
Milliarden versickern im Sand
Wir akzeptieren ohne jedes Murren ein stetiges Ansteigen der Preise fossiler Energieträger (fast 350 Prozent für Heizöl in den letzten 20 Jahren). Wir akzeptieren den ständigen Abfluss der Wertschöpfung aus unserer Volkswirtschaft für Energieimporte (300 Milliarden Euro für die EU im Jahr 2011 allein für Öl).
Wir akzeptieren stetige Subventionen für konventionelle Energieträger aus Steuergeldern (177 Milliarden Euro für Steinkohle, 65 Milliarden Euro für Braunkohle, 187 Milliarden Euro für Atomenergie). Und wir investieren beständig öffentliche Gelder in die Behebung von Schäden des beginnenden Klimawandels oder die Vorbeugung dagegen.
Einspeisetarife für Atomkraftwerke
Seit Jahrzehnten diskutieren wir die Frage, wer die Kosten der Sanierung von Atommüll-Endlagern übernehmen könnte,. Für Jahrtausende geplant, geben sie ihre brisante Fracht schon nach 20 Jahren an die Umwelt und das Grundwasser ab. Jeder Bürger muss für sein Auto eine Haftpflichtversicherung abschließen, jedoch nicht die Betreiber von Atomkraftwerken. Während diese Widersprüche langst nicht geklärt sind, kommt nun eine neue Idee auf: Wir bieten Atomkraftwerken innerhalb der EU, die ja laut den Aussagen aller Politiker eigentlich den günstigsten Strom produzieren sollten, einen erhöhten Einspeisetarif für 35 Jahre plus Inflationsausgleich!
Umbau verursacht Kosten
Aber wir meinen auf der anderen Seite, dass ein kompletter Umbau unseres Energiesystems für unsere Zukunft und die unserer Kinder umsonst sein müsste. Und um das eine nicht ständig diskutieren zu müssen, wird es stillschweigend aus Steuergeldern beglichen. Um das andere stets und ständig öffentlich anprangern zu können, stellen wir die Umlage für erneuerbare Energien jeden Tag transparent für alle sichtbar in der EEG-Umlage dar. Damit nicht genug – wir belegen die Mehrkosten auch noch mit der Mehrwertsteuer. Aber das ist letztendlich nur konsequent, denn so schließt sich der Kreislauf!
Eine dringliche Bitte
Eine dringliche Bitte wäre an die Politik zu richten: Wenn wir das Ziel aus den Augen verloren haben, wenn uns jeder Cent in der Umlage wichtiger ist als die Risiken der Atomkraft für unsere Bevölkerung, die nicht geklärte Endlagerung und auch wichtiger als der stetig steigende Kohlendioxidausstoß und die Folgen des Klimawandels. Wenn das so ist, dann sagt es bitte ehrlich und auch öffentlich!
Energiewende findet nicht mehr statt
Bitte redet nicht mehr über eine Energiewende, die faktisch nicht mehr stattfindet. Bitte macht keine Klimakonferenzen mehr und spart das CO2 und die Kosten der Flüge sowie den kostbaren Schlaf statt nächtelanger ergebnisloser Sitzungen! Bitte sagt der Bevölkerung deutlich, dass wir spätestens in zwei oder drei Jahren den Ausstieg aus dem Ausstieg des Ausstieges wieder umwerfen und die Atomkraftwerke weiterlaufen lassen werden.
Und bitte sagt der Bevölkerung, dass wir die Kohlekraft weiter für die Versorgungssicherheit und den billigen Strom brauchen werden und uns und unsere Kinder deshalb auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten müssen!
Der Autor
Hans Urban
leitet die Solarsparte von Schletter in Kirchdorf/Haag.