Wer in Italien in Photovoltaik investiert, braucht starke Nerven. Dabei kommt die Ankündigung der italienischen Netzbehörde GSE eigentlich nicht überraschend. Am 20. Januar verkündet sie, es werde kein Register für Freiflächenprojekte und große Dachanlagen im zweiten Halbjahr 2012 geben. Kein Register heißt kein Geld. Die Mittel für die Förderung seien ausgeschöpft, so die offizielle Begründung. Bereits Ende vergangenen Jahres gab es Spekulationen, wann die Mittel für die Solarförderung in Italien aufgebraucht sein würden und die GSE die Reißleine ziehen werde. „Ich rechne im Januar oder Februar damit“, sagte Dirk Morbitzer, Analyst von Renewable Analytics, damals. Er behält recht.
Die GSE gibt als Grund an, dass die laut Conto Energia IV vorgesehene Summe von 300 Millionen Euro für Freiflächenanlagen, die für die Förderung für daszweite Halbjahr 2011 im Conto Energia IV festgeschrieben sind, bei weitem überschritten worden seien. Allein die bis zum 31. August 2011 ans Netz gegangenen Freiflächenanlagen hätten Kosten von etwa einer Milliarde Euro ausgelöst, teilt die Netzbehörde mit. Die Mehrkosten werden dem Conto Energia IV zufolge nun von der Fördersumme abgezogen, die für das Register für das zweite Halbjahr 2012 vorgesehen war. Für diesen Zeitraum seien 130 Millionen Euro geplant gewesen, und daher bleibe kein Geld mehr übrig, um große Anlagen im zweiten Halbjahr zu fördern. Das Register gilt für Dachanlagen mit mehr als einem Megawatt Leistung sowie Freiflächenanlagen, die nicht auf öffentlichen Gebäuden und Grundstücken errichtet werden.
Womit allerdings keiner rechnete: Die Regierung in Rom veröffentlichte nurwenige Tage später nach der Ankündigung der Netzbehörde das Decreto-Legge (DL) Nr. 1/2012. Demnach entfällt ab sofort jegliche staatliche Förderung für Photovoltaikanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen. Der Artikel 65 des Dekrets regele, dass mit Inkrafttreten Solarparks auf Ackerflächen „kein Recht auf Fördertarife“ hätten, sagt Svenja Bartels, Partner in der Kanzlei Rödl & Partner in Padua. Dies ist ein Schock, da die italienische Regierung im Zuge des Conto Energia IV mit dem Dekret Romani eigentlich eine Übergangsfrist bis zum 29. März 2012 geschaffen hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt fertiggestellte Solarparks auf Ackerflächen sollten unter bestimmten Voraussetzungen weiter gefördert werden. Dieser Passus sei nun durch das DL 1/2012 gestrichen worden. Die Regelung könne „als nicht anders als unglücklich bezeichnet werden“, sagte SvenjaBartels unmittelbar nach der Veröffentlichung des Dekrets. Zumal ursprünglich geplant gewesen sei, die Übergangsfrist nochmals zu verlängern.
„Wir vermuten, dass bei den letzten Änderungen des Wortlauts des Dekretes ein Fehler unterlaufen ist“, sagt Bartels. „Wir sind uns sicher, dass der Fehler korrigiert und spätestens das Parlament im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch Änderungen durchsetzen wird, um laufende Investitionen zu schützen. Es wäre nicht hinnehmbar, dass die italienische Regierung rückwirkend die Spielregeln für Investitionen im Solarsektor ändert“. Sie fürchtet andernfalls „dramatische Folgen für die derzeit im Bau befindlichen Anlagen und eine entsprechende Klagewelle von Anlagenbetreibern“. Auch ihre Kanzlei bereite bereits Klagen vor, sollte die Regelung nicht rückgängig gemacht werden.
Mittlerweile verdichten sich die Anzeichen, dass die Übergangsfrist zumindest in der bestehenden Form wieder aktiviert wird. Der italienische Industrieverband Gifi bestätigt, dass er sich diesbezüglich in Gesprächen mit Abgeordneten befindet. Zudem äußerte sich der Unterstaatssekretär für Umwelt, Tullio Fanelli, bereits in diese Richtung. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das DL 1/2012 nicht zu einem Gesetz wird und damit die rückwirkende Streichung der Einspeisevergütung für Solarparks auf Ackerflächen wieder aufgehoben wird.
Die Verbände laufen nach Aussagen von Andreas Lutz von New Energy Projects Sturm gegen das neue Dekret. „Angesichts dieser Rechtsunsicherheit ist derzeit höchste Vorsicht geboten beim Kauf von Projektrechten oder Investitionen in noch zu bauende Anlagen oder im Bau befindliche Anlagen“, sagt Lutz. Vor diesem Hintergrund gestaltet sich auchdie Finanzierung von Großprojekten derzeit äußert schwierig.
Es gibt nur einen Hoffnungsschimmer. „Nach gängiger Meinung besteht Anspruch auf Einspeisevergütung ab 2013 für alle Anlagen, die 2011 und 2012 in Betrieb genommen werden“, heißt es bei New Energy Projects. Das Conto Energia IV sieht vor, dass ab dem kommenden Jahr die Registerpflicht entfällt. Die Förderung von Freiflächenanlagen und großen Dachsystemen erfolgt dann über Einspeisetarife.
Registerpflicht entfällt 2013
Die Regierung hat im Conto Energia IV einen finanziellen Rahmen festgeschrieben. Für das Register sind von Juni 2011 bis Dezember 2012 insgesamt 580 Millionen Euro eingeplant, was ungefähr einer neu installierten Leistung von rund 2.700 Megawatt entsprechen würde. Für die Jahre 2013 bis 2016 sind dann nochmals Vergütungen von insgesamt 1,361 Milliarden Euro für Großanlagen vorgesehen. Wie viel davon wirklich noch zur Verfügung stehen wird, ist bislang unklar. Danach wird sich allerdings auch richten, wie hoch die Einspeisevergütung für Freiflächenanlagen künftig sein wird.
Im Register für das erste Halbjahr 2012 stehen nun 507 Projekte auf der Liste A, wie es bei Rödl & Partner heißt. Wenn die Anlagen rechtzeitig realisiert wer-den, erhalten sie eine Einspeisevergütung. Allerdings viel eindrucksvoller ist die Zahl derjenigen Anlagen, die zwar die Voraussetzungen erfüllen, es aber aufgrund der Begrenzung von 150 Millionen Euro Fördermittel nicht mehr ins Register schafften. Nach Angaben von Rödl & Partner sind dies mehr als 2.500 Anlagen. Ab 2013 könnten die Betreiber dieser Systeme dann eine Einspeisevergütung beantragen, ebenso wie alle Projektierer, die ihre Anlagen trotz Förderstopp im zweiten Halbjahr 2012 fertigstellen.
Analyst Dirk Morbitzer ist insgesamt zuversichtlich für den italienischen Photovoltaikmarkt. Der hohe Strompreis und die Abhängigkeit von Gasimporten böten weiterhin Anreize für die Installation von Solaranlagen. Aus seiner Sicht wird sich nun der Markt für kleine und mittlere Dachanlagen noch beschleunigen. Deren Finanzierung sei auch kein Problem. Italien werde auch weiterhin ein interessanter und signifikanter Markt mit Zuwachs im Gigawattbereich sein, sagt Dirk Morbitzer.