Nachdem die Regierung in Bern die Liberalisierung des eidgenössischen Strommarktes auf den Weg gebraucht hat, sind die ersten Stellungsnahmen zum Gesetzentwurf eingegangen.
Die Schweizerische Sektion des World Wide Found for Nature (WWF) warnt vor der vollständigen Strommarktöffnung, wie sie im Gesetzentwurf des Bundesrates vorgesehen ist. Der WWF sieht dabei die Gefahr, dass verstärkt konventioneller Strom aus den Nachbarländern in die Schweizer Haushalte fließt. „Ohne flankierende Maßnahmen wird dieses Projekt zur Anti-Energiewende“, betonen die Naturschützer. Sie verlangen deshalb, dass Importeure und Produzenten für Strom aus Atom-, Kohle und Gaskraftwerken eine Abgabe in Höhe der ungedeckten externen Kosten bezahlen müssen. Bei Netzengpässen an der Grenze sollte außerdem der Ökostrom den Vortritt haben. Als dritte Maßnahme verlangt der WWF, dass der Deckel bei der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) angehoben wird, damit die einheimischen erneuerbaren Energien zügig ausgebaut werden können.
Gegen die Förderung von Ökostrom sprechen sich hingegen die Stromversorger aus. Der Verband der Schweizerischen Elektrizitätsunternehmen (VSE) hält die Förderung des regenerativen Stroms für eine Marktverzerrung. Deshalb fordert die Vertretung der alten Energiewirtschaft, dass diese minimiert wird oder zumindest für alle Produktionsformen von erneuerbaren Energien die gleichen Förderungen bereitgestellt werden. Die Elektrizitätsunternehmen sprechen sich grundsätzlich gegen die Stromabnahme- und Vergütungspflicht für Netzbetreiber gemäß Energiegesetz aus. Denn das habe zur Folge, dass sie bei einer vollständigen Marktöffnung mit ungesichertem Stromabsatz dastehen könnten.
Stromversorger verlangen Sicherheiten
Grundsätzlich begrüßt der VSE aber den Gesetzentwurf. Schließlich hätten die Stromversorger immer schon betont, dass sie sich für einen offenen Wettbewerb in der Stromversorgung aussprechen. „Langfristig ist der Markt das beste Instrument, um Stromangebot und -nachfrage ins Gleichgewicht zu bringen“, erklärt dazu Michael Frank, Direktor des VSE. „Die jetzige Situation mit dem halboffenen Markt ist keine gute Lösung.“ Jedoch wollen die Elektrizitätsunternehmen Sicherheiten. Denn der Zeitpunkt für die Marktöffnung ist zwar zu schaffen, sei aber sehr ambitioniert. „Wir haben stets gefordert, dass die Unternehmen für eine gute und seriöse Vorbereitung zwei Jahre Zeit brauchen“, betont Michael Frank. Dabei geht es vor allem um die Implementierung von automatischen IT-Prozessen und letztlich die Sicherstellung, dass die steigende Anzahl Kundenwechsel problemlos und fristgerecht abgewickelt werden kann. Zwar sei die Strombranche bereit, in Vorleistung zu gehen und schon einmal mit der Umsetzung zu beginnen, noch bevor die Entscheidung über die regulatorischen und politischen Rahmenbedingungen gefallen ist. „Dazu benötigen wir jedoch die unmittelbare Zusicherung, dass allfällige, derzeit unvorhersehbare Zusatzkosten verrechnet werden können, die beispielsweise durch nachträglich verabschiedete Helvetismen in der Umsetzung entstehen“, fordert Frank. „Außerdem muss die Branche für das Risiko der vorzeitigen Umsetzungsarbeiten abgesichert sein, falls durch die Annahme des fakultativen Referendums die vollständige Marktöffnung von den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern abgelehnt wird.“
Keine Regulierung der Grundversorgung
Mit Blick auf die Grundversorgung lehnen die Stromversorger außerdem eine Preisregulierung im sogenannten Wahlmodell der abgesicherten Stromversorgung (WAS) ab. Der Gesetzentwurf sieht aber vor, dass die Preise in der Grundversorgung von der Eidgenössischen Elektrizitätskommission geprüft und wenn nötig herabgesetzt werden. „Den Kunden im WAS-Modell steht es frei, das WAS-Modell zu verlassen, falls sie die Preise als zu hoch erachten“, kritisiert Frank. „Der Wettbewerb wird spielen, deshalb ist eine Regulierung nicht nötig. Vergleichsportale machen die Preisvergleiche einfach.“ Damit steht der WAS-Modell-Anbieter unter Wettbewerbsdruck und monopolistische Praktiken werden durch den Markt verhindert. Für den Gesetzgeber oder den Regulator erübrige sich die aufwändige Festlegung eines angemessenen Preises. (Sven Ullrich)