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“Selbstversorger nicht zur Kasse bitten!“

Das Bundeswirtschaftsministerium hat Anfang März den ersten Entwurf für die Reform des EEG vorgestellt. Darin wird der Photovoltaik ein Zubau von 2,5 bis 3,5 Gigawatt als Zielkorridor eingeräumt. Was halten Sie von diesem Deckel?

Carsten Körnig: Hier wird natürlich viel zu kurz gesprungen. Für eine erfolgreiche Energiewende, für den Klimaschutz und für weniger Energieimporte wäre ein deutlich kraftvollerer Solartechnikausbau angemessen und ohne relevante Mehrkosten realisierbar. Auch die Limitierung der Förderung auf insgesamt 52 Gigawatt wirkt als Investitionsbremse und ist zu streichen.

Im vergangenen Jahr hat die Branche rund 3,3 Gigawatt zugebaut, nicht einmal die Hälfte vom Vorjahr. Der Start 2014 war sehr ruhig, sodass sogar 2,5 Gigawatt fraglich erscheinen. Kann das reformierte EEG diese Abwärtsspirale gegebenenfalls auffangen?

Einen weiteren Markteinbruch werden wir nur stoppen können, wenn der Gesetzentwurf jetzt schnell nachgebessert wird. Um den deutschen Photovoltaikmarkt im Multi-Gigawatt-Bereich zu halten, benötigen wir endlich wieder Investitionssicherheit für alle Marktsegmente.

An welcher Stelle muss der Mechanismus der Degression nachgebessert werden, um einen schwachen Markt möglichst schnell wieder in Schwung zu bringen, also den Zubau anzukurbeln?

Der „atmende Deckel“ im EEG reagiert im Falle eines weiteren Marktrückgangs viel zu langatmig und träge. Um künftig eine Unterförderung zu vermeiden und schneller gegenzusteuern, muss insbesondere der Bezugszeitraum zur Bemessung künftiger Einspeisevergütungen unbedingt von zwölf auf drei Monate verkürzt werden. Andernfalls droht im Falle einer länger andauernden Stabilisierung der Systemkosten der deutsche Photovoltaikmarkt für Monate weitgehend zum Stillstand zu kommen. Wünschenswert wäre darüber hinaus unter anderem eine Absenkung der monatlichen Basisdegression.

Im vergangenen Jahr war es der Eigenverbrauch, der den Markt für Photovoltaik in Deutschland belebte. Nun soll er mit einer anteiligen EEG-Umlage belastet werden. Wie bewerten Sie diese Idee?

Das wäre absolut kontraproduktiv und würde den schnellsten Weg zur Wettbewerbsfähigkeit der Photovoltaik blockieren und außerdem die Entwicklung intelligenter dezentraler solarer System- und Speicherlösungen hemmen. Geradezu grotesk ist, dass gleichzeitig der Eigenverbrauch der Atom- und Kohlekraftwerke sowie des Braunkohletagebaus von der EEG-Umlage ausgenommen werden soll. Das zeigt, wo der Hase im Pfeffer liegt.

Für private Haushalte soll eine Bagatellgrenze eingeführt werden, für Anlagen bis zehn Kilowatt Solarleistung. Ist die Branche damit aus dem Schneider?

Keinesfalls. So erfreulich das anhaltend große Solarengagement der Eigenheimbesitzer ist: Gemeinsam realisieren sie gerade einmal rund ein Fünftel des politisch angestrebten jährlichen Mindestausbauziels. Auf neue Solaranlagen auf Gewerbe- und Industriehallen und in der Land- und Wohnungswirtschaft können wir nicht verzichten.

Wie wichtig sind der gewerbliche und industrielle Eigenverbrauch für die Photovoltaik?

Er ist ein unverzichtbarer Treiber der Photovoltaiknachfrage. Er erhöht die Flexibilität bei der Synchronisierung von Solarstromangebot und -nachfrage und macht die Energiewende insgesamt kostengünstiger. Solarstrom ist mittlerweile so preiswert geworden, dass er mit Gewerbestromtarifen konkurrieren kann.

Wie wichtig sind die größeren Eigenverbrauchsanlagen zur Netzentlastung?

Wir können deutlich mehr Photovoltaikleistung installieren, wenn die Netze wegen des Eigenverbrauchs nicht mehr für Einspeisemaxima ausgelegt werden müssen. Das reduziert die Netzkosten. Außerdem können Photovoltaikanlagen – insbesondere, wenn sie mit einem Stromspeicher kombiniert sind – vor allem die Netze im Niederspannungsbereich deutlich entlasten.

Wird der gewerbliche Eigenverbrauch mit der EEG-Umlage überhaupt noch lukrativ sein?

Amortisationszeiten von dann über 15 Jahren locken Unternehmer nicht mehr hinterm Ofen hervor. Solarer Eigenverbrauch rechnet sich dann nur noch in wenigen Ausnahmefällen bei sehr hohen Stromtarifen.

Sind sinkende Strompreise mit einer anteiligen Umlage auf den Eigenverbrauch erreichbar? Das BMWi rechnet immerhin damit, dass dadurch rund 100 Millionen Euro eingespart werden können.

Dabei wird übersehen, dass Solaranlagen, die nicht mehr gebaut werden, keine EEG-Umlage mehr abführen können. Die einzige Alternative zum Erreichen der Ausbauziele wäre dann die Rückkehr zur Volleinspeisung des produzierten Solarstroms ins öffentliche Netz bei deutlich höheren EEG-Vergütungssätzen. Das macht die Energiewende aber nicht billiger.

Wie hoch steigt die EEG-Umlage künftig mit jedem neu installierten Gigawatt Photovoltaik?

Photovoltaik ist so preisgünstig geworden, dass sich neue Solarstromanlagen kostenseitig kaum noch auswirken. Jedes neu installierte Gigawatt lässt die EEG-Umlage gerade noch um 0,019 Cent steigen.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel möchte die Kosten der Energiewende solidarisch verteilen. Welchen Weg schlagen Sie vor?

Um die Akzeptanz der Energiewende zu sichern, muss das Verursacherprinzip wieder stärker Einzug halten. Statt Klimaschützer mit Abgaben zu belegen, sollten Unternehmen stärker zur Kasse gebeten werden, die ihren eigenen Stromverbrauch nicht umweltfreundlich decken und nicht im internationalen Wettbewerb stehen. Gleichzeitig sollte die Abhängigkeit von Energieimporten im Wärme-, Strom- und Mobilitätssektor weiter reduziert, die Steuerbelastung in Grenzen gehalten und die bereits aufgelaufenen unvermeidbaren Anschubinvestitionen der Energiewende zeitlich etwas mehr gestreckt werden. Vor allem sollte die Politik aber unmissverständlich klarstellen: Ohne eine konsequente Energiewende werden die Kosten schließlich für ALLE sehr viel höher ausfallen! Die Akzeptanz der Energiewende wird zudem nur gesichert, wenn auch die Umstellung der restlichen 75 Prozent der Stromversorgung auf erneuerbare Energien unter aktiver Einbindung einer breiten Bürger- und Unternehmerschaft erfolgt.

Das Segment der Freiflächenanlagen ist derzeit praktisch tot, weil die reduzierte Einspeisevergütung durch die Kostensenkung nicht mehr aufgefangen werden konnte. In der Diskussion befindet sich ein vages Ausschreibungsmodell. Sind Ausschreibungen ein Weg, um wieder mehr preiswerte Freiflächenanlagen zu bauen?

Jede Wiederbelebung dieses zu Unrecht abgewürgten Marktsegments ist zunächst zu begrüßen. Ich warne allerdings eindringlich davor, Ausschreibungen als Allheilmittel zu betrachten und jetzt einen grundsätzlichen Systemwechsel hin zu diesem Fördermodell festzuschreiben. Erfahrungen aus dem Ausland widerlegen klar die These, auf diesem Wege Solarstrom kostengünstiger und zielsicherer ans Netz zu bringen als über eine feste Einspeisevergütung.

Welche Konditionen müsste eine Ausschreibung erfüllen?

Von der Ausgestaltung der Ausschreibungskriterien wird viel abhängen. Wichtig ist es, aus den Fehlern anderer zu lernen. Wir stellen bestehende Erfahrungen mit Ausschreibungen gegenwärtig zusammen und leiten daraus konkrete Vorschläge ab.

Neben den Ausschreibungen, deren Details erst im Laufe des Jahres geklärt werden sollen, sind andere Modelle denkbar, unter anderem die Direktvermarktung des Stroms aus Megawattkraftwerken. Welchen Weg schlagen Sie vor?

Ausnahmen bei den bestehenden Einschränkungen der EEG-Förderfähigkeit von Freiflächenanlagen sollten künftig insbesondere dann möglich sein, wenn Solarkraftwerke am Netzverknüpfungspunkt technisch eine netzstützende Funktion erfüllen und dadurch Netzausbau sowie damit verbundene Kosten vermieden werden. Darüber hinaus sollten Verbundkraftwerke aus erneuerbaren Energien besonders gefördert werden, die über reine Einspeisenetze an der Höchstspannungsebene angeschlossen werden. Über sie können erhebliche Potenziale für die Netzentlastung und die Versorgungssicherheit erschlossen werden.

Die Fragen stellte Heiko Schwarzburger.

Carsten Körnig

hat zunächst Politik studiert. 1992 kam er zu Greenpeace, wo er leitende Funktionen ausübte. 1996 war er Mitgründer der Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft (UVS). 1998 wurde er deren Geschäftsführer. Als die UVS später im Bundesverband Solarwirtschaft aufging, wurde Körnig Geschäftsführer des BSW-Solar in Berlin. https://www.solarwirtschaft.de/

Foto: BSW-Solar

Krannich Solar

Frontalangriff auf die Energiewende

Bundeswirtschaftsminister Gabriels Gesetzentwurf zur EEG-Reform ist ein Frontalangriff auf die Energiewende. Das Papier zielt darauf ab, das EEG zu schwächen und damit den Ausbau der erneuerbaren Energien auszubremsen. Damit scheint es, als habe sich die alte Energiewirtschaft, die ein großes Interesse daran hat, diesen grünen Klotz am Bein wieder loszuwerden, durchgesetzt.

Es wird häufig der Eindruck vermittelt, die Photovoltaikbranche wäre von dieser EEG-Novelle gar nicht betroffen. Denn es bleibt doch bei der jetzigen Vergütungsregelung und beim Ausbaukorridor von 2,5 bis 3,5 Gigawatt pro Jahr. Also alles halb so schlimm? Das übliche Gezeter einer subventionsverwöhnten Branche? Von wegen! Das Fatale an Gabriels Gesetzentwurf sind die erst auf den zweiten Blick erkennbaren Folgen.

Stromverbraucher, die ihren Strom selbst erzeugen, sollen künftig an der Finanzierung beteiligt werden. Im Referentenentwurf ist die Regelung zur zukünftigen Beteiligung des PV-Eigenverbrauchs an der EEG-Umlage offen. Sollte die Abgabe so kommen, wie im Vorfeld von Gabriel postuliert, wird der Bau neuer Solaranlagen massiv zurückgehen.

Neue Anlagen mit mehr als zehn Kilowatt sollen für den Eigenverbrauch eine Abgabe in Höhe von 70 Prozent der EEG-Umlage bezahlen. Das wären dieses Jahr 4,37 Cent. Damit sind solche Anlagen wirtschaftlich nicht mehr interessant.

Letztes Jahr wurden in Deutschland 3,3 Gigawatt zugebaut. Davon waren 18 Prozent Anlagen, die weniger als zehn Kilowatt leisteten. Das entspricht rund 600 Megawatt. Nach unserer Einschätzung wäre es eine große Überraschung, wenn unter diesen Rahmenbedingungen mehr als 1,2 Gigawatt pro Jahr gebaut würden. Über die Abgabe auf den Eigenverbrauch würde eine Begrenzung des Zubaus auf unter 1,2 Gigawatt Photovoltaikleistung erfolgen.

Viele Gespräche mit mittelständischen Unternehmen haben uns gezeigt, dass die betriebswirtschaftliche Grundlage für Investitionen üblicherweise deren Amortisationszeit ist. Eine Investition in eine neue Produktionsanlage sollte sich in einem mittelständischen Unternehmen üblicherweise nach drei bis fünf Jahren amortisieren. Darüber hinausgehende Zeiträume werden als höheres Risiko betrachtet und erschweren eine positive Entscheidung oder verhindern sie ganz.

Schon unter den heutigen Rahmenbedingungen ist deshalb, neben der wirtschaftlichen Betrachtung, auch eine gewisse Affinität seitens der Entscheidungsträger für das Thema Photovoltaik notwendig, um ein Unternehmen von der Investition in eine Solaranlage zu überzeugen. Bei einem Amortisationszeitraum von über 15 Jahren werden nach unserer Überzeugung von mittelständischen Unternehmen so gut wie keine Photovoltaikanlagen mehr gebaut werden.

Darüber hinaus wird einmal mehr der Mittelstand gegenüber der Großindustrie benachteiligt. Denn die eigene Stromversorgung wird unrentabel, und eine mögliche Reduzierung der Stromkosten durch die Eigenversorgung wird beseitigt. Die Großindustrie wird weiterhin von der EEG-Umlage befreit sein mit der Begründung internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Dieses Argument könnte dazu dienen, die Großindustrie auch von der Abgabe auf den Eigenverbrauch zu befreien.

https://www.krannich-solar.com/