Rob McMonagle hat große Pläne. „Schauen Sie mal: die vielen Südfassaden und freien Dachflächen dort drüben“, sagt der ehemalige Chef der Canadian Solar Industries Association (CanSIA) und zeigt auf die Skyline von Toronto. Die Millionenmetropole am Ufer des Ontariosees boomt. An jeder zweiten Straßenecke steht ein Baukran. Apartmenttürme mit hohen Glasfassaden, Büros und Hotels wachsen in die Höhe, Gewerbehallen in die Breite. Auf mindestens zwei Gigawatt rechnet McMonagle, der seit vergangenem Jahr städtischer Energiebeauftragter ist, das Potenzial für Photovoltaik bis 2030 in Toronto hoch. Bis dahin ist es noch ein langer Weg, doch erste Anfänge wurden gemacht: Anfang der 1990er Jahre wurden auf dem Dach des städtischen Krankenhauses Module mit 80 Kilowatt montiert. Es folgten Anlagen auf dem Rathaus, den Feuerwachen und dem Verwaltungsgebäude des städtischen Energieversorgers. Eine 100 Kilowatt starke Solarstromanlage auf dem Dach des Reitstalls der Messe war bis im Sommer vergangenen Jahres die größte in ganz Kanada. Mehrere Stadtteilgruppen wie die Riverdale Iniative for Solar Energy bauten in der jüngsten Zeit Gemeinschaftsanlagen. Die Stadt belohnt Energiesparen und Investitionen in Photovoltaik und in andere erneuerbare Energien mit eigenen Förderprogrammen.
Erwartungen übertroffen
Wichtigste finanzielle Triebfeder für den Ausbau der Photovoltaik ist jedoch das Renewable Energy Standard Offer Program (RESOP), das die Regierung von Ontario im November 2006 auflegte. Das Filetstück ist eine für Nordamerika bisher einzigartige Einspeisevergütung von 42 kanadischen Cent pro Kilowattstunde (0,28 Euro) für Solarstrom.
Für die Kilowattstunde aus Windkraft, Wasserkraft oder Biomasse werden elf Cent (0,074 Euro) bezahlt. Die Vergütung ist wie in Deutschland 20 Jahre lang garantiert und wird über den Strompreis finanziert. Die Resonanz auf das neue Anreizprogramm übertraf sämtliche Erwartungen. Während die Ontario Power Authority (OPA) bis Ende 2016 mit 1.000 Megawatt zusätzlich installierter Leistung erneuerbaren Stroms rechnete, waren bis Ende Mai dieses Jahres bereits Projektverträge mit einem Volumen von 1.300 Megawatt gezeichnet, davon rund 500 Megawatt neue Photovoltaikanlagen. Meist sind dies größere Solarparks. Verträge über den Bau von insgesamt 150 Megawatt schloss beispielsweise die Optisolar Farms Canada, ein Tochterunternehmen der kalifornischen Optisolar, ab. 60 Megawatt zeichnete die Pod Generating Group mit Sitz in Sault Ste. Marie (Ontario). Freiflächenanlagen mit mindestens 70 Megawatt Leistung möchte Skypower aus Toronto ans Netz bringen. Projektpartner ist Sun Edison mit Hauptsitz im US-Bundesstaat Maryland.
Möglicher harter Rückschlag
Dagegen lag der jährliche Zubau von Photovoltaikanlagen in ganz Kanada vor Start des RESOP-Programms bei ganzen 3,7 Megawatt. Die installierte PV-Leistung in dem zweitgrößten Flächenstaat der Welt lag 2006 bei nicht einmal 20 Megawatt, 90 Prozent davon off-grid. Eine Zeit, an die sich Elizabeth McDonald nur ungern erinnert. Doch der Rückfall droht: „Die Nacht- und Nebel-Entscheidung der Regierung von Ontario, das erfolgreiche Renewable Standard Offer Program auszusetzen, kann die Solarenergie hierzulande erneut ins Abseits stellen“, sagt die jetzige CanSIA-Direktorin. Ende Mai hatte die zuständige Ontario Power Authority das Programm gestoppt, um es zu überarbeiten. Ausgenommen sind nur Anlagen bis zu einer Leistung von zehn Kilowatt.
„Ein solches Programm weitgehend einzuschränken – ohne die Industrie und die Unternehmen zu warnen, die sich darauf verlassen und kräftig investiert haben – gefährdet die jüngsten Erfolge“, unterstreicht McDonald. Dies wiege umso schwerer, weil andere Provinzen und die kanadische Bundesregierung bisher kaum etwas für den Ausbau der Photovoltaik tun.
Kritische Netzengpässe
Es kann nun spekuliert werden, was die OPA zu dem Schritt trieb. Schwappte etwa die Diskussion über die angeblich zu hohen Kosten der Solarstromförderung in Deutschland und Spanien über den großen Teich? „Nein, da waren Bedenkenträger der Provinzregierung Ontarios am Werk“, sagt McDonald. Dass das RESOP unter Kinderkrankheiten leide, sei unbestritten, doch dies rechtfertige nicht die unangekündigte Entscheidung. Als Hauptschwäche sieht die Solarverbands-Chefin die niedrige Eingangsschwelle für die Vertragsunterzeichnung mit potenziellen Investoren. Denn von den angekündigten Vorhaben seien bis Ende Mai nur Anlagen mit insgesamt 447 Kilowatt Leistung realisiert worden. Drei Jahre haben die Investoren bisher Zeit, die gezeichneten Verträge umzusetzen, danach werden diese ungültig. Weitere Nadelöhre sind die nötigen Genehmigungen, die langen Wartezeiten beim Netzanschluss sowie die Anschlussgebühren. Hinzu kommen jahrelang vernachlässigte Investitionen in den Netzausbau.
Verstärkt werden die Netzengpässe durch den wachsenden Einsatz von Klimaanlagen in den heißen Sommern. Über 70 Prozent der Haushalte Ontarios haben Klimaanlagen – an Sommertagen geht über die Hälfte des Stromverbrauchs eines durchschnittlichen Haushaltes auf ihr Konto. Das hat seinen Preis: 1,64 kanadische Dollar (1,09 Euro) kostet die Kilowattstunde Strom zu Spitzenzeiten in Ontario, der Durchschnittspreis liegt bei 13 kanadischen Cent (0,086 Euro). Hier liegt eine große Chance für die Photovoltaik – gerade auch in Toronto, das einen Großteil seines Stroms importieren muss. Im Juni und Juli übertreffen die solaren Einstrahlwerte in Toronto mit rund 0,6 Gigajoule sogar die von Miami. Ein Sonnenreichtum, auf den man bauen kann.
Neue Fonds aufgelegt
Trotz des vorläufigen Einfrierens des Einspeisetarifs gibt sich deshalb die CanSIA-Chefin zuversichtlich. Sie baut vor allem auf den neuen Energieminister von Ontario, George Smitherman, der sich jüngst in Deutschland über die Erfolge des EEG informierte. „Wir erwarten eine Fortschreibung von RESOP bis Ende dieses Jahres“, sagt McDonald. Optimistisch stimmt auch, dass die Regierung in Toronto mit neuen Förderprogrammen zu Forschung und Entwicklung sowie zur Industrieansiedlung wichtige Marksteine für eine solare Zukunft setzte: 1,15 Milliarden kanadische Dollar (762 Millionen Euro) stark ist der Next Generation of Job Funds. Er fördert Investitionen und die Forschung von Cleantech-Unternehmen, wenn diese mindestens 100 neue Arbeitsplätze in Ontario schaffen. Insgesamt 500 Millionen kanadische Dollar (331 Millionen Euro) stellt die Advanced-Manufacturing-Investment-Strategie für diejenigen Unternehmen bereit, die neue Fertigungstechnologien entwickeln. „Mit diesen Programmen wollen wir auch gezielt die Ansiedlung von deutschen Photovoltaikunternehmen in Ontario fördern“, unterstreicht Terrie Romano vom kanadischen Konsulat in München. Derzeit bereiteten circa 15 bis 20 Unternehmen aus der Erneuerbare-Energien-Branche einen Markteintritt in Ontario vor. Auftrieb erhalten Sonne, Wind & Co. in Kanadas bevölkerungsreichster Provinz nun sicherlich auch noch durch den Wahlsieg Barrack Obamas und seine Planung für den Ausbau der erneuerbaren Energien. „Wir müssen uns sputen, um mitzuhalten und wirtschaftlich nicht ins Hintertreffen zu geraten“, sagt Terrie Romano. „Die US-Amerikaner sind dafür bekannt, dass sie sehr schnell handeln, wenn sie einmal loslegen.“