Monte Trigo ist ein kleines Dorf auf Santo Antão, der größten und westlichsten Insel der Kapverden vor der Küste Mauretaniens. Die 60 Familien der Gemeinde sind nur per Boot zu erreichen, ihre einzige Einnahmequelle sind die Fischerei und der Handel mit den umliegenden Dörfern. Eis ist daher für sie lebenswichtig – Eis, das sie bislang auf der fünf Bootsstunden entfernt liegenden Hauptinsel São Vicente kaufen mussten. Dieser zeitraubende und nicht gerade effiziente Prozess brachte die lokalen Vertreter dazu, sich auf die Suche nach einer zuverlässigen und sauberen Energiequelle zu machen, um Monte Trigo mit nachhaltigem und bezahlbarem Strom zu versorgen – für die Eisproduktion, aber natürlich auch für andere Grundbedürfnisse wie Beleuchtung, Kommunikation und kommunale Dienstleistungen. Ergebnis ist eine 27,3-Kilowatt-Photovoltaikanlage, die über ein Dorfnetz allen Bewohnern Strom liefert. Das Projekt wurde im Rahmen des EU-Förderprogramms ACP-EU Energy Facility finanziert und von dem örtlichen privaten Wasserversorger Águas de Ponta Preta (APP) gemeinsam mit der Kommune (Câmara Municipal do Porto Novo, CMPN) und anderen Einrichtungen umgesetzt.
Erzeugen, speichern, verteilen
Das Offgrid-System besteht aus Photovoltaikmodulen, Wechselrichtern und Verteilnetz, verfügt aber auch über Speicher. Die Module wurden auf eine hölzerne Pergola montiert und sorgen so nicht nur für Energie, sondern auch für Schatten auf dem Schulhof der Gemeinde. Die Anlage verfügt über eine Betriebs- und Leistungsüberwachung, der Speicher besteht aus zwei 48-Volt-Batterien mit einer Gesamtkapazität von 370 Kilowattstunden. Zwei Wechselrichter wandeln den Gleichstrom in Wechselstrom um, bevor er oberirdisch über eine 800 Meter lange Stromleitung an die 60 Endkunden verteilt wird – darunter eine Schule, eine Kirche, ein Kindergarten, ein Gesundheitszentrum, ein Satellitenempfänger, drei Läden und 22 70-Watt-Straßenlampen. Der alte Dieselgenerator soll nurnoch für die Notstromversorgung verwendet werden oder, falls nötig, um die Batterien zu laden.
Wichtig für das Projekt ist aber nicht nur die Technik: Die Nutzer müssen verstehen, was die verschiedenen Ladezustände der Batterien bedeuten und wie sie die Sonnenenergie nachhaltig und vernünftig einsetzen können. Außerdem müssen sie ihre täglichen Gewohnheiten mit diesem Wissen in Einklang bringen. Daher ist das Konzept eines Tages-Energiebudgets (Energy Daily Allowance, EDA) Teil des Dorfnetzes von Monte Trigo: Für jeden Nutzer ist die verfügbare Energie auf ein vorher vereinbartes Maximum begrenzt. Das ermöglicht zum einen eine Kontrolle der Nachfrage und sichert zum anderen, dass die Anlage wie geplant arbeiten kann und es keine Stromausfälle oder unvorhergesehenen Erhöhungen der Betriebskosten gibt. Außerdem können so die eingesetzten technischen Komponenten ideal genutzt werden, was Effizienz und Lebensdauer erhöhen soll. Trotzdem ist das Konzept flexibel: Bei entsprechendem Zustand der Solaranlage oder an sehr sonnigen Tagen können die Nutzer den Stromüberschuss nutzen, ohne dass ihnen zusätzliche Kosten entstehen.
Ideale Energiebudgets
In der Einführungsphase des Projekts haben die Planer des Unternehmens Trama Tecnoambiental (TTA) die Bewohner von Monte Trigo befragt, wie viel Strom sie pro Tag brauchen und welchen Preis sie dafür bezahlen würden. So wurde die ganze Gemeinde in das Photovoltaikprojekt eingebunden, und jede Familie konnte das für sie ideale Energiebudget vereinbaren. Die Techniker wiederum konnten auf Grundlage dieser Gespräche für das Dorf die optimale Lösung entwickeln.
TTA hat das EDA-Konzept bereits bei anderen Projekten zur ländlichen Elektrifizierung in verschiedenen Kulturen und Regionen der Welt eingesetzt. Und da es präzise auf die Bedürfnisse der Nutzer abgestimmt wird, ihnen beim Management ihres Energieverbrauchs hilft und außerdem die Energiekosten reguliert, wurde und wird es gut angenommen. Ein EDA-Konzept gilt als das Herzstück solcher Elektrifizierungsprojekte, da es Größe und Leistung der Photovoltaikanlage und der anderen Systemkomponenten bestimmt. Daher isteine detaillierte und genaue Erhebung des Energiebedarfs entscheidend, zumal daraus auch Schätzungen für den zukünftigen Energiebedarf einer Gemeinde abgeleitet werden.
Technisch wird ein EDA-Konzept dann mit einem speziellen Zähler umgesetzt: Ein sogenannter Stromspender zeigt dem Nutzer stets an, wie viel seines Energiebudgets ihm noch zur Verfügung steht, und signalisiert ihm außerdem, ob er seinen Stromverbrauch erhöhen kann oder einschränken sollte. Für die Organisation sind in Monte Trigo sowohl staatliche als auch private Stellen zuständig: Die kommunale Verwaltung und der Wasserversorger APP übernehmen gemeinsam die Verantwortung für Service, Betrieb und Wartung. Die monatlichen Stromrechnungen der Kunden hängen von deren jeweiligem Energiebudget ab; sie orientieren sich an der örtlichen Kaufkraft, tragen jedoch auch zur Refinanzierung der Anlage sowie zur Deckung der Betriebs- und Wartungskosten bei.
Nutzer in der Verantwortung
Bei Betrieb und Wartung werden die Nutzer vor Ort übrigens integriert. Die Endkunden werden dabei unterstützt, den Zähler richtig zu bedienen, die Elektrik in ihrem Haus funktionsfähig zu halten und ihren Energieverbrauch möglichst effizient zu gestalten. Einige dieser Kunden werden außerdem speziell geschult, um den täglichen Betrieb überwachen und einfache Wartungsarbeiten übernehmen zu können. Hinzu kommt als dritte Gruppe das technische Personal der Anlagenbetreiber – als zentrale Anlaufstelle bei Problemen und auch für den Zeitpunkt, wenn die Anlage ausgedient hat und ersetzt werden muss.
Die theoretischen und praktischen Schulungen für alle Beteiligten hat TTA übernommen. TTA ist ein internationales Beratungs-und Ingenieurbüro, das im Bereich erneuerbare Energien, Umwelt und Technologie-Entwicklung in vielen Entwicklungsländern arbeitet. Wie bei jedem erfolgreichen Projekt zur ländlichen Elektrifizierung waren in Monte Trigo mehrere Partner aus verschiedenen Teilen der Welt aktiv – schließlich gewinnt gerade in isolierten Gemeinschaften die Qualität der verschiedenen Komponenten des Systems eine neue Bedeutung, so dass es wichtig ist, erfahrene Unternehmen mit den verschiedenen Aufgaben zu beauftragen. TTA war für Planung und Umsetzung des Monte-Trigo-Projekts verantwortlich. Atersa lieferte die 210 kristallinen Module, die Batterien sowie das notwendige Material für die Installation; außerdem entwarf Atersa die Pergola, auf der die Module montiert sind. Die Wechselrichter kommen von Studer Innotec.
Das Zusammenspiel der internationalen Unternehmen mit der Bevölkerung und den Verantwortlichen vor Ort hat nach unserer Auffassung funktioniert: Vom ersten Tag an waren die Beteiligten mit der neuen 24-Stunden-Stromversorgung zufrieden. Davon überzeugten sich auch Jorge Carlos Fonseca, Präsident der Republik Kap Verde, und EU-Botschafter Josep Coll kurz nach Inbetriebnahme des Projekts. Aber vor allem ist es die Begeisterung der Menschen in Monte Trigo, die den Erfolg des Projekts zeigt. Die Dorfbewohner konnten ihren Alltag ganz leicht an ihre neue Stromquelle anpassen. Und es gibt bereits erste wesentliche Änderungen, die Einfluss auf das Leben der Gemeinschaft haben: Ein Solarstrom-Kunde hat seinen ersten Kühlschrank gekauft, und örtliche Arbeiter haben für eine notwendige Reparatur ein Schweißgerät aus einem nahe gelegenen Dorf geholt – zum ersten Mal konnten sie ein solches Gerät in ihrem Dorf einsetzen. Hinzu kommen die zwei neuen Eismaschinen, die bis zu 500 Kilogramm Eis pro Tag produzieren können. Es ist zu erwarten, dass mit Hilfe des Photovoltaik-Dorfnetzes die kommerziellen Aktivitäten vor Ort zunehmen werden.
Simon Rolland ist Generalsekretär der Alliance for Rural Electrification.