„Gerade diese Vorhaben sind für die Energiewende enorm wichtig: Sie transportieren den Windstrom von Norddeutschland zu den Verbrauchern in Süddeutschland“, ließ der grüne Ministerialbeamte verbreiten. „Durch Netzausbau beseitigen wir einen Großteil der heutigen Netzengpässe und erhalten die einheitliche deutsche Preiszone am Strom-Großhandelsmarkt.“ Bis 2025, hofft Baake, sollen die Trassen ans Netz gehen.
Was der grüne Staatssekretär Rainer Baake träumt, ist ein ökologischer und ökonomischer Alptraum. Deshalb wächst der Widerstand gegen die geplanten Stromtrassen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass nunmehr Erdkabel verlegt werden sollen. Niemand will Freileitungen, und niemand will Erdkabel – außer vielleicht Herr Baake und die Betreiber der großen Offshore-Windparks in der Nordsee.
Gigantische Schneisen längs durch Deutschland
Worum geht es? Die geplanten Trassen sind schätzungsweise rund 800 Kilometer und 600 Kilometer lang. Dafür werden Schneisen durch Wälder, Fluren und Äcker geschlagen, zwischen 500 und 1.000 Meter breit. Rechnet man Zufahrtswege und Bauplätze hinzu, werden etwa 2.000 Quadratkilometer abgeholzt, ausgebaggert und verödet. Dagegen war die innerdeutsche Grenze ein Klacks!
Ganz zu schweigen von den tausenden Tonnen Kupfer in den Kabeln. Allein deren Erzeugung dürfte die Energie schlucken, die jemals durch diese Adern transportiert werden soll. Nicht zu vergessen die Isolierungen aus Plastik und ölgetränktem Papier, die giftige Schadstoffe in den Boden und das Grundwasser ausdünsten und irgendwann teuer entsorgt werden müssen. Was wiederum neue Breschen erfordert. Wie groß ist eigentlich der ökologische Fußabdruck dieses gigantischen Alptraums?
Eine merkwürdige Allianz
Das ist schon eine merkwürdige Allianz, die sich da gebildet hat: Ein grüner Bürokrat erledigt das Business der großen Stromversorger. Doch das überrascht nicht wirklich: Es war das Bundeswirtschaftsministerium, das die Windparks zur See mit unverschämt hohen Einspeisetarifen erst in die Welt brachte. Nun suchen die Beamten händeringend nach einer Chance, den Strom an Land zu bringen – und vor allem: ihn irgendwie zu nutzen.
Denn das Hinterland der Küste wird bereits heute vom Windstrom regelrecht überschwemmt. Doch nicht von Offshore-Windkraft, sondern von den endlosen Parks, die sich von der Küste in Schleswig-Holstein bis zur Lüneburger Heide ziehen. Diese Parks erzeugen so viel Energie, dass die Netze glühen und zahlreiche Windrotoren bereits heute abgeschaltet werden müssen. Schleswig-Holstein ist Exporteur von Windenergie, denn das strukturarme Bundesland hat höchstens mit Hamburg und Bremen zwei Ballungszentren, die den Strom aufnehmen können.
Doppelte Überproduktion von Windstrom
Zu dieser Überproduktion soll nun der Strom kommen, den die teuren Rotoren in der Nordsee erzeugen. Die beiden geplanten Trassen sind aber nicht dafür gedacht, die bereits vorhandene Überkapazität beim terrestrischen Windstrom abzuleiten. Sie sollen ausschließlich das extrem subventionierte Geschäftsmodell der Offshore-Windparks und ihrer Betreiber retten.
Neben dem Risikoausgleich für die maritimen Rotoren soll der Stromverbraucher nun auch die gigantischen Kosten für die Stromtrassen berappen. Dadurch steigt die EEG-Umlage weiter, dadurch steigen die Netzentgelte. Doppelt abkassieren, dafür macht sich ein grüner Energiepolitiker stark.
Der Widerstand wird anwachsen
Die geplanten Stromtrassen sind energiewirtschaftlich und ökologisch Unsinn. Das wissen die Leute, und dieses Wissen nährt den Widerstand, der erst am Anfang steht. Denn die Begründung der Bundesnetzagentur steht auf sehr wackligen Füßen. Für die Trassen gibt es überhaupt keinen Bedarf. Bayern und Baden-Württemberg können sich aus eigenen Energiequellen versorgen. Selbst Stadtwerke und Energieversorger sind gegen die Trassen, die den Steuerzahler viel Geld kosten. Weil die geplanten Trassen neue und regionale Geschäftsmodelle mit dezentraler Stromerzeugung torpedieren.
Nach der Fachplanung des Bundes soll das Planfeststellungsverfahren 2018 oder 2019 beginnen. Das dürfte sich hinziehen. Denn die Einwände und Gegenanträge aus der Bevölkerung werden massiv sein. Für die Grünen ist es eine Schande, welche Politik auf ihrem Ticket gemacht wird. Aber das ist ein hausgemachtes Problem, längst haben sie sich aus der bürgernahen Energiewende verabschiedet. Die Quittung kam am Sonntag im Saarland, dort flogen die Grünen kurzerhand aus dem Landtag.
Netzentgelte neu definieren!
Für die Stromversorgung und den Stromhandel sind die Trassen eher hinderlich als nützlich. Längere und dickere Kupferkabel sind die falsche Strategie in einem Energiemarkt, der sich zunehmend dezentralisiert, wo Niederspannung und Mittelspannung an Bedeutung gewinnen. Auf diese Weise werden die Großkraftwerke auf See mit aller Macht in den Markt gepresst, der dafür überhaupt keinen Bedarf signalisiert.
Rainer Baake und Konsorten klammern sich an das veraltete Versorgungsmodell großer Kraftwerkseinheiten und dicker Hochspannungskabel. Doch nicht der Dinosaurier macht das Rennen, sondern die kleine, intelligente Spezies, die sich überall entfalten kann.
Wie wäre es damit, die richtigen Anreize zu setzen? So könnte man beispielsweise die Netzentgelte für die Stromverbraucher individualisieren. Leicht lässt sich der Strombezug per GPS (räumliche Entfernung von Verbraucher und Erzeuger) und den genutzten Netzebenen (Niederspannung, Mittelspannung, Hochspannung, Höchstspannung) definieren – und somit einpreisen. Dann würde der Umbau der Netze durch den Markt erledigt: echte Geschäftsmodelle statt Subventionen. Obendrein kostet es den Steuerzahler keinen Cent.
Staatlich sanktionierte Verschwendung
Auf diese Weise würde belohnt, wenn die Distanz zum Generator möglichst gering ist. Dann wäre auf einen Schlag klar, dass die geplanten Stromtrassen Unfug sind. Daran festzuhalten, ist staatlich sanktionierte Verschwendung von Steuergeldern.
Wir empfehlen daher, die geplanten Stromtrassen nicht nur unterirdisch zu verlegen. Sondern diese Idee gänzlich zu begraben. Der Markt ist schlauer als die Politik, die Menschen sind es auch. Wir werden es erleben: Eben weil sie versorgungstechnisch und netztechnisch viel zu teuer sind, haben die Offshore-Windparks vor der Küste keine Zukunft.
Ruhe sanft. Perspektivisch gibt es nur noch ein Geschäftsmodell: sauberer Strom aus der Region, Sonne und Wind aus der Nachbarschaft. Dunkelflauten werden durch flink regelbare Gasturbinen überbrückt, die Erdgas oder Wasserstoff verbrennen. Und die Hochspannungstrassen werden aus der Welt verschwinden. Viel zu teuer, viel zu behäbig und eigentlich heute schon nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben.