Der Projektierer Belectric aus Kolitzheim hat Ende November am Solarkraftwerk in Alt Daber einen Stromspeicher angeschlossen. Alt Daber befindet sich im Bundesland Brandenburg, unmittelbar bei Wittstock/Dosse. Schon 2012 waren dort rund 70 Megawatt Solarleistung aufgebaut worden, auf einem früheren Aerodrom der Roten Armee. Nun steigt die Anlage auch in den Regelenergiemarkt ein.
Der Solarpark in Alt Daber hat eine Besonderheit: Er speist mit Hochspannung ins Netz ein. Also wird auch die Großbatterie mit Hochspannung handeln. Damit bietet sie ähnliche Funktionen wie Großkraftwerke, gemeinhin als Must-Run-Units bezeichnet. Das bedeutet, sie sind sicherheitsrelevant und müssen bei größeren Störungen im Stromnetz sofort einspringen. Die Vermarktung erfolgt über Vattenfall, den Platzhirsch im Osten Deutschlands, speziell über dessen Netztochter 50 Hertz.
Vorbild für Standardsysteme
Der Blei-Säure-Speicher mit einer Kapazität von zwei Megawattstunden und zwei Megawatt Leistung ist ein Prototyp. Nach seinem Vorbild könnten Batteriecontainer für den Einsatz in erneuerbaren und konventionellen Kraftwerken gefertigt werden, etwa Gaskraftwerke, Windparks oder Solaranlagen.
Der Speicher besteht aus zwei schlüsselfertigen Containern, die über einen Transformator ans Netz angeschlossen werden. Jeder Container wiegt 36 Tonnen, seine Bruttokapazität erreicht 948 Kilowattstunden. Er ist für 3.000 Vollzyklen ausgelegt und kann eine halbe Stunde lang 800 Kilowatt Leistung aufbringen. Die Container und die Batteriezellen werden vollautomatisch auf die Temperaturen und die Betriebsdaten überwacht.
Möglich wurde der Gigant durch einen Zuschuss des Landes Brandenburg. „Wir haben 30 Prozent von der Regierung in Potsdam bekommen“, sagt Bernhard Beck von Belectric. „Denn noch sind die Speicher nicht so günstig, dass sie sich von selbst rechnen.“ Fünf Jahre lang hat Belectric an der Energy Buffer Unit (EBU) geforscht.
Batterien lösen Großkraftwerke ab
Jetzt können die Franken neben ihren standardisierten Kraftwerksblöcken von je drei Megawatt (DC) auch Standardcontainer mit Steuerungselektronik und Sicherheitstechnik für die Stromspeicherung anbieten. „Das Solarkraftwerk läuft fortan in beide Richtungen“, erläutert Bernhard Beck. „Es speist Solarstrom in das Hochspannungsnetz ein, kann aber auch Spannungsspitzen aufnehmen, also Strom aus dem Netz beziehen und speichern.“
Der Speicher läuft autonom, er refinanziert sich über Erlöse im Markt für Primärregelleistung. Innerhalb einer Netzschwingung, sprich: 20 Millisekunden, kann die Batterie volle Leistung abgeben oder schlucken. „Das ist viel wirtschaftlicher, als beispielsweise die Solarleistung abzuregeln“, sagt Beck. „Und es geht schneller als Pumpspeicherkraftwerke oder Regelreserven von thermischen Großkraftwerken.“
Bisher laufen beispielsweise Kraftwerke mit Kohle oder Uran mit unwirtschaftlicher Teilleistung, damit sie für den Regelleistungsmarkt qualifiziert sind.
Fordert das Netz zusätzliche Generatorleistung an, wird die Leistung aus den laufenden Kraftwerken durch mehr Brennstoff (Kohle) oder die Regelung der Brennstäbe in den Reaktoren erhöht. Innerhalb von 30 Sekunden muss die angebotene Regelleistung (Primärregelung) zur Verfügung stehen.
Pumpspeicher als Auslaufmodell
Insgesamt stehen in Deutschland rund sieben Gigawatt in der Primärreserve aus Pumpspeicherkraftwerken bereit. Das entspricht 42 Gigawattstunden, weil diese Anlagen auf sechs Stunden unter voller Leistungsabgabe ausgelegt sind. „Solche Reservoire sind sehr aufwendig“, sagt Carsten Enneper, Abteilungsleiter für Energiepolitik im Potsdamer Wirtschaftsministerium. „Deshalb haben wir acht Millionen Euro bereitgestellt, um Batteriespeicher zu fördern.“
In Alt Daber blätterte Potsdam 376.000 Euro auf den Tisch. Zwei Großspeicher in Neuhardenberg und Feldheim gehen 2015 ans Netz. Das Land Brandenburg unterstützt zudem die Forschungen zu Gasspeichern (Power to Gas).
Für Alfred Hoffmann von Vattenfall steht eine Renaissance der Bleibatterien auch bei großen Speichern für industrielle und Netzanwendungen bevor. „Der neue Bleispeicher von Belectric nutzt Erfahrungen aus einem Speicher in Westberlin“, erinnert er sich. „Er wirkte als Puffer im Inselnetz, wurde aber nach der Wende und der Integration der Stadt in die deutschen Flächennetze überflüssig.“ Vattenfall betreibt in Ostdeutschland rund drei Gigawatt Regelleistung aus Pumpspeichern, in Skandinavien rund neun Gigawatt.
Das Ding rechnet sich
Der Großspeicher in Alt Daber ist nicht nur technisch interessant, sondern vor allem betriebswirtschaftlich. „Das Ding rechnet sich“, sagt Tim Müller von der Firma Adensis in Dresden. „Wir haben ein Geschäftsmodell, das ist ein Novum.“ Adensis hat den Speicher konzipiert, gefertigt wurde er von Belectric in Franken. Tim Müller erwartet bei den kommerziellen Großspeichern eine Kostendegression „wie in der Photovoltaik.“
Um den Bleigiganten zu konstruieren, wurde sogar der frühere Chefingenieur des Westberliner Bewag-Speichers aus dem Ruhestand geholt. Zwischen 1986 und 1994 hatte der Energieversorger Bewag das Inselnetz von Westberlin mit seiner Hilfe gestützt und gesteuert.
Insgesamt 2,5 Gigawatt Kraftwerkskapazität in den Westsektoren wurden mit 17 Megawatt Regelleistung aus dem Bleispeicher in Steglitz geregelt. Rund 20 Minuten konnte der Speicher volle Leistung abgeben oder aufnehmen. Die Batterie bestand aus 7.080 Bleiakkumulatoren in zwölf parallelen Strängen zu je 590 Zellen.
Steuerung des Stromnetzes
Dreistufige Regelkaskade
Das deutsche Stromnetz wird in drei Stufen stabilisiert. Die sogenannte Primärregelung bezeichnet Kraftwerksreserven, die bei Ausfall eines Kraftwerks oder einer Hochspannungstrasse innerhalb von 30 Sekunden einspringen. Das erledigen Kraftwerke mit Dampfturbinen, indem sie die Leistungsabgabe hochfahren. Allerdings müssen sie dafür auf Stand-by laufen. Kohlekraftwerke müssen mindestens mit 40 Prozent fahren, um an der Primärregelung teilnehmen zu können, Atomkraftwerke mit mindestens 60 Prozent. Das bedeutet, sie laufen die meiste Zeit in ungünstiger Unterlast. Pumpspeicherkraftwerke werden in der Regel als reine Reserveleistung vorgehalten. Erst wenn das Netz Energie abfordert, öffnen sie ihre Staumauern. Unter Sekundärregelung versteht man den dauerhaften Ersatz ausgefallener Kraftwerke. Das können Pumpspeicherwerke sein. Allerdings ist das Wasser aus dem Obersee nach sechs Stunden vollständig durch die Turbinen gelaufen. Nun braucht es Strom, um das Wasser erneut ins höher gelegene Reservoir zu pumpen. Gaskraftwerke brauchen ungefähr eine Viertelstunde, um den Kaltstart auszuführen und ihre Turbinen hochzufahren. Danach können sie als stützende Zusatzerzeuger am Netz bleiben und dienen als Tertiärreserve.