Wir schreiben das Jahr 1992. In der Kleinstadt Schwäbisch Hall hat sich ein umweltbewusster Fernmelde-Ingenieur entschlossen, in zukunftsorientierte Energietechnik zu investieren. Ein Draufzahlgeschäft für Werner Schweinzer, trotz des 70-Prozent-Zuschusses, den im Rahmen des 1.000-Dächer-Förderprogramms für Solarstromversorgungen Bund und Land gemeinsam an den Ingenieur überweisen. Denn die Familie muss immer noch knapp 6.000 der 20.000 Euro teuren, 1,8 Kilowatt leistenden Anlage selbst bezahlen: Bei 17 Pfennig – etwa neun Cent – Einspeisevergütung wird ein klarer Verlust erwartet. Deshalb – wer erinnert sich noch? – fließt der Solarstrom zuerst ins Hausnetz, um den teureren Strom des örtlichen Versorgers zu ersetzen. Nur der Überschuss wird ins öffentliche Netz abgegeben.
Zeitsprung ins Jahr 2008: Würden die Schweinzers heute eine gleich große Photovoltaikanlage kaufen, müssten sie auch ohne Zuschuss lediglich knapp 8.000 Euro aufwenden, also etwa 60 Prozent weniger als 1992. Zudem würden sie auf höhere Erträge setzen können: Während ihr in den 1990er Jahren errichtetes System 717 Kilowattstunden pro Kilowatt im Jahr produziert, liefert ein 2007 nur wenige Meter entfernt montiertes Vergleichssystem bereits 1.000 Kilowattstunden Jahresertrag pro Kilowatt: ein stolzes Plus von 39 Prozent.
Doch über die Jahre hat die Familie erlebt, wie ihre Investition in die Umwelt immer stärker beachtet und auch vergütet wurde. So führten die Stadtwerke Schwäbisch Hall, der örtliche Energieversorger, Mitte der 1990er Jahre frühzeitig die so genannte „kostendeckende Einspeisevergütung“ ein. Von einem Tag auf den anderen bekamen die Schweinzers nicht mehr 17, sondern 200 Pfennig für jede Kilowattstunde bezahlt. Und nun durften sie sogar den gesamten Solarstrom ins Stadtwerkenetz einspeisen. Plötzlich und unerwartet rentierte sich ihre ökologische Investition.
Die nächste Veränderung kam mit dem 1. April 2000: Da trat das bundesdeutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG in Kraft, und die Vergütung sank auch für die Schweinzers wieder, etwa auf die Hälfte. Ab sofort wurden einheitlich 99 Pfennig pro Kilowattstunde bezahlt, gut 52 Eurocent sind es seit 2003.
Je oller, je doller
Was weder Schweinzer noch später kommende Solarstromversorger aus Hall erwartet hätten, zeigt eine weitere Statistik des Pioniers: Während alle Welt über Degradation von Solarmodulen redet, also eine Ertragsminderung über die Lebensdauer, produzieren seine wie andere Haller PV-Anlagen über die Jahre sogar immer mehr Kilowattstunden pro Kilowatt. Für Werner Schweinzer ist an diesem Aufwärtstrend die Klimaveränderung schuld, eine andere Erklärung für diesen Effekt hat er nicht.
Einen klaren Aufwärtstrend hat auch der Installateur der Jubiläumsanlage aufzuweisen: „Auf dem Montagebild des Jahres 1992 sind 100 Prozent der Belegschaft von Novatech aus Wolpertshausen zu sehen“, sagt Schweinzer. Heute habe das Unternehmen bereits über 100 Mitarbeiter, die sogar im Ausland Solarstrom- oder BioFoto: gasanlagen errichten. Immer noch baut Novatech meist auf Module von BP Solar, auch wenn der Hersteller bis 1999 noch Solarex hieß. Doch auch BP heißt heute nicht mehr British Petrol, sondern Beyond Petrol und setzt folgerichtig auf immer mehr Sonnenenergie.
Auch die Stadtwerke Schwäbisch Hall bauen auf die Kraft der Sonne, und zwar im gesamten Regenerativ-Mix: Geschäftsführer Johannes van Bergen hat in den letzten beiden Jahrzehnten aus dem unscheinbaren kommunalen Energieversorger einen deutschlandweit tätigen Konzern gemacht. Anfangs lächelte die Konkurrenz über van Bergens Idee, mit erneuerbaren Energien Gewinne zu erwirtschaften. Heute gehen selbst Vorstände von Energieriesen mit dem Stadtwerke-Direktor freundlich um. Schweinzer sei der Erste gewesen, der eine PV-Anlage ans Haller Netz brachte. Heute speisten über 450 Solarstromanlagen ein und Hall liege „mit 75 Kilowattstunden pro Kopf und Jahr dreimal so hoch wie der bundesdeutsche Solarstrom-Schnitt“, erläutert van Bergen.
Zu der stolzen Bilanz der Stadt trägt weiterhin die PV-Anlage der Schweinzers bei. Warum die seit über 15 Jahren ohne Störungen läuft, kann ihr Besitzer nicht sagen. Vielleicht liege es am Wechselrichter, vermutet er: Das sei damals noch robuste Einzelfertigung gewesen, und nicht ein Serienprodukt wie heute. Und so macht bei der Feierstunde wieder der Running Gag die Runde: „Warum heißt ein Wechselrichter Wechselrichter?“ Na, weil er ausgewechselt werden muss.