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Warschau will es regional

In Polen knirscht es an allen Ecken und Enden, wenn es um das Thema Energie und Luftverschmutzung geht. Schon seit Jahren dümpelt die Energiewende vor sich hin. Viele Jahre hat Warschau den Ausbau von Ökostromanlagen massiv gebremst.

Doch jetzt muss die Regierung endlich daran gehen, die Vorgaben der Europäischen Union abzuarbeiten. Bis 2020 sollen immerhin 15 Prozent des polnischen Energieverbrauchs aus erneuerbaren Energien kommen. Von diesem Ziel ist man aber weit entfernt.

Kohle verschlingt Fördermittel

Denn Warschau hat ein strukturelles Problem. Polen sitzt auf einem riesigen Park aus Kraftwerken, die zum großen Teil mit einheimischer Kohle befeuert werden. Daran hängen viele Arbeitsplätze und Wählerstimmen.

Doch inzwischen zeichnet sich ab, dass die Kohleförderung und -verstromung kaum noch rentabel ist und üppig subventioniert werden muss. Die Fördermittel wiederum sind begrenzt, und alles, was in den Erhalt der Kohlewirtschaft fließt, fehlt beim Ausbau der Erneuerbaren.

Erzeugung und Verbrauch abstimmen

Jetzt hat sich Warschau entschlossen, die raren Fördermittel zu kanalisieren und die Kommunen bei der Energiewende zu stärken. Dazu hat die Regierung sogenannte Energicluster ausgeschrieben. „Das sind Kommunen, Regionen und Städte, die sich über zivilrechtliche Verträge zwischen Privatpersonen, Unternehmen, der Verwaltung und wissenschaftlichen Einrichtungen mit der Erzeugung, Verteilung, dem Vertrieb und der Bilanzierung von Strom und Wärme beschäftigen“, erklärt Barbara Adamska.

Die Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens ADM Poland mit Sitz in Warschau hat sich schon seit Jahren auf den Bereich der erneuerbaren Energien in ihrem Heimatland spezialisiert. Sie hat zudem vier Bewerber erfolgreich für das Zertifikat eines Energieclusters bei der Ausarbeitung einer umfassenden Strategie zur Energiewende beraten.

Alle diese vier Cluster wurden inzwischen zertifiziert. „Mit den Energieclustern will die Regierung eine Form finden, bei der sie sicherstellen kann, dass die Anlagen der erneuerbaren Energien dort entstehen, wo auch Bedarf ist“, beschreibt sie den Kern der Idee. „Deshalb legt sie bei der Bewertung unter anderem einen Schwerpunkt auf den Ausgleich von Energieerzeugung und Nachfrage.“

Regionale Energiewende fördern

Konkret geht es darum, dass die Kommunen die erneuerbaren Energien innerhalb von maximal zehn Jahren so ausbauen, dass sie den Stromverbrauch vor Ort abdecken können. Gleichzeitig soll möglichst wenig Energie im Cluster übrig bleiben. Damit will sich Warschau nicht nur einen üppigen Ausbau der teilweise schwächlichen Netze sparen. Vielmehr geht es hier um Versorgungssicherheit und niedrige Energiepreise für eine emissionsarme Wirtschaft. Über diese Organisationsplattform, auf der alle relevanten Akteure miteinander kooperieren, soll außerdem das Bewusstsein der lokalen Bevölkerung für die erneuerbaren Energien und die Energiewende gestärkt werden.

Für die Bewerbung um ein Zertifikat mussten die Kommunen einen umfangreichen Plan ausarbeiten, wie die Energieversorung dort in zehn Jahren aussehen soll. Dabei geht es nicht nur um die Stromversorgung. „In vielen Energieclustern ist die Wärmeversorgung eines der zentralen Probleme, das angegangen werden muss“, weiß Barbara Adamska. „In vielen kleineren Städten und vor allem in ländlichen Gebieten existieren kaum Wärmenetze, und die haben ein riesiges Problem mit Smog und Luftverschmutzung.“

Eine Million Elektroautos bis 2025

Die meisten polnischen Haushalte heizen mit alten Kohlekesseln, in denen neben billiger Kohle alles verfeuert wird, was brennt. Denn viele können sich hochwertige Kohle nicht leisten, was das Smogproblem weiter anheizt.

Eine dritte Säule, die im Konzept der Energiecluster eine zentrale Rolle spielt, ist die Elektromobilität. „Polen hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2025 eine Million Elektroautos auf die Straße zu bringen“, sagt Barbara Adamska. „Zusätzlich gibt es Pläne, die öffentlichen Verkehrsmittel zu elektrifizieren. Da werden enorme Mittel zur Umsetzung eingeplant.“ Diese Mittel werden nun vorrangig an die zertifizierten Energiecluster vergeben.

Konzepte bewertet

Das gilt auch für die Fördergelder zum Ausbau der erneuerbaren Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung. „Wir haben in Polen dafür zwei Landesprogramme, deren Mittel an Projekte vergeben werden, die hauptsächlich im Rahmen eines Energieclusters entstehen“, beschreibt Adamska den Vorteil, der den Aufwand einer Bewerbung um eines der Zertifikate rechtfertigt.

Da es bisher keine Energiecluster gab, mussten die Planer von Projekten, die sich um diese Fördermittel bewarben, eine umfangreiche Beschreibung erstellen, die teilweise mehr als 100 Seiten lang war. Das fällt jetzt weg, wenn die Projekte in einem zertifizierten Energiecluster entstehen. Denn dann kann Warschau davon ausgehen, dass sie dort gebaut werden, wo man sie auch braucht. Vor allem werden dann nicht nur reine Renditeobjekte errichtet, sondern Projekte für eine regionale Energiewende.

Den Aufwand, ein umfangreiches Konzept auszuarbeiten, haben in der ersten Zertifizierungsrunde immerhin 115 Bewerber auf sich genommen. Nur etwa die Hälfte von ihnen kam durch die formelle Vorprüfung. Am Ende wurden 33 Energiecluster zertifiziert. Sie können sich jetzt mit den Vorteilen dieses Zertifikats um die raren Fördermittel aus Warschau bewerben. Barbara Adamska geht davon aus, dass es noch in diesem Jahr eine zweite Zertifizierungsrunde geben wird.

Einige Fragen bleiben offen

Doch bisher sind noch einige Fragen ungeklärt. So weiß niemand, welche Kosten die Cluster tragen, wenn sie die Erzeugung und den Verbrauch doch nicht aufeinander abstimmen können. Auf der anderen Seite nehmen sie den Netzbetreibern einige Probleme ab.

Schließlich sitzen hier alle relevanten Akteure an einem Tisch. „Der Netzbetreiber hat mit dem Cluster einen Ansprechpartner, wenn es um die lokale Energieversorgung geht“, sagt Barbara Adamska. „Im Energiecluster ist bekannt, wenn ein Unternehmen die Ausweitung der Produktion plant und dann mehr Energie oder eine höhere Anschlussleistung braucht.“

Netzbetreiber unterstützen

Derzeit erfährt das der Netzbetreiber erst dann, wenn die höhere Anschlussleistung beantragt wird. Er muss sie dann schnellstmöglich bereitstellen. Die Energiecluster können dem Netzbetreiber helfen, Investitions- und Ausbaupläne zu erstellen, damit die Unternehmen rechtzeitig die geforderte Anschlussleistung bekommen. Das sollte mit einem speziellen Tarif für die Netzkosten innerhalb der Cluster belohnt werden, fordert Adamska.

Zudem sinken dann auch die Kosten für die Regelenergie, die in Polen bisher zentral bereitgestellt wird. Dafür müssen die Betreiber der großen Kraftwerke ständig fünf Prozent der Leistung ihrer Anlagen vorhalten, was völlig unwirtschaftlich ist. „Eine solche zentrale Regelung ergibt mit Blick auf die Energiecluster keinen Sinn mehr“, sagt Adamska. Schließlich sind diese auf einen regionalen Ausgleich angelegt.

Um das zu unterstützen, schlägt Adamska eine dezentrale Lösung vor. Alle Kraftwerke und auch Speicher sollen Regelenergie am Markt anbieten. Dafür muss Warschau aber erst einmal die Rahmenbedingungen schaffen.

www.admpoland.eu

Zubau in Polen

Langsam kommt Bewegung in den Markt

Polen landet bisher, was den Ausbau der erneuerbaren Energien angeht, in Europa auf den hintersten Plätzen. Doch ist die installierte Photovoltaikleistung im vergangenen Jahr von 100 auf 240 Megawatt angestiegen. Der größte Anteil der neu errichteten Anlagen sind dabei sogenannte Mikro- und Miniinstallationen mit einer Leistung von bis zu 40 Kilowatt, die über das polnische EEG gefördert werden. Etwa 20.000 dieser Generatoren sind am Netz.

Dazu kommen noch die ersten Solarparks, die einen Stromliefervertrag in den ersten beiden Ausschreibungen gewonnen haben. Diese fanden im Dezember 2016 und im Juni 2017 statt. Die ersten Anlagen sind bereits errichtet. In diesem Jahr müssen auch die restlichen Solarparks fertig werden, die in der ersten Ausschreibung bezuschlagt wurden. Denn die Errichtungsfrist läuft nach zwei Jahren ab. Das Institut für erneuerbare Energien (Instytut Energetyki Odnawialnej – IEO) rechnet deshalb allein in diesem Segment von einem Zubau von mindestens 50 Megawatt. Im kommenden Jahr sollte die Installation von Solarparkleistung dann um ein Vielfaches höher liegen.

Dazu kommen die Förderprogramme auf der Ebene der Wojewodschaften. Die Unterstützung ist auch notwendig. Denn der Bau von Eigenverbrauchsanlagen lohnt sich vor allem für Haushalte bei den niedrigen Energiepreisen kaum. Dafür sind die Preise für die Anlage inklusive Installation noch zu hoch.

Der Eigenverbrauch wird hingegen für kleine und mittlere Unternehmen zunehmend interessant. Denn für sie steigen die Energiepreise im Vergleich zu den Privathaushalten und den Großunternehmen am schnellsten. „Diese Unternehmen schauen jetzt nach Fördermitteln und sie sind an der Installation einer Photovoltaikanlage sehr stark interessiert“, weiß Barbara Adamska, Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens ADM Poland. „Sie wollen aber vor allem auch die vertragliche Anschlussleistung reduzieren, was mit einer Solaranlage nur bedingt möglich ist.“