„Wir brauchen einen Eisbrecher“, sagt Oliver Albrecht. Der Finanzvorstand des Anlagenbauers Centrotherm weiß, wovon er spricht, schließlich war sein Unternehmen erst Ende 2008 in dieser Funktion unterwegs: Als Centrotherm im November an der Frankfurter Börse eine Kapitalerhöhung durchzog, herrschte Eiszeit auf dem Parkett. Und das seit Juni 2008, als SMA Solar an die Börse ging. Seither hielten sich Unternehmen mit Börsenplänen zurück oder sagten wie Schott Solar den IPO (Initial Public Offering) kurzfristig ab, da wegen der Finanzkrise keine hohen Preise durchsetzbar waren.
Für einen Hoffnungsschimmer auf dem IPO-Markt sorgten zwar im April Pläne des US-amerikanischen Biotech-Unternehmens HepaHope, sich im schwach regulierten Frankfurter Entry Standard notieren zu lassen.
Als Eisbrecher taugt das Unternehmen Analysten zufolge allerdings kaum – zum einen steckt es tief in den roten Zahlen, zum anderen scheuen Investoren das Risiko und machen um Aktien kleiner und unbekannter Unternehmen einen großen Bogen. „Um den IPO-Markt zu beleben, müssen andere Kaliber her“, sagt Norbert Empting vom Düsseldorfer Börsenmakler Schnigge.
Unruhige Börsengewässer
Die aber sind in der aktuellen Börsenlandschaft mit ihren vielen Höhen und vor allem Tiefen nirgendwo zu sehen. „Diese hohe Volatilität ist ein wahrer IPO-Killer“, sagt Alexander von Preysing von der Deutsche Börse AG. Um einen Börsengang solide vorzubereiten, brauche ein Unternehmen vier bis sechs Monate – „aber der Ausgang ist viel zu ungewiss, wenn die Märkte so unberechenbar sind.“ Diese Unberechenbarkeit schrecke auch die Investoren. „Das fehlende Vertrauen ist das größte Problem.“ Unternehmen, die noch abwarten wollen, rät von Preysing, die Zeit so gut wie möglich zu nutzen. „Bereiten Sie das Unternehmen intensiv auf den Moment vor, in dem der IPO-Markt sich wieder öffnet.“
Gute Vorbereitung ist aus Sicht von Oliver Albrecht auch der Grund, warum die Kapitalerhöhung von Centrotherm trotz des schlechten Umfeldes so positiv verlief: Das Unternehmen, dessen IPO 2007 rund 138 Millionen Euro brachte, konnte im vergangenen November bei der Integration seiner Tochter Centrotherm Thermal Solutions weitere 18,8 Millionen Euro an der Börse erlösen. „Im Vorfeld gab es viele Unsicherheiten und Gerüchte, Medien und Analysten waren skeptisch. Aber wir haben uns nicht versteckt, sondern unsere Positionen und Ziele offensiv kommuniziert“ – Geschäftsmodell, Marktposition, Know-how, Profitabilität.
„Am Ende des Tages ist nicht die Finanzkrise entscheidend, sondern die Firma“, bestätigt Willi Mannheims. Er ist Partner der Gesellschaft Ventizz Capital, die überwiegend im deutschsprachigen Raum Eigenkapital für Wachstum bei High-Tech-Unternehmen zur Verfügung stellt. Er rechnet damit, dass das IPO-Fenster noch ein bis zwei Jahre geschlossen bleibt. „Aber denken Sie an Olympia: Die Sportler sitzen zwischen den Spielen auch nicht herum, sondern trainieren.“ Ohnehin: Ein Unternehmen, das sich im Wettbewerb gut behaupte, bekomme auch Kapital – nicht unbedingt von Bank oder Börse, aber aus anderen Quellen. „2008, während sich das IPO-Fenster schloss, floss deutlich mehr außerbörsliches Beteiligungskapital.“
Auch Risikokapital stagniert
Das zeigt auch eine gemeinsame Erhebung der Beratungshäuser Cleantech Group und Deloitte. Demnach wurden 2008 in Nordamerika, Europa, Israel, Indien und China insgesamt 8,4 Milliarden Dollar Risikokapital in aufstrebende Unternehmen im Bereich der sogenannten sauberen Technologien investiert – 38 Prozent mehr als 2007. 3,3 Milliarden Dollar, also rund 40 Prozent der Summe, flossen in den Solar-Sektor. Im ersten Quartal 2009 gingen die gesamten Investitionen zwar zurück: Eine Milliarde Dollar, 41 Prozent weniger als im letzten Quartal 2008, steckten die Investoren in insgesamt 82 Firmen. Aber immerhin blieben Solar-Investments mit 346 Millionen Dollar weiterhin das wichtigste Segment.
Der Grund für den Rückgang der Investitionen liegt ohnehin nicht in der Cleantech-Branche. Denn auch die Private-Equity-Firmen spüren die Finanzkrise: Wo Portfolio-Unternehmen in Schieflage geraten, bekommen unter Umständen auch die Investoren Schwierigkeiten – und derzeit kann kaum ein Haus noch Wertsteigerungen für seine Unternehmensbeteiligungen ausweisen.
Die Finanzkrise könnte auch die Finanzierung junger Unternehmen durch Business Angel gefährden. Business Angels sind geschäftserfahrene Privatpersonen, die junge Unternehmen in der Frühphase mit Kapital, aber auch mit Wissen und Verbindungen unterstützen. In Deutschland werden nach einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschatsforschung (ZEW) 82 Prozent aller Hightech-Gründungen, so weit sie eine Eigenkapitalfinanzierung durch Dritte erhalten, durch Business Angels finanziell angeschoben – die aber streuen ihr Vermögen und sind daher auch von den Einbrüchen des Aktien- und des Immobilienmarktes betroffen. Und die Steuererleichterung für die Finanzierung junger Unternehmen durch Business Angels, vom Bundestag im Juni 2008 beschlossen, hat die EU-Kommission zunächst verhindert: Die zuständige Kommissarin Neelie Kroes ließ mitteilen, es gebe Bedenken, weil die Regelung bestimmte Unternehmen selektiv zu begünstigen scheine. Andererseits aber ist der Kommission bewusst, dass junge Unternehmen Wagniskapital brauchen – ein Dilemma. Frühestens Ende 2009 wird eine endgültige Entscheidung der EU dazu erwartet.
„Grundsätzlich sind Business Angels sehr an grüner Energie interessiert“, sagt Claire Munck vom European Business Angel Network (EBAN). Es gebe spezialisierte Fonds und spezialisierte Netzwerke – und damit gute Chancen für die Photovoltaik, wenn die Politik verlässliche Rahmenbedingungen schaffe. Auch Thomas Deser von der Union Investment Privatfonds GmbH erwartet, dass Investitionen in der Zeit nach der aktuellen Krise deutlich grüner ausfallen werden. „Der Investment-Horizont wird sehr viel ökologischer sein.“ Außerdem rechnet er damit, dass angesichts der Preisentwicklung bald eine Welle interessanter Projekte kommt – und damit wieder Wachstumschancen für die Unternehmen.
Diese Chancen würden auch das Börsenklima positiv beeinflussen. „Die IPO-Pipeline ist voll“, sagt Martin Steinbach von der Deutsche Börse AG. Sein Haus unterstützt im Moment an die Börse strebende Unternehmen dabei, das notwendige Kapital für die Zwischenfinanzierung zu bekommen, bis das IPO-Fenster sich wieder öffnet. „Auch eine Eiszeit ist irgendwann vorbei.“