Gut getarnt hinter dem verrottenden Eingangstor des 1991 stillgelegten VEB Schweinezucht- und Mastanstalt Haßleben baut Colexon Energy die weltgrößte Aufdachanlage auf einer Fläche von rund 95.000 Quadratmetern. Unterm Dach will der niederländische Fleischproduzent Harry van Gennip wieder die größte Schweinemast Deutschlands aufziehen, kombiniert mit einer Biogasanlage – eine heikle Sache in unmittelbarer Nähe zu zwei großen Naturschutzgebieten. Die Bürgerinitiativen „Kontra Industrieschwein Haßleben“ und „Pro-Schwein für Arbeitsplätze und sozialen Ausgleich“ kämpfen noch um die Zukunft der Gebäude und der 600-Seelen-Siedlung Haßleben. Unter den Gegnern ist auch Horst Kasner, der Vater von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Mit der Solaranlage gibt es solche Probleme nicht.
Beim ersten Mal kam er nicht hoch, der Hubschrauber vom Typ McDonnell- Douglas 600 N, der in zwei Tagen 200 Paletten mit je 50 Solarmodulen aufs Dach fliegen sollte – pro Palette fast 800 Kilo. Der Auftraggeber hatte bei der Angabe der Last vergessen, das Gewicht der Paletten mitzurechnen. Pilot Knut Wagner, Inhaber des Unternehmens Sky Heli, warf kurzerhand Ballast ab, enttankte, nahm die Beifahrersitze raus. Danach lief alles wie am Schnürchen. Wagner kreiste im Zwei-Minuten-Takt zwischen Modullager und Dach.
„Das ist besser als wir dachten“ – Christoph Knapp, Chef der Firma Sonnenkraft Knapp + Laschinger, ist begeistert von der Anlieferung per Helikopter.
Der zweitägige Hubschraubereinsatz kostet laut Sky Heli 16.000 Euro brutto und ist damit billiger und effizienter als ein Kran, der immer wieder umgestellt werden muss. Jürgen Baum, Projektleiter bei Colexon, hat vor allem die Zeitersparnis im Blick: „Mit dem Hubschrauber“, sagt er, „können die Module am einfachsten und schnellsten auf die riesige Dachfläche transportiert werden.“ Um die Dachanlage möglichst schnell fertigzustellen, hat die Projektiergesellschaft Colexon zwei Unternehmen mit der Montage der Solarpanels beauftragt, so dass 40 Mann gleichzeitig auf dem Dach arbeiten können: Sonnenkraft aus Dorsten in Nordrhein-Westfalen und die Solar Gruppe Nord S.G.N. GmbH aus Admannshagen, Mecklenburg-Vorpommern. Die Verkabelung übernimmt die Firma Elektro-Service Lothar Haupt aus Audenhain in Sachsen.
64.000 Module von First Solar
Insgesamt 64.000 Dünnschichtmodule von First Solar mit einer Gesamtleistung von 4,64 Megawatt sollen bis Ende des Jahres installiert werden, genug, um jährlich 4,37 Millionen Kilowatt Solarstrom zu erzeugen. Die First-Solar-Module, erklärt Colexon-Bauleiter Jens Dähmlow, sind ideal für ein großflächiges Solarkraftwerk. Befestigt werden die Module auf Schienen von Schüco mit Solarbefestigern von EJOT – „ein sehr robustes Gerüst“, erklärt der zweite Bauleiter Axel Kujus. Die Module, die mit vier Wechselrichterstationen aus dem Hause SMA verbunden werden, sind alle im Zehn-Grad-Winkel installiert – ein sanftwelliges Meer aus Solarpanels, das eine Sonnenstrahlung von durchschnittlich 1.000 Kilowattstunden pro Quadratmeter aufnehmen wird. Ende August ging nach drei Monaten Bauzeit der erste von vier Bauabschnitten in Betrieb. Insgesamt gibt es sechs Dächer, alle aus stabilem Aluminium-Trapezblech, doch nur drei davon werden bebaut. In der Mitte will der Investor, die Biogasanlage Haßleben GmbH, später Lüftungsschächte aufbauen, nördlich davon können wegen der Verschattung keine Module installiert werden. Doch es bleibt noch genug Platz, um das Solarkraftwerk zu erweitern. Fürs Erste investiert der Schweinezüchter van Gennip 17,5 Millionen Euro in das Solardach.
Überschaubares Projekt
Während das Sonnenkraft-Team die per Hubschrauber angeflogenen Module auf dem Süddach montiert, installieren die Handwerker der Solar Gruppe Nord auf dem Norddach ein Modul nach dem anderen zu lauter Diskomusik. Die meisten Mitarbeiter kommen aus Rostock, einige sind selbständig und arbeiten in einem längeren Turnus mit verlängertem Wochenende. Wenn es regnet, müssen sie Pause machen, dann wird es auf dem Aluminiumdach glitschig.
„Wir sind gut im Plan“, erklärt Bauleiter Jens Dähmlow. Sein Kollege Axel Kujus, der noch nicht so lange im Solargeschäft ist, zeigt sich beeindruckt von der Überschaubarkeit des Projekts. Als Industriebauelektriker ist er wesentlich vertracktere und ständig wechselnde Situationen gewohnt. „Diese Anlage hier“, staunt er, „wird 20 Jahre lang gleich bleiben.“