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Wer bezahlt den anschluss?

So geht es manchem Investor, der gerne einen persönlichen Beitrag zur Energiewende leisten möchte. Die Argumente des Netzbetreibers können vielfältig sein: Mal wird vorgetragen, der wirtschaftlich günstigste Netzverknüpfungspunkt sei weiter entfernt, als es der Anlagenbetreiber gerne hätte. Die Kosten der Leitung zu diesem Punkt müsse der Anlagenbetreiber aufbringen. Ein anderes Mal beruft sich der Netzbetreiber darauf, dass der Ausbau des Netzes für ihn wirtschaftlich nicht zumutbar sei. Nicht selten verweigert der Netzbetreiber die Kostenübernahme, weil die notwendigen Maßnahmen nicht der Kapazitätserweiterung des Netzes, sondern dem Anschluss der Photovoltaikanlage ans Stromnetz zuzurechnen seien. Und für solche Maßnahmen müsse der Anlagenbetreiber ins Portemonnaie greifen.

Risiko für die Wirtschaftlichkeit

Kosten für Stromleitungen oder Trafostationen sind oft vom Solarinvestor nicht einkalkuliert. Sie können schlimmstenfalls die Wirtschaftlichkeit der geplanten Investition infrage stellen und dazu führen, dass das Projekt letztendlich gar nicht realisiert wird.

Das muss nicht sein. Zunächst ist allen betroffenen Errichtern von Photovoltaikanlagen zu raten, einen kühlen Kopf zu bewahren, wenn es um die Netzanschlusskosten geht. Auch wenn die Stellungnahmen der Netzbetreiber mit Begriffen wie „Netzverknüpfungspunkt“, „gesamtwirtschaftlicher Kostenvergleich“ oder „Kleinanlagenprivileg“ kaum verständlich erscheinen, so kann es doch lohnen, die Stichhaltigkeit der Argumente zu prüfen.

Das Grundprinzip der Kostenverteilung ist nämlich einfach: Es wird der Punkt ermittelt, an dem die Anlage ihren Strom in das Netz abgeben kann (Netzverknüpfungspunkt).

Vierstufige Prüfung laut EEG

Alle Kosten für Maßnahmen zwischen der Energieanlage und diesem Punkt sind vom Anlagenbetreiber zu zahlen.

Alle Maßnahmen hinter dem Netzverknüpfungspunkt sind Sache des Netzbetreibers. Um die Kosten zu verteilen, die entstehen, wenn eine neue Anlage ans Netz geht, sieht das EEG eine vierstufige Prüfung vor.

1. Spannungsebene und Luftlinie

Als Erstes wird für die geplante Anlage ein Netzverknüpfungspunkt ermittelt, an dem die Stromeinspeisung erfolgt. Paragraf 8 Absatz 1 EEG legt auf der ersten Prüfungsstufe zwei Kriterien fest, wie dieser Punkt des Stromnetzes zu finden ist: Er muss im Hinblick auf die Spannungsebene geeignet sein und in der Luftlinie die kürzeste Distanz zur Anlage aufweisen.

Wichtig ist, dass dieser Punkt zum Zeitpunkt der Planung fiktiv sein kann. Er muss noch nicht bestehen. Es reicht aus, wenn das Stromnetz erst ausgebaut wird, um einen neuen Netzverknüpfungspunkt zu schaffen.

2. Wirtschaftlich günstigster Anschluss

Der mit passender Spannungsebene und Distanz zur Anlage ermittelte Punkt ist dann nicht der endgültige Netzverknüpfungspunkt, wenn es einen wirtschaftlich günstigeren Punkt im Stromnetz gibt. Um verschiedene in Betracht kommende Netzverknüpfungspunkte zu vergleichen, werden die gesamtwirtschaftlichen Kosten gegenübergestellt, die durch den Anschluss der Anlage sowie den Netzausbau bei jeder Ausführungsvariante anfallen.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Kosten beim Netzbetreiber oder beim späteren Anlagenbetreiber entstehen. Berücksichtigt werden nur die unmittelbaren Kosten. Mittelbare Kosten wie zum Beispiel die Verluste, die durch lange Stromleitung oder Umspannung entstehen, bleiben außen vor.

Sind mehrere Anschlussvarianten gleich teuer, so ist die Variante zu realisieren, bei welcher der Netzverknüpfungspunkt die kürzeste Entfernung zur Stromerzeugungsanlage aufweist (Votum 2015/10 der Clearingstelle EEG vom 10. März 2015).

Eine für Erzeuger erneuerbarer Energien günstige Regelung besteht für Kleinanlagen bis 30 Kilowatt auf Grundstücken mit bestehendem Netzanschluss. Hier gilt der Verknüpfungspunkt des Grundstücks mit dem Stromnetz als günstigster Netzverknüpfungspunkt (Paragraf 8 Absatz 1 Satz 2 EEG).

3. Wahl des Netzverknüpfungspunkts

Der auf den ersten beiden Stufen ermittelte gesetzliche Netzverknüpfungspunkt kann sowohl vom Anlagenbetreiber als auch vom Netzbetreiber abgeändert werden. Dies darf jedoch nicht willkürlich geschehen. Der Anlagenbetreiber darf einen anderen als den ermittelten Netzverknüpfungspunkt nur wählen, wenn die daraus resultierenden Mehrkosten für den Netzbetreiber unerheblich sind.

Der Gesetzgeber hat für die Frage der Erheblichkeit keine starre Grenze festgelegt. Einen Anhaltspunkt kann ein Urteil des OLG Celle vom 23. Februar 2017 (13 U 44/15) bieten, wonach die Mehrkosten nicht mehr als zehn Prozent gegenüber der gesetzlichen Variante betragen dürfen.

Schließlich darf der Netzbetreiber als Letztendscheider einen abweichenden Verknüpfungspunkt bestimmen. Aber auch hier gilt: Das Wahlrecht darf nicht zulasten der anderen Seite ausgeübt werden. Wählt der Netzbetreiber seinen gewünschten Netzverknüpfungspunkt, so muss er die daraus resultierenden Mehrkosten tragen (Paragraf 16 Absatz 3 EEG).

Steht der Netzverknüpfungspunkt jetzt fest, so können die durch die erforderlichen Maßnahmen wie neue Leitungen oder Trafostationen entstehenden Kosten zwischen Anlagenbetreiber und Netzbetreiber verteilt werden. Der Anschluss der Energieerzeugungsanlage an diesen Punkt liegt in der Verantwortung des Anlagenbetreibers, der Netzausbau ist Sache des Netzbetreibers.

Bei manchen Maßnahmen ist die Zuordnung nicht ganz einfach. Deswegen gibt es im EEG eine Hilfsregel: Was im Eigentum des Netzbetreibers steht oder in sein Eigentum übergeht, gehört genauso zum Netzausbau wie alle Einrichtungen, welche für den Betrieb des Netzes technisch notwendig sind (Paragraf 12 Absatz 2 EEG).

4. Wirtschaftliche Unzumutbarkeit

Einen letzten Notausstieg gibt es für den Netzbetreiber, der sich vor den Kosten des Netzausbaus scheut: das Argument der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit. Nach Paragraf 12 Absatz 3 EEG muss der Netzbetreiber das Netz nicht optimieren, verstärken und ausbauen, wenn ihm dies wirtschaftlich nicht zuzumuten ist.

Als Faustformel kann gelten, dass der Ausbau zumutbar ist, wenn die dem Netzbetreiber entstehenden Kosten 25 Prozent der Kosten der Errichtung der Stromerzeugungsanlage nicht übersteigen. Dabei sind verschiedene Anschlussbegehren gemeinsam zu berücksichtigen.

Die Frage, wer für den Netzanschluss bezahlen muss, ist nicht immer einfach zu beantworten. So sind mitunter komplizierte Berechnungen notwendig, um zu ermitteln, welche von mehreren Anschlussvarianten die günstigste ist. Wertungen sind erforderlich, wenn es darum geht, bestimmte Maßnahmen dem Netzbetreiber und dem Anlagenbetreiber zuzuordnen. Letztendlich kann auch über die Frage der Zumutbarkeit des Netzausbaus gestritten werden.

Spielraum in den Verhandlungen

Aber die Rechtsunsicherheit besteht auf beiden Seiten, beim Netzbetreiber und beim Anlageninvestor. Folglich gibt es im Regelfall einen Verhandlungsspielraum für den Anlagenbetreiber, der bei Auseinandersetzungen mit dem Netzbetreiber genutzt werden sollte.

Bei solchen Auseinandersetzungen hat derjenige gute Karten, der glaubwürdig darstellen kann, dass er einen Rechtsstreit nicht zu fürchten braucht. Dafür ist es notwendig, die gesetzliche Grundsystematik zu verstehen.

Zahlen der Netzbetreiber prüfen

Ebenso hilfreich ist es, die vom Netzbetreiber präsentierten Zahlen zum Beispiel zu den Kosten verschiedener Anschlussvarianten zu überprüfen. Die gut begründete alternative Kostenberechnung eines Privat-Sachverständigen kann bei Verhandlungen mit dem Netzbetreiber eine wichtige Rolle spielen.

Eine Einigung in Verhandlungen mit dem Netzbetreiber ist einem Rechtsstreit im Allgemeinen vorzuziehen. Eine Möglichkeit sollte der versierte Solarinvestor aber im Auge behalten. Wenn er einen Anschluss der Anlage an dem vom Netzbetreiber ermittelten Netzverknüpfungspunkt möglich macht, sich aber die Geltendmachung von Schadensersatz für die ungerechtfertigt bei ihm angefallenen Kosten vorbehält, dann kann er auch im Nachhinein noch ein Gerichtsverfahren anstrengen.

Der Anlagenbetreiber kann die Anlage realisieren, ans Netz nehmen und den Strom in das Netz leiten, ohne die ihm aus einer sachlich falschen Entscheidung des Netzbetreibers entstehenden Kosten akzeptieren zu müssen.

Der Autor

Dr. Thomas Binder

ist Rechtsanwalt. Seine Kanzlei in Freiburg im Breisgau ist auf das EEG und Solarenergie spezialisiert. Seit 2004 berät er seine Klienten deutschlandweit zu allen Rechtsfragen rund um die Photovoltaik. Er kennt die technischen und betriebswirtschaftlichen Hintergründe einer Solarinvestition ebenso wie die Geschäftspraxis zwischen Netzbetreibern, Anlagenbetreibern und Photovoltaikfachfirmen.

www.pv-recht.de