E s ist ein regengrauer, dunkler Tag in Ellwangen. Einer von diesen Tagen, an denen Photovoltaikanlagen keine nennenswerte Leistung bringen. Das gilt auch für die Sechs-Kilowatt-Anlage der Familie Elmer. Obwohl Martin Elmer die Module nicht nur nach Süden ausgerichtet hat. Auch das Ostdach und der Ostbalkon sind mit polykristallinen Modulen versehen. So kann die Anlage ihren Strom gleichmäßiger über den Tag verteilt liefern – wenn sie liefert. Den Elmers war das aber zu wenig. Der 29-jährige Martin Elmer lebt mit seiner Partnerin in der einen Wohnung des Zweifamilienhauses, seine Eltern in der anderen.
Martin Elmers Aufmerksamkeit gilt in den letzten Monaten besonders dem Keller. Stolz zeigt er einen weißen Metallschrank. Der hat etwa die Ausmaße eines Getränkeautomaten, oben ein handgroßes Display. Es ist der Solarstromspeicher der Elmers. Sie gehören zum Kreis der Testteilnehmer für batteriebasierte Speicheranlagen der Varta Storage GmbH, einer Tochter des Batterieherstellers Varta Microbattery mit Sitz im nahen Nördlingen. „Engion“ steht auf dem Schrank. Das Display zeigt an, wie voll der Speicher ist. Im Moment ist er allerdings so gut wie leer. Im Sommer sieht das anders aus. Da bezieht die Familie oft nur noch eine Kilowattstunde Strom pro Tag aus dem Netz, den größten Teil decken Solaranlage und Speicher ab.
Ellwangen liegt in Ostwürttemberg. Diese Region und das angrenzende Donau-Ries in Bayern gehören zum Einzugsgebiet des Energieversorgers EnBW Ost-Württemberg Donau Ries (ODR). Die Bürger und Unternehmen in diesem Versorgungsgebiet betreiben über 25.000 Solarstromanlagen mit rund 490.000 Kilowatt installierter Photovoltaikleistung. Damit erzeugen sie genug Solarstrom, um mehr als 127.000 Haushalte zu versorgen. Die Region hat eine der höchsten Einspeiseleistungen an erneuerbaren Energien im Bundesdurchschnitt. Bereits an 120 Tagen im Jahr wird dort zeitweise durch dezentrale Solar-, Wind- und Bioenergieanlagen mehr Strom produziert als verbraucht.
Eine Revolution im Netz
Und der Anteil steigt weiter. „Die Zuwachsraten sind extrem hoch“, sagt der Diplom-Ingenieur Frank Hose, Vorstand der ODR in Ellwangen. „Die große Herausforderung ist nicht die Veränderung an sich, sondern die Geschwindigkeit.“ 100 Jahre sei der Strom nur in eine Richtung geflossen, von den zentralen Kraftwerken hin zu den Verbrauchern. „Was jetzt kommt, ist eine Revolution“, so Hose. „Wir haben immer mehr Gegenverkehr im Netz, weil Strom gleichzeitig eingespeist und abgenommen wird.“ Und enorme Schwankungen: „Denn wenn die Sonne scheint, scheint sie in unserem Gebiet fast überall. Das erfordert einen extremen Netzaus- und -zubau auf allen Spannungsebenen, intelligente Kommunikations- und Steuertechniken sowie dezentrale Stromspeicher.“ Das alles zu entwickeln brauche seine Zeit. Dabei ist EnBW ODR bereits deutlich weiter als die meisten anderen Regionalversorger in Deutschland. Der Energieversorger hat bereits eine dialogfähige Infrastruktur entwickelt und erprobt. Dazu zählen unter anderem ein intelligentes Zähl- und Energiemanagementsystem und ein zusammen mit Varta Storage entwickelter Batteriespeicher für Ortsnetze.
Seit 2012 betreiben die beiden Unternehmen den sogenannten Spitzenspeicher Nummer eins in Ellwangen, nicht weit vom Haus der Elmers entfernt. Der kleine Bau unweit eines Einfamilienhauses sieht aus wie die dazugehörige Garage. Innen ist er allerdings vollgestopft mit Technik. Neun Batteriespeicher, groß wie Tiefkühltruhen, stehen hier drin. Die Lithium-Ionen-Akkus haben zusammen eine Kapazität von 63 Kilowattstunden. Genug, um den Strombedarf von etwa 20 Einfamilienhäusern über Nacht zu decken. Über Datenkabel sind sie mit dem Herz der Anlage verbunden, dem Batteriemanagementsystem. „Wir prüfen, ob morgens schönes Wetter prognostiziert wird“, erklärt Franz Stölzle vom örtlichen Netzbetreiber NGO, einer Tochtergesellschaft von EnBW ODR. „Dann wird der Speicher über Nacht entladen. Und steht morgens wieder zur Verfügung. Bei schlechtem Wetter, wenn ich die Energie eher mittags brauche, kann er auch erst mittags entladen werden. Diese Steuerung ist eigentlich die Herausforderung.“ Rund 97 Prozent der Solarstromanlagen in Deutschland sind ans örtliche Verteilnetz angeschlossen. „Wer Stromerzeuger werden will, kann dies bei uns tun. Heute produzieren schon 15 Prozent der angeschlossenen Haushalte und Betriebe selbst Strom. Die Speichertechnologie ist ein wichtiger Baustein für mehr Flexibilität beim Netzmanagement“, so Stölzle.
Solarstrom stört nicht
Wie sich die Aufgaben des Netzbetreibers in den vergangenen Jahren geändert haben, wird in der Leitstelle der ODR deutlich. Insgesamt 20 Umspannwerke werden von hier aus gesteuert, dazu 60 weitere Schaltstellen. Zu den Erzeugern von Photovoltaikstrom im Einzugsgebiet gehören neben den vielen kleinen und mittleren Anlagen auch Solarparks. Auf einer Pinnwand, groß wie die Leinwand eines Kinosaals, sind Netzpläne aufgedruckt. Darauf haften zahlreiche Sticker. Sie stehen für außergewöhnliche Ereignisse oder Maßnahmen, die an dem betreffenden Netzabschnitt durchgeführt werden. Beispielsweise Wartungs- und Ausbauarbeiten an den Leitungen. „Bisher kam es aber durch die eingespeiste erneuerbare Energie noch nicht zu Betriebsstörungen“, sagt Jürgen Backes, Leiter Betrieb Strom bei ODR. Zu Betriebseinschränkungen kommt es schon hin und wieder, denn die Netzte werden ständig erweitert, dazu kommen neue oder erweiterte Umspannwerke und Schaltstellen. Das wird teuer. „Das sind Sprunginvestitionen“, so Stölzle und meint damit große Investitionen, die einmalig bezahlt werden müssen und sich dann erst über einen längeren Zeitraum amortisieren. Zahlen muss das alles am Ende der Verbraucher. Denn die Bundesnetzagentur errechnet aus den Aufwendungen einen Preis, der dann als Netzentgelt auf den Strompreis aufgeschlagen wird. Die erhöhten Aufwendungen bekommt der Netzbetreiber also voll erstattet. Der Stölzle-Satz, wer Stromerzeuger werden wolle, könne dies bei EnBW ODR tun, erscheint so in einem anderen Licht. Denn der Stromversorger und Netzbetreiber hat eines erkannt: dass er sich vom Energieerzeuger zum Energiedienstleister wandeln muss und dann auch künftig gutes Geld verdienen kann. Schließlich ist das Netzentgelt, das die kleinen Endverbraucher bezahlen, genauso hoch wie die gesamte EEG-Umlage. Nur dass dieser Posten bei Strompreiserhöhungen in der Begründung viel weiter hinten steht. Denn das Geld landet letztlich wieder beim Netzbetreiber.
Um Geld geht es auch bei Varta Storage und dem Batteriespeicher Engion, denn nicht jeder bekommt den Schrank kostenlos wie die Familie Elmer. Rund 13.500 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer kostet die kleinste Variante mit einer nutzbaren Kapazität von 3,3 Kilowattstunden bei acht Modulen mit Lithium-Eisenphosphat-Zellen im Schrank. Ein Teil des Geldes kann sich der Nutzer über das Förderprogramm für Batteriespeicher holen, wenn er die entsprechenden Förderkriterien erfüllt. Bis Ende November 2013 haben nach Angaben der Kreditanstalt für Wiederaufbau allerdings erst 2.300 Betreiber einer Photovoltaikanlage einen solchen Antrag gestellt.
Die Elmers gehören nicht dazu, denn sie haben ihr Testgerät ja zum Nulltarif bekommen. Ihr Verhältnis zum Strom hat sich dennoch geändert: „Sonst schaltet man irgendwie das Licht oder einen Verbraucher an und schaut eigentlich gar nicht auf den Verbrauch“, so Martin Elmer. „Jetzt hat man die Rückmeldung: Wie viel Energie verbrauche ich und ist das mein eigener Strom? Das ist, als ob man die eigenen Rüben aus dem Garten isst. Das macht Spaß.“
Erneuerbare & Netzbetreiber
Wie ODR auf Ökostrom reagiert
Die Netzgesellschaft Ostwürttemberg (NGO), die Netztochter der ODR, versorgt insgesamt 125 Kommunen mit Strom, 85 davon in Baden-Württemberg, 40 in Bayern. Sie hat 2012 insgesamt 990 Millionen Kilowattstunden Ökostrom aus dezentralen Anlagen eingespeist. Diese Menge entspricht in etwa dem Jahresbedarf aller 220.000 Privathaushalte der ODR. Die NGO zahlte den Erzeugern dieses Stroms 275 Millionen Euro Einspeisevergütung. Das entspricht circa 40 Prozent des Gesamtumsatzes der ODR. Bis 2020 will die ODR für die Integration der erneuerbaren Energien rund 100 Millionen Euro ins Netz investieren. „Das im Jahr 2008 neu errichtete Umspannwerk Bopfingen zum Beispiel mussten wir vier Jahre später durch den Zubau eines weiteren Umspanners verstärken“, erinnert sich Frank Hose, Vorstand der ODR. „Der ursprünglich für den erhöhten Leistungsbezug von Industriekunden notwendige Umspannwerksneubau musste jetzt auf die stark gestiegenen Mengen an Strom aus Biomasse und Photovoltaik neu ausgerichtet werden.“