Die Regierung in London hat die Unterstützung der Photovoltaik drastisch gekürzt. Was bedeutet das für den Solarmarkt in Großbritannien?
Chris Hewett Nach der Kürzung der Einspeisevergütung um 65 Prozent Anfang des Jahres 2016 verbuchen wir einen Rückgang der Zubauzahlen im Vergleich zum Jahr 2015 um 85 Prozent. Das schließt auch den Rückgang der Installationen von kleinen Dachanlagen mit bis zu zehn Kilowatt um 75 Prozent mit ein.
Wie viel Förderung gibt es noch?
Der Einspeisetarif ist inzwischen die einzige Unterstützung, die Solaranlagenbetreiber in Großbritannien bekommen. Ein Hauseigentümer mit Solaranlage erhält eine Erzeugungsvergütung von 4,11 Pence pro Kilowattstunde. Das sind etwa 4,46 Eurocent. Das ist weniger als die Einspeisevergütung in Höhe von 4,85 Pence pro Kilowattstunde, was umgerechnet 5,26 Eurocent sind.
Reicht das, um Anlagen wirtschaftlich zu betreiben?
In den meisten Fällen sind die Einnahmen, die Eigentümer von Wohnhäusern aus dem Erzeugungstarif erzielen, in etwa so hoch wie die Einsparungen beim Netzbezug, wenn sie ihren Solarstrom selbst verbrauchen. Anlagen mit einer Leistung von mehr als 50 Kilowatt bekommen einen viel niedrigeren Tarif. Der liegt zwischen 0,42 und 1,98 Pence pro Kilowattstunde, was umgerechnet zwischen 0,45 und 2,15 Eurocent sind. Für große Solarkraftwerke gibt es inzwischen keine Unterstützung mehr.
Dabei war der britische Markt vor der Kürzung vor allem ein Markt für Solarkraftwerke. Was ist passiert?
Für die Betreiber von großen Solarkraftwerken wurden die sogenannten Renewable Obligations im vergangenen Jahr abgeschafft. Die Umsetzungsfrist für die letzten Kraftwerke, die für diese Förderung qualifiziert waren, lief im März dieses Jahres aus. Wir sehen, dass noch eine ganze Menge an Aktivitäten im Gange sind, doch nicht mehr so stark wie vor der Abschaffung der Renewable Obligations. Darüber hinaus allerdings werden die großen Solarkraftwerke nicht mehr den Weg in den Markt finden. Denn die Regierung hat sogenannte „erwachsene“ Technologien aus den Versteigerungen von Differenzkontrakten ausgeschlossen. Das sind private Lieferverträge zwischen Erzeugern von Ökostrom und der staatlichen Low Carbon Contract Company. Wir erwarten, dass die Entwicklung von großen Solarprojekten so lange eher verhalten bleibt, bis neue Geschäftsmodelle in diesem Segment praktikabel werden.
Wie viele Jobs sind bei Ihnen draufgegangen?
Wir haben als Verband eine Umfrage in der Industrie gemacht. Dabei kam heraus, dass mindestens 12.500 Arbeitsplätze in der Solarindustrie verloren gegangen sind. Das ist ein Drittel der britischen Solarjobs.
Bitter. Sehen Sie trotzdem eine Chance für Wachstum?
Der Markt für private Dachanlagen dreht derzeit im Leerlauf. Er ist sehr schwierig geworden, nachdem die Einspeisevergütungen extrem abgesenkt wurden. Vielversprechend sehen unsere Mitglieder vor allem den Markt für Solaranlagen auf Neubauten, obwohl der Sektor bisher nur einen kleinen Marktanteil hatte.
Wie steht es um den Markt für gewerbliche Anlagen?
Im Markt für kommerzielle Dachanlagen sehen wir ein riesiges Potenzial, trotz der geringen Vergütung. Das Optimum liegt hier bei 50 bis 100 Kilowatt Leistung für Unternehmer, die tagsüber sehr viel Energie verbrauchen. Das Segment hatte bisher nur einen sehr kleinen Anteil am Gesamtmarkt in Großbritannien. Trotzdem müssen wir noch viel Überzeugungsarbeit in der Industrie und bei der Regierung leisten.
Was muss die Politik konkret tun, damit mehr Unternehmen auf eine Photovoltaikanlage zurückgreifen?
Vor allem muss die Regierung die Versiebenfachung der Steuerabgaben auf Eigenverbrauchsanlagen rückgängig machen, die im April dieses Jahres eingeführt wurde. Das ist eine tränentreibende Steuererhöhung, die das Segment der kommerziellen Eigenverbrauchsanlagen ausbremst. Die Steuer passt nicht zur Industriestrategie der Regierung, mit der sie ein intelligentes und flexibles Energiesystem anstrebt. Außerdem können die Betreiber von Solaranlagen mit acht Prozent viel geringere Abschreibungen vornehmen als die Betreiber von fossil betriebenen Erzeugungsanlagen.
Solche Steuern sind nicht geeignet, um Unternehmen von der Solarenergie zu überzeugen. Welche Möglichkeiten haben die Betriebe, dennoch Sonnenstrom zu nutzen?
Für kommerzielle Energieverbraucher sind Stromlieferverträge ein guter und praktikabler Weg, um ihre Stromkosten von durchschnittlich zwölf auf acht Pence pro Kilowattstunde zu senken – auch langfristig.
In welchen Fällen ist der Eigenverbrauch von Solarenergie durch Gewerbetreibende lohnenswert?
Zum einen ist der Eigenverbrauch sinnvoll, wenn das Unternehmen tagsüber viel Strom verbraucht. Dann produziert die Solaranlage ohnehin den meisten Strom. Mit einem zusätzlichen Speicher kann das Unternehmen den Verbrauch des Solarstroms in die Abendstunden verschieden, um Verbrauchsspitzen abzudecken, wenn die Energiepreise höher sind.
Wie entwickelt sich der Speichermarkt bei Ihnen?
Wir erwarten, dass der Speichermarkt im Vereinigten Königreich in diesem Jahr kräftig wächst. Das begünstigt gleichzeitig den Solarmarkt trotz der schwierigen Bedingungen. Immerhin sind schon 70 Prozent unserer Mitgliedsunternehmen im Speichermarkt aktiv oder erwägen zumindest den Einstieg ins Speichergeschäft. Die ersten der im vergangenen Jahr ausgeschriebenen 200 Megawatt Speicherleistung zur Stabilisierung der Netzfrequenz sind inzwischen errichtet. Außerdem sind auch die ersten Solarparks wieder für das System der Renewable Obligations zugelassen, nachdem sie mit einem Batteriespeicher ausgestattet wurden.
Und wie steht es um den Markt für Heimspeicher?
Wir hoffen, dass der Markt für Heim- und kommerzielle Speicher in den kommenden Jahren abhebt. Das ist immer noch langsamer als in Deutschland, aber wir streben auch keine Unterstützung an. Aber es gibt immer mehr Unternehmen, die in den Speichermarkt einsteigen, und einige unserer einheimischen Installateure sagen, dass im vergangenen Jahr bis zur Hälfte ihrer Privatkunden eine Solaranlage inklusive Speicher nachgefragt hat.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, den Solarmarkt in Großbritannien wieder in Schwung zu bringen?
Zunächst brauchen wir eine Politik, die die Solarenergie unterstützt. Die Regierung sollte die Photovoltaikanlagen wieder zur Versteigerung der Differenzkontrakte zulassen, vor allem weil sie auch in Großbritannien nur eine geringe Unterstützung benötigen. Neben der Onshore-Windkraft ist die Photovoltaik die preiswerteste erneuerbare Energiequelle und beinahe wettbewerbsfähig mit Gas. Mit einem stabilen Markt könnte sie laut Prognosen der Regierung bis 2025 die preiswerteste aller Technologien zur Energieerzeugung sein. Doch die Regierung macht genau das Gegenteil. Sie behindert die potenziell preiswerteste Technologie, was weder für den Wettbewerb noch für die Verbraucher vorteilhaft ist.
Welche Forderung haben Sie an London?
Wir brauchen neue Rahmenbedingungen in der Steuergesetzgebung, die nicht mehr die Photovoltaik extra belastet. Um die Photovoltaik so weit zu entwickeln, dass sie keine Subventionen mehr benötigt, brauchen wir ganz dringend Chancengleichheit gegenüber anderen Technologien. Nur dann können wir einen fairen Wettbewerb erreichen.
Das Gespräch führte Sven Ullrich.
Neue Serie
Die Chancen jenseits des Tellerrands
In unserer neuen Serie loten wir die Chancen junger Märkte für Photovoltaik und Stromspeicher aus. Dort haben Solarteure aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Möglichkeit, interessante Geschäftspartner zu finden, ihr Geld als Investoren anzulegen oder ihr Wissen und ihre Erfahrungen als Mentoren in die globale Energiewende einzubringen. Wagen Sie mit uns den professionellen Blick in folgende Länder und Regionen:
- September 2017: Großbritannien
- Oktober 2017: Ukraine
- November 2017: Iran
- Dezember 2017: Skandinavien
- Februar 2018: Frankreich
- März 2018: Niederlande
- April 2018: Tschechien & Slowakei
Chris Hewett
ist seit März dieses Jahres Politikmanager beim britischen Verband Solar Trade Association. Zuvor war er unter anderem in leitender Position für die britische Umweltbehörde tätig. Dort hat er die Regierung in London beraten, wie sie die Herausforderungen des Klimawandels meistern kann.