Bernhard Weinreich ist Experte für Thermografie. Unzählige Anlagen hat er inspiziert, die Aufnahmen von Millionen Solarmodulen analysiert und ausgewertet. „Erstmals ist uns das Problem der vorzeitig alternden Rückseitenfolien 2011 und 2012 begegnet“, erinnert er sich. „Damals hatten wir im Feld viele Aufnahmen von gebrochenen Zellen. Die Zellbrüche führen zu dauerhaft hohen Zelltemperaturen. Die erhöhten Zelltemperaturen begünstigen ihrerseits eine beschleunigte Folienalterung.“
Das deckte die fehlende Haltbarkeit der Rückseitenfolien auf. „Schon damals zeigten sich die Schadensbilder, die wir nun vermehrt auch bei Modulen sehen, die keine heißen Zellen haben“, betont Weinreich. 2014 fielen ihm die ersten flächigen Folienschäden auf.
Seine Firma Hawe Engineering ist auf die Durchsicht von Solarparks spezialisiert, sie sitzt in Gauting-Hausen, nördlich von Starnberg in Bayern. „Vor zwei oder drei Jahren haben wir Routinekontrollen gemacht, weil bei einigen Parks die Gewährleistungsfrist auslief“, erzählt er weiter. „Vor allem Polyamidfolien zeigten Delaminationen, Risse und eingedrungene Feuchtigkeit.“
Folien aus Polyamid und PET
Von der vorzeitigen Alterung sind zunächst Polyamidfolien bestimmter Hersteller betroffen. Zwischenzeitlich hat es sich herum gesprochen, dass neben bestimmten Polyamidfolien auch mehrschichtige PET-Folien betroffen sind. „Anfangs sind die Symptome etwas anders als bei Polyamid“, erläutert Bernhard Weinreich. „Am Ende läuft es meist auf dasselbe hinaus: Glasbruch und schwere Schäden am Modul.“
Bei den Schäden handelt es sich um immer größer werdende Risse an den Rückseitenfolien, sowie durch eindringendes Wasser verursachte Schäden am Randverbund einhergehend mit Korrosion und Delamination.
Gut 300 Megawatt hat Hawe Engineering bezüglich Folien analysiert, etwa 250 Megawatt wiesen frühzeitige degradierende Rückseitenfolien auf. „Bei den bekannten Polyamidfolien in Freiflächen geht die Degradation mit Auskreiden einher“, erläutert Weinreich. „Auf Dachanlagen, die von hinten wenig UV-Licht abbekommen, kreiden sie dagegen nicht aus. Bei PET haben wir noch kein Auskreiden beobachtet, das aber ohnehin immer nur als Hinweis gesehen werden sollte.“
Manche Solarparks sind wie ein Mosaik
In den Solarparks wurden nicht immer die baugleichen Module installiert. „Manche Solarparks sind wie ein Mosaik, dort wurden viele Chargen im Feld vermischt“, sagt er. „Für uns ist aus den Seriennummern allein kein Zusammenhang ersichtlich.“
Aus seiner Erfahrung warnt er davor, die Probleme auf die leichte Schulter zu nehmen. Sie auszusitzen, bis sich die Schäden nicht mehr ignorieren lassen. „Ich empfehle, die Anlagen umgehend zu inspizieren. Viele Solaranlagen haben jetzt fast zehn Jahre auf dem Buckel. Etliche befinden sich noch innerhalb der Fristen für Gewährleistung beziehungsweise Produktgarantie. Auch wenn sich noch keine Schäden zeigen, sollte man Ansprüche dokumentieren und geltend machen.“ Eindringlich mahnt Weinreich: „Das ist nicht wie bei PID. Bei den defekten Rückseitenfolien ist keine Heilung möglich.“
Tests im Solab in Stuttgart
Hawe Engineering hat einige Schadmodule nach Stuttgart ins Prüflabor Solab des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) geschickt. „Hier können wir die Oberfläche der Polymere mittels FTIR-Verfahren analysieren und den Kunststoff somit identifizieren“, sagt der Laborleiter Peter Lechner. Er hat viel zu diesem Thema geforscht. „Allerdings ergibt sich bei den Rückseitenfolien kein einheitliches Bild. Mal wurden Polyamidfolien verwendet, mal nicht. Eine Systematik beim Einsatz der Polyamidfolien ist nicht zu erkennen.“
Fakt ist, die Polyamidfolien wurden 2010 bis 2012 in größeren Mengen in den Solarmodulen verwendet, und zwar von allen namhaften Herstellern. Etwa ab 2014 wurden sie nicht mehr eingesetzt. „Leider wurden nie Zahlen veröffentlicht, wie viele Module solche Folien haben“, sagt Peter Lechner. „Eine Zeitlang waren sie als preiswerte und lieferbare Alternative zu den Tedlarfolien von Dupont beliebt. Zudem wurden sie nach den damals gültigen Regel der Technik qualifiziert und zertifiziert“.
Stress durch UV-Licht und Temperaturen
Polyamidfolien enthalten – im Unterschied zu Tedlar – keine Fluorpolymere, sie sind in der Herstellung und Entsorgung jedoch umweltfreundlicher. Das macht sie allerdings auch anfälliger für Stress durch ultraviolettes Licht und hohe Temperaturen. „Zuerst kreiden die Module aus, ein eher harmloser Effekt an der Oberfläche, sie zeigen deshalb im allgemeinen noch keine Isofehler“, beschreibt Lechner typische Symptome. „An Modulen, bei denen man die Risse mit bloßem Auge erkennen konnte, hatten rund ein Drittel bereits Isofehler. Zwei Drittel hingegen liefen, ohne dass die Wechselrichter wegen der fehlenden Isolation abschalteten.“
Das Auskreiden wird auch als Chalking (chalk ist das englische Wort für Kreide) bezeichnet. Dabei tritt Titanoxid aus, das die Haltbarkeit der Kunststofffolien gegen das UV-Licht sichern sollte. „Auskreidende Polyamidfolien sind ein guter Hinweis, dass die Folien auch versprödet sein könnten, also ihre Elastizität verloren haben“, analysiert Peter Lechner. „Aber Vorsicht! Die Folien sollte man auf keinen Fall berühren, denn es drohen im schlimmsten Fall Stromschläge.“ Immerhin: Das Auskreiden ist ein gutes Indiz für die Alterung. (HS)
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