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Der Glaube zählt

Man kann für seine Arbeit kaum eine größere Anerkennung als den Nobelpreis bekommen. Im Jahr 2000 wurde der Nobelpreis für Chemie an Alan J. Heeger, Alan G. MacDiarmid und Hideki Shirakawa „für die Entdeckung und Entwicklung von leitenden Polymeren“ verliehen. Damit gab es eine neue Technologie, die nach Meinung von Experten den Photovoltaikmarkt revolutionieren würde.

Seitdem ist die Entwicklung der organischen Photovoltaik, kurz OPV, schnell vorangeschritten. Noch vor fünf Jahren gab es nur eine Handvoll Unternehmen. Inzwischen jedoch gesellen sich zu den etablierteren unter ihnen wie Konarka und Mitsubishi auch Unternehmen wie Plextronics, Heliatek, Solimar und andere Start-ups, die das Potenzial der neuen Technologie ebenfalls auszureizen versuchen.Bei organischen Photovoltaikzellen kommen organische, sprich kohlenstoffhaltige Polymere beziehungsweise Moleküle zum Einsatz, die Licht in Elektrizität umwandeln. Das Potenzial, die Kosten niedrig zu halten, ist durch das einzigartige Rolle-zu-Rolle-Druckverfahren relativ groß. Hinzu kommt, dass zur Herstellung des Produkts im Vergleich zu Kristall und Silizium nur ein Zehntel des Energieaufwands notwendig ist. Durch die große Bandbreite möglicher Gestaltungsformen ist das Produkt insbesondere für die Baubranche interessant. Organische Photovoltaik kann auch dort zum Einsatz kommen, wo herkömmliche Photovoltaikprodukte nicht verwendet werden können.

All diese Faktoren schüren seit Langem das Interesse an dieser innovativen Technologie. Aber auch zehn Jahre nach derVerleihung des Nobelpreises für die Erfindung der organischen Photovoltaik ist die Zukunft dieser Technologie noch nicht klar absehbar. Für einige ist es immer noch eine Technologie mit viel Potenzial und der Fähigkeit, den Markt zu erobern. Für andere wird das Potenzial dem Rummel darum nie gerecht werden können und die Technologie wird es nie aus ihrer Nische heraus schaffen.

Schwerer Stand

Niedrige Wirkungsgrade, eine geringe Lebensdauer und hohe Entwicklungskosten standen bisher dafür, dass die organische Photovoltaik noch nicht mit der Photovoltaik der ersten und zweiten Generation mithalten kann. Aber für Brancheninsider geht von den aktuellen Entwicklungen etwas aus, das nicht ignoriert werden kann.Das gestiegene Interesse an der organischen Photovoltaik brachte das unabhängige Forschungs- und Beratungsunternehmen Lux Research dazu, den Markt eingehend zu untersuchen. Im April dieses Jahres wurde der Ergebnisbericht veröffentlicht. Alex Carter, Hauptverfasser des Berichts, gibt an, dass die Untersuchung hauptsächlich aufgrund der großen Zahl von Anfragen begonnen wurde. Viele der Anfragen seien auch von Kunden gekommen, die zuvor gar nichts mit Solarenergie zu tun gehabt hätten.

Carter kommt in seiner Studie zu dem Schluss, dass die organische Photovoltaik trotz der verheißungsvollen Aussichten noch einen langen Weg vor sich hat und dass sich das viel beschworene Potenzial frühestens 2020 in einer großen Marktdurchdringung zeigen werde. „Es geht ziemlich hart zu da draußen“, beschreibt er die aktuelle Situation. „Die organische Photovoltaik ist nicht so schnell günstiger geworden wie von einigen gedacht. Die Preise für die konventionelle Solarenergie sind hingegen viel schneller gefallen, als man es erwartet hatte. Die organische Photovoltaik muss günstiger werden. Das ist das erste Ziel. Zudem ist organische Photovoltaik verhältnismäßig leistungsschwach. Der ziemlich niedrige Wirkungsgrad und die kurze Lebensdauer bedeuten, dass organische Photovoltaik keine Konkurrenz zu konventionellen Solartechnologien ist. Dies mindert auch das Marktpotenzial“, so Carter.

Es gibt zwei Hauptklassen der organischen Photovoltaik, die auf dem Markt vorherrschend sind. Die erste ist der sogenannte Bautyp Bulk-Heterojunction (BHJ), bei dem eine Mischung organischer Moleküle oder Polymere verwendet wird. Diese Variante hat sich als flexibler erwiesen, leidet jedoch unter einem niedrigen Wirkungsgrad und kurzer Lebensdauer.

Die zweite Variante setzt einen auf Titandioxid aufgebrachten Farbstoff ein, der Licht absorbiert. Man spricht von einer farbstoffsensibilisierten Solarzelle (DSSC). DSSCs bestehen in der Regel aus rein anorganischen Stoffen, werden aber zum Teil auch mit organischen Farbstoffen gefertigt. Sie können eine etwas höhere Leistung erzielen als BHJ-Zellen, sind jedoch in Sachen Flexibilität und Lebensdauer ebenfalls noch verbesserungswürdig.

Steigende Leistung

Die großen Unternehmen der Branche erreichen hingegen immer neue Wirkungsgradrekorde. Mitsubishi ist Vermutungen zufolge mit kleineren Modellen im Labormaßstab bereits eine Steigerung auf über neun Prozent gelungen. Details sind jedoch schwer zu bekommen, wie dies für große Unternehmen üblich ist. Heliatek und Konarka haben erst kürzlich einen Wirkungsgrad für BHJ-Zellen von 8,3 Prozent verkündet. Dies wurde auch vom U.S. National Renewable Energy Laboratory (NREL) bestätigt. Die Lebensdauer der Zellen liegt jedoch nur bei wenigen Jahren.Den Flüssigelektrolyt-DSSC-Laborzellen von Sharp bescheinigte NREL einen Wirkungsgrad von 11,1 Prozent. Die damit produzierten Module erreichten 5,1 Prozent. Festelektrolyt-DSSCs büßen hingegen zugunsten der Langlebigkeit an Wirkungsgrad ein. Die besten Zellen erreichen hier einen Wirkungsgrad von fünf Prozent. Nichtsdestotrotz kommen sie unter den prominenten OPV-Technologien am nächsten an eine Betriebsdauer von fünf Jahren heran. Probleme bereitet es auch, die Materialien vom Gramm-Bereich in den Bereich von mehreren hundert Kilogramm hochzuskalieren. Aufgrund der Materialstruktur und der Reinheitsanforderungen kann dieser Prozess viel Zeit in Anspruch nehmen und benötigt oft mehrere Anläufe.

„Es wird also mindestens für die nächsten zehn Jahre ein Nischenmarkt bleiben“, so Carter. „Ich bin alle Anwendungsmöglichkeiten ausgiebig und gründlich durchgegangen, und nicht einmal kam die organische Photovoltaik als erste Wahl dabei heraus.“ Nach dem Lux-Bericht wird der Marktwert der organischen Photovoltaik im Jahr 2020 im wahrscheinlichsten Szenario bei 112 Millionen Euro beziehungsweise 97 Megawatt liegen. Es bestehe jedoch eine große Unsicherheit, weshalb auch ein Wert von stolzen 330 Millionen oder bloß 23 Millionen Euro erreicht werden könne.Auch viele akademische Einrichtungen haben sich der Forschung im Bereich organische Photovoltaik angenommen. Eine davon ist das Centre for Organic Photonics and Electronics an der australischen University of Queensland. Dort arbeitet Professor Paul Meredith mit einem Team von 15 Physikern und Chemikern zusammen. Meredith hat in den sechs Jahren, in denen er in der Branche tätig ist, deutliche Veränderungen erlebt. „Wenn man sich heutzutage die bedeutenden Konferenzen ansieht, konzentrieren sich große Teile explizit auf die organische Photovoltaik. Zudem gibt es eine große Anzahl hochqualifizierter akademischer und industrieller Forschungsgruppen“, so Meredith. „Es ist richtig was los.“

Suche nach eigener Identität

Trotz des wachsenden Interesses ist die organische Photovoltaik immer noch auf der Suche nach dem Sektor, in dem sie sich am besten entwickeln kann. Die erfolgreichsten Nischen scheinen zurzeit gebäudeintegrierte Photovoltaik, militärische Anwendungen, Stromversorgung in Entwicklungsländern, Beschilderungssysteme und Unterhaltungselektronik zu sein. Hier kann die organische Photovoltaik ihr Potenzial aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften entfalten. Jens Hauch, Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung bei Konarka, erwartet in den kommenden Jahren ein Potenzial für hohe Gewinne, wenn die Technologie in diesen Sektoren weiterentwickelt wird. „Es ist sehr leicht, unsere Materialien in Produkte zu integrieren, die sowieso für ein Gebäude oder die Fassade verwendet werden. Es ist bedeutend einfacher, diese leichten, flexiblen und individuell anpassbaren Produkte anstelle von herkömmlichen Photovoltaiktechnologien zu installieren.“ Flexibilität und Formbarkeit sind starke Verkaufsargumente, die der Technologie helfen, in der Architektur Fuß zu fassen, wo sie in Fenstern und anderen Oberflächen eingesetzt werden kann. Konarka weiß von einigen Architekten, die mit gebäudeintegrierter Photovoltaik ein Zeichen zu setzen versuchen. „Architekten und andere Akteure wollen ihren Entwürfen eine persönliche Note geben und dabei auffällige und klimaneutrale Gebäude schaffen“, sagt Ken McCauley, Vice President Sales, Marketing and Business Development in KonarkasZentralniederlassung in Lowell, Massachusetts. „Derartige Entwürfe kommen immer mehr in Mode, und ich glaube, dass es mehr davon geben wird. Wir werden oft mit kristallinem Silizium verglichen, aber das ist wirklich ein ganz anderer Anwendungsbereich. Architekten fragen in der Regel selten nach der Leistungsdichte. Es geht immer darum, ob Farben, Transparenz oder benutzerspezifische Maße möglich sind, und sie fragen nach dem Gewicht. Das Produkt von Konarka kann aufgrund unseres Rolle-zu-Rolle-Verfahrens all das bieten.“

Die Nische finden

Die organische Photovoltaik ist zudem für ihre Eigenschaften bei schwachen Lichtverhältnissen und in Innenräumen bekannt und somit für die Beschilderung in Supermärkten und andere kleine Indoor-Anwendungen ideal. „Bei der organischen Photovoltaik muss außerhalb des Anwendungsbereichs herkömmlicher Solaranwendungen gedacht werden. Man muss sich einen neuen Weg bahnen“, so Carter. „Zum einen muss es in Sachen Materialien und Technologie weiterhin Innovationen geben, zum anderen muss man es schaffen, in diese neuen Märkte vorzudringen und auch Märkte zu erschließen, in die die Solarbranche bisher noch nicht vorgedrungen ist.“ Ein Beispiel hierfür ist die Zusammenarbeit zwischen der australischen Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation CSIRO und dem Victorian Organic Solar Cell Consortium VICOSC in Melbourne. Gemeinsam mit einem Unternehmen, das Banknoten druckt, untersuchen die Forscher Möglichkeiten, organische Photovoltaik zu drucken und zu skalieren.

Für Unternehmen wie Konarka, einen der wichtigsten Akteure der OPV-Szene, bieten diese Nischen genügend Geschäftsmöglichkeiten für einen positiven Ausblick in die Zukunft. „Zurzeit ist eine Menge los“, meint McCauley. Derzeit verzeichnet Konarka das größte Wachstum bei BIPV- und Militäranwendungen, und das Unternehmen arbeitet zudem bereits an Anwendungen im Automobilbereich. Kürzlich hat Konarka den Bau seiner bisher größten OPV-Installation und der ersten im Einsatz befindlichen semitransparenten gebäudeintegrierten Vorhangwand bekannt gegeben. Bei der Vorhangwand werden semitransparenteSolarmodule verwendet, die auf Glas laminiert wurden. Installiert wurde sie am neuen Konarka-Werk in New Bedford, Massachusetts. Das australische Unternehmen Skyshades hat auf der diesjährigen weltberühmten Chelsea Garden Show ebenfalls eine gebäudeintegrierte Installation präsentiert. Die Ausstellung war darauf ausgerichtet, die einzigartigen Eigenschaften der gebäudeintegrierten Photovoltaik zu demonstrieren.

Lux Research sieht den BIPV-Markt im Jahr 2020 bei 27 Megawatt beziehungsweise 31 Millionen Euro, was nur noch vom Markt für Verteidigungsanwendungen mit 34 Megawatt beziehungsweise 45 Millionen Euro im Jahr 2020 überboten wird. „Das Militär ist in jedem Fall eine Chance für die organische Photovoltaik“, so Carter. „Dort wird man sie ausprobieren und nach Möglichkeit anwenden. Da gibt es genügend Tiefgang für einen bedeutenden Markt.“

Leistung, Kosten, Lebensdauer

Die Arbeit in diesen Nischen kann organische Photovoltaik jedoch auch in Konkurrenz mit dem traditionellen Bereich bringen, da Forschung und Entwicklung in beiden Sektoren von einem erhöhten Marktanteil angetrieben werden. „Ich glaube, dass wir uns an den Rändern des traditionellen Marktplatzes aufhalten werden, aber darüber hinaus glaube ich, dass wir die Marktchancen ausweiten und Dinge tun werden, die heute einfach noch nicht durchführbar sind“, so McCauley von Konarka.

Um jedoch voll wettbewerbsfähig zu sein, muss die organische Photovoltaikbei Wirkungsgrad, Lebensdauer und Kosten mit den herkömmlichen Technologien mithalten können. Professor Meredith sieht die Entwicklung beim Wirkungsgrad recht positiv aufgrund der Anzahl von Unternehmen, die sich mittlerweile mit organischer Photovoltaik beschäftigen. So sagt er: „Im Jahr 2005 gab es nur Konarka. Inzwischen sind es einige mehr. Daraus resultierend gibt es immer höhere Wirkungsgrade, von denen in den vergangenen sechs Monaten berichtet wurde. Eine Zeitlang war man zwischen vier und sechs Prozent stehen geblieben, inzwischen sind es mehr als neun. Betrachtet man die Kurve der technologischen Weiterentwicklung über die letzten Jahre hinweg, dann sind der Wirkungsgrad-Zuwachs und das verfahrensspezifische Wissen absolut phänomenal.“ Laut Meredith ist der Wendepunkt für organische Photovoltaik nicht mehr weit. „Ich glaube, dass die Menschen langsam erkennen, dass wir beim Wirkungsgrad innerhalb der kommenden 12 bis 24 Monate im zweistelligen Bereich liegen werden – womöglich durch einen der Industriekonzerne. Und ich glaube, dass dies eine wichtige psychologische und intellektuelle Marke ist.“ Wie es jedoch auf jede Technologie zutrifft, gibt es einiges zu tun, um von einer kleinen Menge von Halbleitern im Labor auf die Dimension umzusteigen, die für die industrielle Fertigung notwendig ist. „Es gibt immer eine Zeitverzögerung zwischen dem Auffinden effizienter Materialien und deren eigentlicher Verwendung in der Modulproduktion“, so Hauch von Konarka. Diese Zeitverzögerung hänge von vielen Faktoren ab, liege typischerweise jedoch bei ein bis zwei Jahren.

„Die wahre Herausforderung besteht darin, das im Labor Erprobte auch in der Größenordnung von Modulen verwendbar zu machen. Und genau hier liegt das Problem“, so Meredith. „Wir müssen bei den Modulen noch fünf Prozent nach oben kommen. Sobald wir das schaffen, hängen wir den Herstellern von amorphem Silizium an den Fersen. Das wird wahrscheinlich zwei bis drei Jahre dauern. Ich glaube außerdem, dass wir auch bei der Verkapselung vor großen Herausforderungen stehen, vor allem in Sachen Qualität und Gleichförmigkeit.“ Auch die Preise sind mit etwa zehn Euro pro Watt weiterhin sehr hoch,obwohl es sich hierbei – hauptsächlich aufgrund des Mangels an verfügbaren Produkten – um eine Schätzung handelt. Die Studie von Lux Research prognostiziert allerdings eindrucksvolle Kostenreduzierungen und legt nahe, dass organische Photovoltaik bei Modulen bis zum Jahr 2020 weniger als 70 Cent pro Watt kosten könnte.

Hoffnung bleibt

Werden jedoch ein gesteigerter Wirkungsgrad und niedrigere Kosten eine Veränderung des Markts bedeuten? „Die Kirche bietet jedem Platz“, so Meredith. „Cadmiumtellurid hat sich inzwischen durchgesetzt, und auch andere Materialien setzen sich gerade durch. Ich glaube, es gibt auch Raum für die nächste Generation der Dünnschichttechnologie.“ Wenn die Kosten es auf unter zehn Cent pro Kilowattstunde schaffen und mit der herkömmlichen kommerziellen Stromerzeugung mithalten können, dann wird die organische Photovoltaik an Einfluss gewinnen. „Es ist schwer, sich Silizium so weit unten vorzustellen“, so Meredith. „Wenn es die OPV auf dem günstigen Wechselstrom-Markt mit ihrer effizienten Materialausnutzung mittel- bis langfristig unter zehn Cent pro Kilowattstunde schafft, wird sie selbstverständlich mit traditionellen Technologien konkurrieren können.“ Kurzfristig wird hauptsächlich für tragbare Gleichstromgeräte, für den militärischen Einsatz und für gebäudeintegrierte Anwendungen mit geringen Stromanforderungen ein Markt bestehen. Es wird auch zu verstärktem Einsatz im Innenbereich kommen, da organische Photovoltaik auch bei geringer Einstrahlung gut funktioniert. „Aber das ist nicht wirklich ein wichtiger Markt. Wenn sich die organische Photovoltaik durchsetzen will, muss sie auf eine geringe Energiedichte und relativ günstige Produktionskosten setzen“, so Meredith.

Können diese Ziele erreicht und Möglichkeiten in den Nischenmärkten maximiert werden, dann wird die organische Photovoltaikbranche weiter wachsen. „Ich glaube, dass einige Dinge im Gange sind, die die Branche in naher Zukunft aufhorchen lassen“, sagt McCauley von Konarka. „Ich möchte die Erwartungen nicht zu hoch schrauben, aber ich bin äußerst optimistisch, dass wir die Dinge einfach nur in die Tat umsetzen müssen.“

Nicholas Stone

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