Eine Solarzelle ist wie ein Fass, das immer noch eine Menge Löcher hat. Von oben kommt Lichtenergie hinein, durch die Löcher strömt ein mehr oder weniger großer Anteil ungenutzt nach außen. Wie viel in Strom umgewandelt wird, ergibt sich aus der Bilanz der zugeführten zur verloren gegangenen Menge.
Dabei ist in den Forschungslaboren schon lange bekannt, wie man die Löcher stopfen kann. Doch erst jetzt verlassen dafür geeignete Technologien die Labore und kommen in der Herstellung an. Neue Produkte werden nicht mehr lange auf sich warten lassen. „Wir spüren zurzeit ein enormes Interesse an MWT-Rückseitenkontaktzellen“, sagte etwa Paul Wyers am Rande der EU PVSEC, der europäischen Photovoltaikkonferenz im September. MWT steht für eine der Möglichkeiten, mit denen sich der Wirkungsgrad der Zellen und Module steigern lässt.
Wyers leitet beim niederländischen Energieforschungsinstitut ECN den Bereich Solarenergie und hat diese Technologie maßgeblich mitentwickelt. Dabei werden die Kontakte (Busbars) der Zellen intern auf die Rückseite durchgeführt. Dadurch liegen auf der Vorderseite weniger Leiterbahnen, die Licht von der Zelle fernhalten. Der Wirkungsgrad steigt, und gleichzeitig können Module mit effizienteren Methoden gefertigt werden. Wyers Mitarbeiter entwickelten schon vor Jahren eine multikristalline MWT-Zelle, die das Unternehmen Solland Solar zur Serienreife gebracht hat. Nur fand sich drei Jahre lang niemand, der sie in Module einbauen wollte.
Jetzt geht es wieder voran. Schott Solar beispielsweise hat verkündet, zusammen mit Solland eine Pilotlinie für den Modulbau zu entwickeln (siehe photovoltaik10/2010, Seite 58).
Wie groß der Sprung ist, der jetzt vielleicht bevorsteht, veranschaulichen die Wirkungsgradrekorde polykristalliner Module. Seit Mitte der 90er Jahre hielten ihn die Sandia National Laboratories in den USA mit 15,5 Prozent. Dann geschah lange nichts. Erst letzten Dezember brachen ihn Wyers und seine Kollegen mit 17,0 Prozent. Danach dauerte es nur vier Monate, bis sich Kyocera mit 17,3 Prozent an die Spitze setzte. Jetzt folgte im September bereits Schott mit 17,6 Prozent.
Neues Interesse für Altbekanntes
Vier Technologien sind es, die jetzt bevorzugt auf den Roadmaps der Hersteller auftauchen. Neben MWT die sogenannten selektiven Emitter, bessere Passivierungen auf der Rückseite und n-Typ-Zellen.
Zwar sind diese Verfahren im Prinzip schon lange bekannt. Neu ist aber, wie intensiv sich Hersteller dafür interessieren, dass sie erste Ergebnisse verkünden und dass Zulieferer Maschinen dafür entwickeln. „Der Innovationsdruck ist da, weil man mit der heutigen Standardzelle ohne zusätzliche Features den Wirkungsgrad kaum über 18,5 Prozent steigern kann“, sagt Stefan Glunz, der am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme die Abteilung Solarzellen leitet. „Fast alle großen Firmen erreichen heute schon über 18 Prozent, so dass kaum noch ein Spielraum besteht.“
Dabei zeigt ein Blick auf Sunpower aus den USA im Prinzip, wohin die Reise geht. Seit 2002 stellt das Unternehmen in industriellem Maßstab Rückseitenkontaktzellen her. Dabei nutzt es nicht die MWT-Technologie, sondern eine noch elegantere Methode, bei der es überhaupt keine Abschattungen durch Leiterbahnen mehr gibt.
Erst vor kurzem stellte Forschungsleiter Peter Cousins auf einer Konferenz in Hawaii den neuen Wirkungsgradrekord mit einer dieser Zellen vor: 24,2 Prozent, nicht auf einer Miniaturzelle, wie es in der Forschung oft üblich ist, sondern, viel schwieriger, auf einer großen Zelle im üblichen Format. „Da sitzen dann 20 unserer Doktoranden aus der Forschung an Hocheffizienzzellen und fragen sich, wie die das im Detail gemacht haben“, sagt Stefan Glunz.
Damit könnte die Suche nach den fortschrittlichen Zellkonzepten ja eigentlich zu Ende sein. Doch nach den Zahlen, die Sunpower-Gründer und Guru der Solarzellenforscher Richard Swanson in einem Vortrag auf der EU PVSEC vorstellte, kosten die Zellen und Module in der Produktion rund 50 US-Cent pro Watt mehr als bei den preiswertesten Wettbewerbern. Sunpower kann zwar trotzdem ziemlich viele Module verkaufen, nach Aussage von Swanson für einen um 40 Cent bis einen Dollar höheren Preis im Vergleich zu preiswerten Produkten. Doch die Kosten sind mittelfristig ein Problem, gelingt es nicht, sie zu senken.
Ein Grund dafür, dass die Zellen und Module so gut gehen, ist zum Beispiel das im Vergleich zu anderen Zellkonzepten homogene Aussehen, bei dem man keine Leiterbahnen auf der Vorderseite sieht. „Die Frage ist, wie lange das so bleibt“, gibt Wyers zu bedenken. Schon in den letzten Jahren sind auch die konventionellen Module in ihrem Erscheinungsbild deutlich homogener geworden.
„In einigen Jahren sehen alle Module gleich gut aus.“ Nicht zuletzt deshalb erhoffen sich Konkurrenten durch andere Technologien höhere Wirkungsgrade bei gleichzeitig geringeren Kosten.
Das weist auf einen Grundkonflikt in der Solarzellenentwicklung hin. Sunpower-Zellen gelten seit jeher als revolutionär. Ebenso die HIT-Zellen von Sanyo. Das japanische Unternehmen ummantelt
monokristalline Zellen mit einer dünnen Schicht aus amorphem Silizium. Erst kürzlich meldete es, einen Wirkungsgrad von 21,1 Prozent zu erreichen, im Modul von 18,6 Prozent. Von solchen Werten können andere Hersteller, die auf die Standardzelle setzen, nur träumen.
Das Ziel ist Evolution
Trotzdem haben sie eine Chance gegen diese revolutionären Konzepte. „Wir sehen dieses Jahr, dass mehr Firmen auf Evolution setzen“, sagt Joachim John, Leiter industrielle Solarzellen am belgischen Forschungsinstitut Imec in der Nähe von Brüssel. Das Problem seien die Kosten. „Es sieht so aus, dass die Firmen ein hohes Risiko vermeiden wollen und deshalb den evolutionären Weg gehen“, sagt auch Glunz, in dessen Abteilung die Forscher am Fraunhofer ISE Projekte zu den meisten evolutionären wie revolutionären Technologien durchführen.
Die Kunst des evolutionären Wegs besteht darin, möglichst viel des Produktions-Know-hows der vorherigen Stufe in die nächsten Generationen von Zell- und Modulproduktionen hinüberzuretten. Das geht zum Beispiel mit den MWT-Rückkontaktzellen. Schott Solar und Solland Solar sind nicht die einzigen Unternehmen, die daran arbeiten. Kyocera und Bosch Solar arbeiten daran. JA Solar hat MWT-Zellen angekündigt. Canadian Solar will sogar schon im ersten Halbjahr 2011 in die Massenproduktion einsteigen.
Am einfachsten scheint der evolutionäre Weg aber beim selektiven Emitter zu sein. Auf der EU PVSEC 2008 hat China Sunergy bereits verkündet, diese Technologie zu verwenden. 2009 wurde sie als besonders heißes Thema gehandelt. Doch in großem Maßstab setzt sie sich erst jetzt durch. „Es bewegt sich etwas, da sich jetzt auch die Anlagenhersteller wie Centrotherm, Schmid und Rena dieses Themas angenommen haben“, sagt Stefan Glunz.
Ein Beispiel zeigt, wie die Zellhersteller auf die Maschinenbauer angewiesen sind. Das Unternehmen Asys liefert komplette Metallisierungslinien mit unterschiedlichen Siebdruckschritten für die elektrische Kontaktierung der Solarzelle. Früher mussten die Siebdruckmaschinen nur 120 Mikrometer breite Kontaktlinien aus Silberpasten auf die Oberfläche der Zellen drucken. Für den selektiven Emitter ist es komplizierter.
Emitter heißt die obere aktive Schicht der Zelle, die mit Phosphor dotiert, das heißt verunreinigt wird (siehe Grafik „Funktionsprinzip einer Standardsolarzelle“ auf Seite 72). Je mehr Phosphor sie enthält, desto besser leitet sie. Das ist zwar gut für die Kontakte, die auf dem Emitter angebracht sind und die den Minuspol der Zelle mit der Außenwelt verbinden. Es ist aber schlecht für den Wirkungsgrad.
Der neue Trick besteht deshalb darin, nur unter den Kontakten mit viel Phosphor zu dotieren, dazwischen mit deutlich weniger. Dazu muss die Siebdruckmaschine zweimal ran. Erst wird die Dotierung mit einer speziellen Dotiertinte unter den späteren Kontakten gedruckt. Dann folgt die Dotierung mit Phosphor im Diffusionsofen. Danach muss an der gleichen Stelle die Kontaktierungspaste aufgetragen werden. Die Druckmaschinen müssen dafür deutlich genauer arbeiten, um bei den hintereinander folgenden Schritten die entsprechenden Positionen auf dem Wafer wiederzufinden. „Die XS2 von Asys kann das auf unter 20 Mikrometer genau“, sagt Lars Wende, Vizepräsident von Asys.
Allerdings funktioniert eine Siebdruckmaschine nur so genau, wie die Siebe, die sie verwendet, die Form halten. Diese leiern im Gebrauch aus. „Da hat sich in der letzten Zeit viel entwickelt“, sagt Wende. Dadurch steige der Zellwirkungsgrad um bis zu 0,5 Prozentpunkte und es ließen sich Spitzenwerte von mehr als 17 Prozent auf multikristallinem und von bis zu 18,5 Prozent auf monokristallinem Material erreichen.
Es hängt dabei vom Ausgangsmaterial des Wafers ab, was in absoluten Zahlen herauskommt. Die Tinte stammt von dem kalifornischen Unternehmen Innovalight, das eine Rekordzelle von 19 Prozent Wirkungsgrad meldete. Das Unternehmen nennt in seinen Pressemeldungen die Solarzellenhersteller JA Solar, Yingli Green Energy und Solarfun, die mit der Tinte ihre Effizienzen steigern wollen. So wird der Fortschritt der Zellhersteller nicht nur durch die der Maschinenbauer, sondern auch durch die der Sieb- und Tintenhersteller erst möglich.
Dabei ist die Siebdrucktechnologie nur eine Methode, den selektiven Emitter herzustellen. Es geht zum Beispiel auch mit den Tintenstrahldruckern der Gebrüder Schmid (siehe photovoltaik 11/2009, Seite 74), einem Laserprozess von Manz Automation, mit Anlagen von Centrotherm und von Applied Materials. Die Unternehmen nennen auch bereits etliche Kunden oder Interessenten, darunter Bosch, Conergy und auch wieder Yingli. Bosch Solar erreicht nach eigenen Angaben im Entwicklungslabor auch schon einen Wirkungsgrad von 18,9 Prozent und will nächsten Sommer in die Pilotfertigung gehen. Effizienzwerte um 19 Prozent scheinen also machbar. REC gab auf der Pressekonferenz während der EU PVSEC bekannt, dass die Firma sich jetzt für eine der Technologien entschieden habe.
Bei Zellherstellern ist die Resonanz trotzdem zwiespältig. Jörg Müller, Leiter Forschung und Entwicklung Zellen bei Q-Cells, ist zum Beipiel noch nicht überzeugt. Es komme darauf an, mit welcher Technologie man den selektiven Emitter vergleiche. „Wir haben einen sehr guten homogenen Emitter“, sagt er. Dagegen seien die Wirkungsgradsteigerungen relativ gering.
Ob es sich lohnt, die Zelllinien trotzdem auf den selektiven Emitter umzustellen, hängt vom Aufwand ab. „Einige Konzepte benötigen drei bis vier zusätz liche Arbeitsschritte. Das ist zu viel.“ Ähnlich sieht es Joachim John. Selbst bei nur zwei zusätzlichen Arbeitsschritten benötige man eine Wirkungsgradsteigerung von 0,3 bis 0,5 Prozentpunkten, allein um die Umrüstung zu finanzieren. Müller und John und einige andere setzen deshalb zunächst darauf, die Rückseiten der Zellen zu verbessern.
Oder zuerst das Rückseitenleck
Die Forscher um Joachim John am Imec haben dadurch kürzlich mit monokristallinen Zellen einen Wirkungsgrad von 19,2 Prozent erreicht. Die Zellen seien bereits auf dem Weg zu einem unabhängigen Prüflabor. Dabei ist wichtig, dass sie mit Prozessen hergestellt wurden, für die es serienfertigungstaugliche Maschinen zu kaufen gibt. John hat dazu den Rückkontakt der Zellen modifiziert, eines der Themen, über das in der Fachwelt schon seit etlichen Jahren viel diskutiert wird.
Um das zu verstehen, muss man sich das Funktionsprinzip der Solarzelle vergegenwärtigen. Wenn das Licht auf den Wafer trifft und absorbiert wird, nimmt ein Elektron die Lichtenergie auf und kann sich dadurch frei durch den Wafer bewegen, möglichst zur Vorderseite, wo der Minuspol der Zelle angebracht ist. Dem Siliziumatom, von dem sich das Elektron gelöst hat, fehlt ein Elektron. Anders ausgedrückt: Es besitzt ein Loch. Nun beginnt ein fröhliches Elektronenhopsen. Elektronen füllen das Loch und hinterlassen dadurch woanders ein neues. So wandert auch das Loch durch den Wafer, möglichst zur Rückseite, dem Pluspol. Löchern und Elektronen kann auf ihrem Weg allerdings etwas dazwischenkommen: Störungen, die dazu führen, dass das vom Licht angeregte Elektron und das dadurch entstandene Loch – egal wo sie inzwischen hingewandert sind – wieder zusammenfinden. Physiker nennen das Rekombination.
In dem Fass-Bild von der Solarzelle entsprechen der Rekombination die Lecks, durch die die Energie verschwindet. Die Rückseite ist ein sehr großes Leck (siehe Grafik „Verluste in der Standardsolarzelle“).
Bei den zurzeit käuflichen Standardzellen fließt der Strom von der Rückseite über einen Aluminiumkontakt ab, der großflächig auf dem Siliziumwafer liegt. Der elektrische Kontakt zum Pluspol ist dadurch zwar sehr gut, aber der direkte Kontakt zwischen Metall und Halbleiter führt zu den Rekombinationsverlusten in der Zelle. In der heutzutage produzierten Standardzelle nutzt man deshalb einen Trick. Das Aluminium dotiert den Siliziumwafer an der Rückseite sehr stark positiv. „Dadurch werden die Elektronen ferngehalten und können dort nicht rekombinieren“, erklärt Glunz.
Dieser Effekt funktioniert jedoch mit anderen Schichten, die nicht leiten, viel besser. Das sind sogenannte dielektrische Passivierungsschichten. Das kann etwa Siliziumnitrid, Siliziumdioxid oder Aluminiumoxid sein. Damit sie bezahlbar sind, muss man sie schnell in der Serienfertigung auftragen können. Außerdem leitet diese Schicht keinen Strom. Man muss, um den positiven Pol am Solarwafer zu kontaktieren, die Verbindungen durch die Passivierungsschicht hindurchführen.
Konzepte dafür sind unter den Namen PERC (Passivated Emitter and Rear Cell) und PERL (Passivated Emitter with Rear Locally diffused) schon vor langer Zeit von Martin Green an der Universität von New South Wales, Australien, entwickelt worden. Er hält damit immer noch den Weltrekord für den Wirkungsgrad von monokristallinen Zellen mit 25 Prozent. Die Zellen haben nur einen Haken: Sie sind nur vier Quadratzentimeter groß, und die Methoden, die er zum Beispiel zur Strukturierung der Rückseite benutzt hat, sind teuer, langsam und nicht auf die Serienfertigung übertragbar.
Beste Beschichtung gesucht
In zwei Sitzungen der EU-PVSEC-Konferenz ging es daher nur um diese Rückseitenpassivierung. Wie scheidet man verschiedene dielektrische Schichten ab, wie muss man die Oberfläche vorbereiten, wie gut funktionieren die Zellen. „Seit etwa drei Jahren ist es in der Forschung ein Thema, dass die Passivierung mit Aluminiumoxid noch besser funktioniert als mit anderen Schichten“, sagt Glunz. „Seit einem Jahr diskutiert man sehr stark, wie man es praktisch umsetzen kann.“
Ein Hinderungsgrund für die industrielle Umsetzung ist immer noch, dass man das Aluminiumoxid nicht schnell genug auftragen kann. Eine sehr gute Methode ist die sogenannte Atomic-Layer-Abscheidung. Dazu wird erst eine Vorläufersubstanz auf die Oberfläche gebracht, in einem zweiten Schritt eine zweite, die mit der ersten reagiert. Da die Vorläufer nacheinander angewendet werden und sich jedes Mal nur eine dünne Schicht bildet, lässt sich die Schichtdicke sehr gut kontrollieren. „Das Problem damit ist, das ist ultralangsam“, sagt Glunz.
In der Halbleiterfertigung werden Wafer trotzdem damit passiviert. Dort kommt es weniger darauf an, eine große Fläche passivierter Wafer zu produzieren, sondern Wafer mit komplizierten Schaltungsstrukturen. „Doch diese Anlagen haben einen Durchsatz von 20.000 Wafern pro Monat. Wir brauchen in der Zellherstellung 3.600 Wafer pro Stunde“, sagt Jaap H.M. Beijersbergen, CEO und Mitgründer der niederländischen Firma Levitech. Er entwickelt das Verfahren weiter und hat jetzt eine Methode präsentiert, die inline wie am Fließband funktioniert. Normalerweise werden die notwendigen Prozesse nacheinander in der gleichen Kammer appliziert. Bei Levitech funktioniert das hintereinander an einer acht Meter langen Linie. Nächstes Jahr soll die Maschine bereit sein für eine Fertigung von großen Volumen.
Aber es muss ja nicht das Beste sein, sprich Aluminiumoxid. Zur Abscheidung anderer Rückseitenpassivierungsschichten sind industrietaugliche Maschinen bereits jetzt erhältlich. Centrotherm hat beispielsweise Resultate von Zellen vorgestellt, die das Unternehmen mit einer Technologie namens Centaurus auf industrietauglichen Maschinen produziert habe. Die Zellen aus monokristallinem Silizium haben nach eigenen Angaben einen Wirkungsgrad von 19,1 Prozent, aber nicht nur durch eine Rückseitenpassivierung, sondern gleichzeitig mit einem selektiven Emitter.
Auch die Zellhersteller selbst arbeiten an der Rückseitenpassivierung. Schott stellte dieses Jahr in Valencia eine entsprechende Zelle aus multikristallinem Silizium vor, nach eigenen Angaben mit einem Wirkungsgrad von 18,2 Prozent, was Weltrekord für multikristallines Silizium sei. Sie kommen in dem 17,6-Prozent-Weltrekordmodul zum Einsatz. „Wir testen jetzt die Umsetzung in die Massenproduktion“, sagt Unternehmenssprecher Lars Waldmann. Da sich Schott zuerst auf diese Technologie stürzt, verwundert es nicht, dass auch Waldmann die Wirtschaftlichkeit der selektiven Emittertechnologie auf der Vorderseite anzweifelt. Als nächsten Schritt plane Schott die Kombination mit der MWT-Rückseitenkontaktierung. Q-Cells setzt dagegen zunächst nur auf verbesserte Rückseitenpassivierung und nutzt dafür eine Lizenz des Fraunhofer ISE für die Methode. Bosch Solar will die Rückseitenpassivierung dagegen mit einem selektiven Emitter kombinieren und damit einen Zellwirkungsgrad über 19 Prozent erreichen. Die Roadmaps sind also verschieden.
Den Anfang im Reigen der Verkündung neuer Schritte in der Zellfertigung machte übrigens Suntech im März vor einem Jahr. Suntech meldete, eine Technologie namens Pluto entwickelt zu haben, „die auf dem PERL-Verfahren basiert“. Wer dabei in erster Linie an eine Rückseitenpassivierung denkt, irrt jedoch. Auf Nachfrage erklärt Suntech, dass es die vollständige Pluto-Technologie nur in drei Schritten geben soll. Pluto der ersten Generation besitzt nur eine verbesserte Vorderseite inklusive eines selektiven Emitters. Der Zellwirkungsgrad, den das Unternehmen angibt, liegt in etwa bei dem, was auch die anderen Unternehmen melden, die Aussagen zum selektiven Emitter machen. Allerdings ist Suntech nach eigenen Angaben in der Produktion schon sehr weit. Pro Monat würden inzwischen sechs Megawatt produziert. Insgesamt seien aber Linien mit einer Kapazität von 450 Megawatt „Pluto enabled“. Auf die neue Technologie umzustellen lohne sich aber erst, wenn der Markt sich beruhige, da dann Produktionsausfälle wegen der Umstellung weniger negativ ins Gewicht fielen.
Stopfen mit n-Typ-Zellen
Die vierte der Technologien, die jetzt in die Praxis kommt, um die Rekombinationslecks zu stopfen, ist die sogenannte n-Typ-Zelle. Bei dieser ist Yingli Green Energy Vorreiter. Das Unternehmen hatte sie schon auf der Intersolar in München unter dem Namen Panda vorgestellt. Bei dieser Zelle ist das Basismaterial des Wafers nicht wie üblich p-, sondern n-dotiert. Das reduziert die Verluste im Basismaterial.
Passivierung ist auch in diesem Fall das Zauberwort. Insbesondere auf der Vorderseite ist es schwieriger als in der Standardzelle. Denn bei der n-Typ-Zelle ist die Vorderseite p-dotiert, so wie in der Standard-p-Typ-Zelle die Rückseite. Das Fraunhofer ISE setzt deshalb auch dafür eine Schicht Aluminiumoxid ein und kommt damit auf einen Wirkungsgrad von 23,9 Prozent. Wenn die Forscher Prozesse benutzen, die denen einer möglichen Serienfertigung ähnlich sind, kommen sie auf knapp 20 Prozent.
Auch die Entwickler von Yingli, die mit dem ECN und der Firma Tempress für Diffusionsöfen kooperieren, scheinen das Passivierungsproblem gelöst zu haben. Sie erreichen mit den Panda-Zellen nach Yingli-Angaben einen Wirkungsgrad von 18,5 Prozent in der Produktion. Beachtlich ist, dass sie dieses Ergebnis in nur einem Jahr, in dem sie an der Umsetzung arbeiten, erreicht haben. Die Produktion soll ausgebaut werden. Nächsten Sommer soll eine neue Linie mit 600 Megawatt Kapazität anlaufen.
Die Beispiele zeigen, dass die einzelnen Unternehmen und Institute alle etwas unterschiedliche Roadmaps haben, in welcher Reihenfolge welche Technologie kommen soll. So steht in der Roadmap des Imec die Rückseitenkontaktzelle an letzter Stelle. Bei den Kollegen vom ECN aus den Niederlanden steht sie in Form einer MWT-Zelle ganz vorne, gefolgt vom Umstieg auf n-Typ-Zellen. Yingli nutzt die ECN-Technologie jetzt gleich für n-Typ-Zellen, ohne erst MWT umzusetzen. ECN-Wissenschaftler Paul Wyers hält dementsprechend wenig von Roadmaps. „Wir glauben nicht daran. Wir glauben an grundsätzliche Trends: höhere Effizienzen, dünnere Zellen, billigere Materialien.“
Auch Jörg Müller von Q-Cells hält es nicht für sinnvoll, sich auf Technologien festzulegen, sondern will „den Wirkungsgrad durch evolutionäre Entwicklungen um 0,6 Prozent pro Jahr steigern“. Zurzeit arbeitet das Unternehmen daran, die 19,4 Prozent Zellwirkungsgrad für monokristalline Zellen und die 18 Prozent für multikristalline Zellen, die es in den Laboren erreicht, in die Produktion zu überführen.
Am Ende müssen sowieso alle Löcher eines Fasses gestopft werden, wenn sich der Inhalt nicht immer wieder einen alternativen Weg nach außen suchen soll. Das gilt auch für Solarzellen.
Die verschiedenen Konzepte werden nach Ansicht von Stefan Glunz, der das Fassbild in einer etwas anderen Form gerne zitiert, deshalb über kurz oder lang sowieso konvergieren. Es macht schlicht keinen Sinn, nur auf der Vorder- oder nur auf der Rückseite gut zu sein. Denn wenn man Rekombination auf der einen Seite vermeidet, schlägt sie auf der anderen Seite umso stärker zu Buche.
Alle Löcher schließen
Das ist wie bei einem Fass mit drei Löchern. Wenn dann Vorder- und Rückseite so gut prozessiert sind, dass an ihnen sehr wenig Rekombination auftritt, begrenzt die Rekombination im p-dotierten Basismaterial den Wirkungsgrad. Das ist der Grund, warum der Umstieg auf n-Typ-Silizium als Basismaterial nötig werden kann. „Mit den Zellkonzepten kann man dann im Prinzip einen Wirkungsgrad von 21 Prozent oder mehr erreichen“, sagt Glunz. Am Ende führt die Evolution aber vielleicht sogar zum gleichen Ergebnis wie heute schon Sunpowers Revolution. Sunpower nutzt – wie sollte es anders sein – bereits n-Typ-Zellen.
Die Kosten entscheiden
An dieser Stelle schließt sich der Kreis. Es stellt sich die Frage, wie wichtig der Wirkungsgrad überhaupt ist. Denn am Ende zählen nur die Kosten pro Watt. Nach den Vorstellungen des Halbleiterverbandes Semi, die Axel Metz von Schott Solar auf der EU PVSEC vorgestellt hat, werden sie bis 2020 um weitere 60 bis 80 Prozent im Vergleich zu 2008 fallen. Der größte Teil der Kostensenkung werde von der verbesserten Produktionstechnologie, mehr Standardisierung und einigen weiteren Punkten der Semi-Roadmap kommen. Nur fünf bis zehn Prozent der zukünftigen Kostensenkung führt Metz auf eine Wirkungsgradsteigerung zurück. „Manchmal wird der Wirkungsgrad überbewertet“, sagt er. Wenn man den Blick von den reinen Kosten für die Zellen weg zu den Systemkosten richtet, ändert sich das Bild allerdings etwas.
Denn da spielen zum Beispiel Montagekosten eine Rolle, die von der Fläche abhängen. Je höher der Wirkungsgrad ist, desto kleiner ist die Fläche, so dass es eine indirekte Kostenersparnis gibt.
Es ist schwierig, die Effekte so klar auseinanderzudividieren. „Auch in den letzten zehn Jahren sind nicht nur die Kosten pro Quadratmeter gefallen, sondern auch die Wirkungsgrade gingen um zwei bis drei Prozentpunkte nach oben“, sagt Stefan Glunz. Das führt direkt zu einer Kostenreduktion, wenn für den gleichen Preis mehr Watt die Fabrik verlassen. „Es lohnt sich deshalb nicht, eine Zelle herzustellen, die schlechter ist als der heutige Standard, nur weil sie billiger ist.“ Einige Unternehmen werden den Weg zu höheren Wirkungsgraden und den neuen Zelltechnologien etwas schneller, andere etwas langsamer gehen. Doch dass alle in diese Richtung gehen, dessen ist sich der Wissenschaftler sicher.
In der Semi-Roadmap stehen allerdings einige Verbesserungen im Vordergrund, die noch näher liegen. Zum Beispiel ist darin festgelegt, wie schnell die Wafer dünner werden sollen. Auch sollen die Emitter geringer dotiert werden, nicht nur wie beim selektiven Emitter zwischen den Kontakten, sondern auf der gesamten Fläche. „Dadurch wird die Solarzelle besser, aber es wird immer schwieriger, sie zu kontaktieren“, erklärt Glunz.
Das liegt an der Art, wie die Kontaktbahn hergestellt wird. Erst druckt eine Siebdruckmaschine eine Silberpaste auf die schon fast fertige Zelle, die bereits die Antireflexschicht hat. Dann wird die Zelle erhitzt. Dadurch brennt sich die Paste durch die Antireflexionsschicht durch und verbindet sich mit dem Emitter. Das funktioniert umso besser, je höher der Emitter dotiert ist. „Inzwischen gibt es aber auch Silberpasten, mit denen Emitter kontaktiert werden können, die schwächer dotiert sind“, sagt Imec-Forscher John. Er wählt aber einen anderen Weg und erzeugt Kontakte mit elektrolytischer Nickel- und darauffolgender Kupferabscheidung (Plating), die nur 40 Mikrometer breit sind und auch gering dotierte Emitter kontaktieren. Damit erreicht er einen um nochmals 0,4 Prozentpunkte höheren Wirkungsgrad. Auch das geht mit industriell verfügbaren Prozessen.
Besser warten
Forscher und Zulieferer schaffen so immer wieder Innovationen, die es den Zellherstellern erlauben, neue Wege zu gehen. Auf die Frage, warum es zeitweise so aussah, als ob vor allem asiatische Unternehmen die Zelltechnologie nach vorne bringen, gibt es mehrere Antworten. Jörg Müller von Q-Cells sieht nicht, dass die deutsche Industrie langsamer ist. Sie kündige nur nicht an, was hinterher nicht umgesetzt werde. Außerdem hat Q-Cells zum Beispiel schon vor sechs Jahren auf der PVSEC, in Paris, eine MWT-Zelle vorgestellt. Die Entwicklung sei nur nicht weitergeführt worden, weil sie sich nach Ansicht des Unternehmens kommerziell nicht lohne.
Eine andere Hypothese hat Stefan Glunz. Früher sind die ersten zwei Maschinengenerationen einer neuen Technologie in Deutschland installiert worden. Dann haben Unternehmen in Fernost die schon ausgereiftere Technologie übernommen. „Jetzt ist das oft umgekehrt“, sagt er. Das liegt zum einen daran, dass die chinesischen Unternehmen viel Geld für Investitionen haben. Zum anderen könnte sich das als Vorteil für die deutschen Unternehmen erweisen, weil sie dadurch am Ende die bessere Technologie bekommen. Der Evolution tut das keinen Abbruch. Sie kann am Ende sogar zu Ergebnissen führen, die heute noch revolutionär wären. Eine Verbindung der Sunpower-Technologie mit der HIT-Technologie von Sanyo: Stefan Glunz arbeitet daran.