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Die Mischung macht’s

Auf dem Neubau des Münchner Technologiezentrums (MTZ) ist eine Photovoltaikanlage mit 66,85 Kilowatt Leistung installiert. Die Module sind auf einem speziellen Gründach-Solar-System montiert.

Solargutachter Johann Lorenz war noch gar nicht ganz oben auf der Leiter, da hatte er schon die Ursache für den niedrigeren Ertrag entdeckt. Der Betreiber einer 80-Kilowatt-Anlage hatte ihn von Niederbayern in das Voralpenland bestellt, weil die Anlage auf seinem begrünten Flachdach zu wenig Strom erzeugte. Ein Blick – und Lorenz wusste, dass es an den Kräutern und Gräsern lag, die dort gediehen. Sie waren so hoch gewachsen, dass sie die Unterkanten der Module verschatteten.

„Eigentlich wäre es Aufgabe des Projektierers gewesen, diesen Mangel zu erkennen“, sagt Lorenz. „Aber er hatte das vereinbarte Monitoring vernachlässigt.“ Davon abgesehen war dem Anlagenbauer schon in der Planungsphase ein Fehler unterlaufen, der nun offensichtlich war. Die hoch wachsenden Pflanzen eigneten sich nicht für ein Gründach mit Solarmodulen darauf. Dies ist nur ein Fehler, der bei der Planung eines Gründach-Solarprojektes passieren kann.

Für Handwerker und Projektierer, die üblicherweise Photovoltaikanlagen bauen, sind bepflanzte Dächer meist unbekanntes Terrain. Deswegen empfiehlt es sich, hierfür Fachleute heranzuFoto: Zinco ziehen. Landschaftsarchitekten und Landschaftsgärtner kennen sich mit der Bepflanzung aus. Im Idealfall wissen sie auch, worauf es bei Solarmontagesystemen für Gründächer ankommt.

Doppelter Nutzen

Bepflanzte Dächer mit Photovoltaikanlage darauf sind noch eine Seltenheit in Deutschland. Dabei sprechen viele Gründe dafür. So hat ein Gründach an sich schon viele Vorteile. Der Bewuchs hält das Regenwasser zurück, so dass es nicht in die Kanalisation abgeführt werden muss. Die Pflanzen binden Schadstoffe und Staub aus der Luft. Die Pflanzendecke dichtet das Dach von oben ab, so dass weniger geheizt werden muss. Und sie schafft neue Biotope. Der Besitzer des Gründachs profitiert außerdem von dem Imagegewinn. Besser kann er kaum demonstrieren, dass er etwas für den Klimaschutz tut.

In Kombination mit einer Photovoltaikanlage haben Gründächer noch einen weiteren Effekt. Sie erhöhen den Solarertrag. Dies will jedenfalls Zinco aus Nürtingen herausgefunden haben. Der Spezialist von Dachbegrünungen hat seit 2002 ein spezielles Paket mit Dachbegrünung und Montagesystem für Solarmodule im Programm. Um das Verkaufsargument der Ertragssteigerung mit Fakten zu untermauern, installierte Zinco 2009 eine eigene Messanlage auf einem Versuchsdach. Das Solarteam vergleicht zwei Module, die in unterschiedlicher Höhe über einer Bitumenabdichtung montiert sind mit einem Modul, das auf einem Grasdach installiert ist. 27 Sensoren messen die Zelltemperatur an den Modulunterseiten. Eine Wetterstation erfasst parallel dazu die vorhandene Lufttemperatur, die Windgeschwindigkeit und die Sonneneinstrahlung.

„Die Temperatur des Moduls über der Dachbegrünung blieb am nächsten an der Lufttemperatur, wohingegen die Module über der Bitumenabdichtung deutlich wärmer wurden“, fasst Klaus Wölfl, Produktmanager Solar bei Zinco, das Ergebnis im vierten Jahr der Versuchsreihe zusammen. Zinco kam so zu dem Schluss, dass Solarmodule über einer Dachbegrünung vier Prozent mehr Leistung erbringen als Module über einer Bitumenabdichtung.

Gründach und Solaranlage

Für den Besitzer eines Flachdachs stellt sich die Frage, ob er einen herkömmlichen Dachbelag wie Kies oder Bitumen wählt oder doch lieber einen Pflanzenteppich – und ob darauf noch eine Photovoltaikanlage soll. „Viele Bauherren sind hin- und hergerissen, ob Gründach und Photovoltaik möglich ist“, sagt Martina Renner, Landschaftsarchitektin und Mitarbeiterin bei Neher Landschaftsarchitektur in Sindelfingen. „Wenn es ihnen zu kompliziert erscheint, fällt die Wahl meist auf das Gründach.“ In der Regel steht und fällt die Entscheidung mit der Beratung derinvolvierten Gewerke. Ein Architekt, der sich mit Gründächern auskennt, aber keinerlei Erfahrung mit Photovoltaik hat, wird eher zu einem begrünten Dach raten. Ein Elektriker, der Fachmann für Photovoltaik ist, aber noch nie mit Gründächern zu tun hatte, wird alle Argumente für die Solaranlage in die Waagschale werfen. Ein Landschaftsarchitekt hingegen, der sich mit beiden Gebieten auskennt, kann die Vorteile der Kombination von Gründach und Photovoltaik schildern. „Es ist gut, wenn der Landschaftsarchitekt möglichst frühzeitig eingebunden wird“, sagt Martina Renner. Dies könne Zeit und Kosten ersparen, wie sie selbst bei einem Projekt in Tübingen erfuhr.

Gründach trotz höherer Kosten

2002 gewannen die Landschaftsarchitekten zusammen mit den Architekten Auer und Weber den Wettbewerb für den Neubau des Landratsamtes Tübingen. Für die Entscheidung über den Dachtyp stellte Neher die Herstellungs- und Wartungskosten von Kies- und Gründach gegenüber. Renner und ihre Kollegen errechneten, dass ein Dach mit einem fünf Zentimeter dicken Kiesbelag vier bis sechs Euro je Quadratmeter kostet, ein Gründach mit zwölf Zentimeter dicker Bepflanzung hingegen zwischen 25 und 45 Euro. Trotz der höheren Kosten entschied sich die Stadt, die sich gern ein grünes Image gibt, für das Gründach. Nachdem die Planung abgeschlossen war, erfolgte die Ausschreibung für die Außenanlage inklusive der Dachbegrünungen. Im Mai 2005 sollte die Begrünung starten.

Dazu kam es allerdings zunächst nicht. Denn im April wurde bekannt, dass Tauber Solar, ein Projektierer von Solarkraftwerken auf Dach- und Freiflächen, auf den beiden Hauptgebäuden eine Photovoltaikanlage errichten wollte. Dass das Unternehmen aus Tauberbischofsheim dies auf eigene Kosten machen und auch noch Dachpacht zahlen wollte, machte es für die Kommune umso attraktiver.

Allerdings mussten die beteiligten Gewerke nun ihre Pläne ändern. Der Statiker musste die Auflast der Solarelemente in seine Berechnungen einbeziehen. Die Absturzsicherungen mussten auf die Pflege- und Wartungsbedingungen der Dachbegrünung und Photovoltaik abgestimmt werden. Das Blitzschutzkonzept musste geändert werden. Und auch für die Dachbegrünung hatte der neue Plan Folgen. Denn Tauber Solar brachte ein spezielles Produkt von Zinco ins Gespräch. Bei der sogenannten Solarbasis ist nur eine einlagige Begrünung vorgesehen. Neher hatte zuvor eine Begrünung mit drei Schichten geplant.

Auf kommunalen Dächern

Dachbegrünungen, noch dazu mit Photovoltaik, gibt es insbesondere auf Industrie- und Gewerbedächern. Ein Beispiel ist das Einkaufszentrum InCenter in Landsberg am Lech. Für das Dach mit 18.500 Quadratmeter Fläche und eine Solarstromanlage mit einer Leistung von rund 650 Kilowatt lieferte Zinco 4.500 Unterkonstruktionen zu.

Potenzial haben aber auch kommunale Gebäude. Dies ist unter anderem auf einen Beschluss der Bundesregierung zurückzuführen. Seit 1996 haben Kin- der ab dem dritten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Halbtagsplatz im Kindergarten. Ab 2013 greift dieser Rechtsanspruch auch für unter Dreijährige. Viele Kommunen müssen also neue Kindergärten bauen, um dieser Verpflichtung nachzukommen. Davon profitieren die Landschaftsarchitekten von Neher derzeit. Sie planen gerade das Gründach mit Solaranlage auf zwei neuen Kinderhäusern in Baden-Württemberg. Gerade bei öffentlichen Gebäuden ist es sinnvoll, wenn die Koordination der Gewerke in einer Hand liegt. Denn hier sind viele Fachleute involviert: im Idealfall Architekten, Bauphysiker und Statiker, Hausgebäudetechnikplaner, Elektro- und Solarfachleute, Monteure für die Blitzschutzableitung und für die Grünanlagen Landschaftsarchitekten und -gärtner.

Schritt für Schritt

Wie die einzelnen Schritte aussehen, wenn man ein Gründach mit Photovoltaikanlage anlegt, zeigt das Beispiel von Optigrün International.

Die Dachbegrüner aus Krauchenwies-Göggingen in Baden-Württemberg brachten 2010 ihr Produkt „SolarGrünDach“ auf den Markt. Die Montage übernehmen Partnerbetriebe von Optigrün.Im ersten Schritt legen sie ein Schutz- und Speichervlies auf die wurzelfeste Dachabdichtung beziehungsweise Wurzelschutzbahn auf. Dem Verlegeplan entsprechend, platzieren die Monteure nun darauf die Solaraufständerung „Sun Root“. Das sind rechteckige Plastikteile, die in der Mitte einen Stumpf alsTragefläche für die Module haben. Ist die Reihe komplett, legen die Monteure zwei Anschlussschienen auf die Trägerprofile und verschrauben sie. Anschließend verlegen sie ein Saug- und Kapillarvlies unterhalb der Modulreihen. Auf diese Weise kann auch unter den Modulen angepflanzt werden.

Nun müssen die Aufständerungen gleich beschwert werden, damit sie nicht durch Wind vom Dach wehen oder verrutschen können. Die Auflast ist das Substrat, das die Handwerker dann verteilen. Dies ist zugleich ein Vorteil eines solchen speziellen Gründach-Montagesystems. Durch die natürliche Auflast ist keine Dachdurchdringung nötig. Das Substrat ist eine Mischung aus Lava, Rinderhumus und Tonteilchen. Erde wäre nicht geeignet, da sie bei Regen zu matschig wäre.

Robuste Pflanzen

Anschließend werden die Module auf die Aufständerungen montiert. Ein Elektriker legt die Leitungen und schließt die Anlage an. Dann kommt ein Landschaftsgärtner. Er lockert das Substrat noch einmal auf, insbesondere dort, wo bei den Montagearbeiten Installateure standen oder entlangliefen. Im letzten Schritt streut er die Sedum-Sprossen auf den dafür vorgesehenen Flächen aus. Dies ist der eigentliche Bewuchs. Sedum ist eine spezielle niedrigwüchsige Pflanzenart, die in ihren dicken Blättern gutWasser speichern kann und so auch in kargen Zeiten überlebt. Fetthenne, auch Mauerpfeffer genannt, ist eine Sedum-Pflanze. Von ihr allein gibt es etwa 420 Arten. „Gräser und Kräuter sollte man nicht nehmen, da sie zu hoch wachsen“, sagt Gunter Mann, Marketingleiter bei Optigrün. Außerdem muss die Vegetation den schweren Umgebungsbedingungen standhalten. Sie muss sowohl den Schatten unter den Modulen als auch die manchmal brennende Sonne auf dem Dach vertragen.

Direkt vor den Modulreihen pflanzt Optigrün nicht an. Hier werden Kiesstreifen angelegt. Das Wasser soll über ein Ablaufsystem auf den Vlies unter den Modulen laufen und die Pflanzen dort bewässern. Nach der Bepflanzung sollte der Boden etwa sechs bis acht Wochen nicht betreten werden, damit sich die Wurzeln bilden können.

Nachfrage verhalten

Die Nachfrage nach dem System bezeichnet Mann derzeit noch als „spärlich“. Vielleicht liege das auch daran, dass die Haltesysteme „etwas teurer“ seien als herkömmliche Montagesysteme für Solarmodule, vermutet er. Vielleicht ist ein Grund auch, dass sich die Gebäudeplaner zu wenig mit der neuen Materie auskennen. „Es gibt einzelne Architekten, die sich mit Gründächern auskennen, aber nicht viele“, weiß Klaus Wölfl von Zinco, der schon länger in dem Geschäftsfeld tätig ist.

Ein Landschaftsarchitekt oder -gärtner sollte nach Meinung von Wölfl aber in jedem Fall bei einem Gründach mit Solaranlage involviert sein. Sie wüssten am besten, wie die Unterkonstruktion zu installieren und die Bepflanzung aufzubringen sei, erklärt er. Der Solarfachmann sollte sich möglichst darauf beschränken, die Module zu installieren, die Kabel zu legen und die Anlage anzuschließen.

Chancen in der Nische

Auch wenn dies für einen Solarhandwerker erst einmal nicht lukrativ erscheint, so könnte der eine oder andere doch Interesse haben, in dieser Nische aktiv zu werden. Für sie hat Martina Renner von Neher einen Tipp parat. „Viele Handwerker sind im Gemeinderat aktiv. Sie könnten sich bei der Planung von Neubauten dafür einsetzen, dass in der Ausschreibung neben dem Gründach auch eine Photovoltaikanlage gefordert wird.“ Außerdem könnten sie Lobbyarbeit bei ihren Handwerkskammern dafür machen. Da außerdem immer wieder Gebäude saniert werden, gebe es hier auch langfristig Potenzial.

Wenn nun alles professionell angelegt ist auf dem Dach, so hat auch der Anlagenbetreiber seine Pflichten. Er sollte sich hin und wieder die Mühe machen, auf das Dach zu schauen und den Bewuchs zu kontrollieren. Denn durch Zuflug und Vogelkot können – auch bei der sorgfältigsten, niedrigwüchsigen Bepflanzung – hoch wachsende Pflanzen auf das Dach geraten.

Das wäre dann wieder ein Fall für den Solargutachter.

Ina Röpcke

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