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Die stille Revolution geht weiter

Wie beendet man eine Geschichte, die eben erst begonnen hat? Mehr als zwei Jahrzehnte sollten nach der Entdeckung vergehen, bis die Welt die Wahrheit von Einsteins Photon, dem Treibstoff für jede Solarzelle, akzeptierte. Das Kind der Halbleiterrevolution, das zunächst Satelliten des amerikanischen und sowjetischen Militärs mit Strom versorgte, wurde von Politikern wie Reagan als moderner Schnickschnack bezeichnet, den man niemals zur Stromerzeugung einsetzen würde. Dem Material Silizium,aus dem die ersten Solarzellen gefertigt wurden und das eine der großen technologischen Revolutionen der Welt auslöste, wurde im frühen 20. Jahrhundert kein praktischer Wert zugeschrieben. Das Science Magazine jedoch erkannte das Quantenparadox der weltweit ersten Quantenstromquelle und nannte die Photovoltaik „ein elektronisches Wunder des Raumfahrtzeitalters, das zugleich die höchstentwickelte und die einfachste Solartechnik ist und die umweltschonendste Energiequelle bisher“.Sogar im Moment der Entdeckung wettete man auf die atombetriebene Silizium-Solarzelle. David Sarnoff, der Junge, der als erster Telegrafist den Notruf der Titanic hörte und später an die Spitze von RCA aufstieg, spottete über jene, die an der weltweit ersten praktischen Solarzelle arbeiteten, mit den Worten: „Wer interessiert sich schon für Solarenergie? Sehen Sie, wir haben diesen Konverter für radioaktiven Abfall. Er wird die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, Presse und Wissenschaft auf sich ziehen.“ Im Vergleichzwischen der Atom- und der Solarzelle jedoch lieferte die sonnenbetriebene Anlage 50 Millionen Mal mehr Strom als das nukleare Produkt von RCA!

Dieselbe Skepsis bezüglich der Leistung der Solarzelle bestand, als sie als ideale Energiequelle für Satelliten vorgeschlagen wurde. Das Militär machte sich über die Idee lustig und bestand auf der Verwendung von Batterien, wodurch Millionen Dollar teure Elektronik nutzlos wurde, als die Batterien innerhalb von Wochen verbraucht waren. Dann gab das Militär nach und ließ sich auf Solarzellen ein. Der erste Einsatz 1958 bewährte sich bereits. Seitdem werden 99 Prozent aller Satelliten über Photovoltaik mit Strom versorgt. Solarbetriebene Satelliten dienen dem Militär zur punktgenauen Aufklärung, steuern Kampfhandlungen, senden globale Positionierungsdaten zum Präzisionsbombardement wie etwa mit Tomahawk-Raketen und sind eine Unterstützung bei Sondereinsätzen. Zudem ermöglichen sie die Hochgeschwindigkeitskommunikation zwischen den Truppen im Einsatz und den Kommandeuren. Mit den Worten von General Lyle Lester, dem ehemaligen Kommandeur des Air Force Materiel Command: „Keine amerikanische Militärmacht könnte ohne die Unterstützung aus dem All kämpfen.“

Vielfältige Anwendungen

Solarbetriebene Satelliten werden auch zu großen Teilen für zivile Zwecke eingesetzt. Sie bilden und verbinden Netze für drahtlose Kommunikation, erlauben elektronischen Geldtransfer und ermöglichen Unternehmen, das Festnetz zu umgehen und sich stattdessen über Relaisstationen auf dem Dach zu verbinden, organisieren den Transport von Menschen und Gütern in der Luft, zu Land und zu Wasser und halten den Kontakt zwischen weit voneinander entfernten Arbeitsvorgängen aufrecht, die über den Globus verstreut sind. Satelliten haben zudem die Fernseh-Liveübertragung ermöglicht. Sender wie CNN könnten ohne sie gar nicht existieren. Die Liste von Möglichkeiten könnte Bücher füllen! Nur so viel sei gesagt: Das Leben, wie wir es kennen, würde es ohne die ganze solarzellenbetriebene Elektronik in der Erdumlaufbahn nicht geben.

Damals, in den 1970ern, haben westliche Institutionen wie die Weltbank die Photovoltaik noch nicht einmal für ein aktuelles oder zukünftiges Energieprogramm in Betracht gezogen. Dies bestätigte auch der ehemalige Weltbank-Mitarbeiter Steve Allison: „Die Bank hatte zur Photovoltaik damals überhaupt keinen Standpunkt.“ Daran änderte sich in den 1980ern nichts. „Es war so gut wie unmöglich, sich an die Weltbank zu wenden und ihr Informationen über die Photovoltaik näherzubringen“, bestätigte Terry Hart, jetzt Berater für Solarprojekte der Weltbank in Indien. Die Trägheit der Bank und ähnlicher Einrichtungen in Sachen Photovoltaik war „weniger die Überlegung mangelnder wissenschaftlicher oder technologischer“ Verdienste der Solarzellen, glaubte man beim international angesehenen Wissenschaftsjournal Nature, „sondern viel eher die starke Dynamik, mit der die moderne industrialisierte Gesellschaft sich großen Veränderungen widersetzt“. Bürokratien scheuen alles, was nicht erprobt und konventionell ist. Nach Meinung von Allison hat jeder Funktionär der Weltbank Angst davor, „etwas vorzuschlagen, das sich als falsch herausstellen könnte. Und Gott weiß, was dann mit der Karriere ist!“ Auf dem Energiesektor haben zuerst die Ölunternehmen und das Electric Power Research Institute (EPRI), der Forschungszweig der amerikanischen Versorgungsunternehmen in Investorenbesitz, erfolgreiche Anwendungen auf der Erde publiziert. Anfang 1978 veröffentlichte Shell einen Bericht über Solarenergie, in dem angekündigt wurde, dass die Sonne „womöglich elektrischen Strom über Photovoltaikanlagen für gewisse Remote-Anwendungen zur Verfügung stellen kann, die ansonsten aufgrund der schlechten Zugänglichkeit mit anderen Energiequellen sehr hohe Betriebs- und Wartungskosten zur Folge hätten.“ Auch das EPRI sah deutlich den Wert terrestrischer Photovoltaik in den 1970ern und frühen 1980ern. „Strom hat bei Remote-Anwendungen einen sehr hohen Wert, und Solarzellen erzeugen den Strom günstiger als alle Alternativen“, schrieb das Institut 1981.

Industrielle Remote-Anwendungen – wie etwa die Stromversorgung von Navigationshilfen, Geräte zum Korrosionsschutz, Signalanlagen der Eisenbahn, das Pumpen von Wasser oder die häusliche Stromversorgung – schienen jenen, die über zentrale Stromerzeugung nachdachten, vielleicht trivial. Jedoch, so ein Experte, „kommen die Vorteile zusammen in Bezug auf Feldversuche, Fortbildung der Betreiber und Vertrauen.“ Der Erfolg der Photovoltaik bei der Stromversorgung von abgeschiedenen Mikrowellen-Relaisstationen beseitigte alle bestehenden Zweifel, die die Ingenieure noch bezüglich der Zuverlässigkeit hätten hegen können. Telekommunikationsexperten besuchten internationale Konferenzen und informierten darüber, dass Photovoltaiksysteme besser arbeitenals jeder autonome Stromgenerator. Solches Lob erreichte schließlich die Weltbank und den Weltenergierat, eine Organisation, die große Versorgungsunternehmen überall auf dem Globus vertritt, sowie Führungspersönlichkeiten wie Dr. Hisham Khatib, Mitglied des Ratskomitees für Entwicklungsländer. Es wurde erkannt, dass „Solarzellen für den häuslichen Einsatz eine wichtige Entwicklung sind, die besondere Aufmerksamkeit verdient, da sie ideal für den ländlichen Einsatz mit niedrigem Energiebedarf sind.“ Sowohl Steve Allison als auch Terry Hart registrierten die Anerkennung der Bedeutung der Photovoltaik für Entwicklungsländer durch die Weltbank. Bei einem erneuten Besuch bei der Bank – nach 25 Jahren – konnte Allison kaum glauben, wie viele Mitarbeiter mit der Photovoltaik zu tun hatten. „Es gibt eine ganze Abteilung mit Spezialisten, die nur mit dem Einsatz von Solarzellen beschäftigt waren“, bemerkte Allison. Hart stellte fest: „Das Portfolio der Bank wuchs in Bezug auf Interesse und Engagement rasant.“ Kürzlich teilte die Bank mit: „Es zweifeln nur wenige daran, dass der Photovoltaik eine wichtige und wachsende Rolle bei der Stromversorgung ländlicher Regionen in Entwicklungsländern zukommt, und vielen wird zudem bewusst, dass die Photovoltaik potenzielle Einsatzmöglichkeiten im Stadtrand- und Vorstadtbereich vieler Entwicklungsländer hat.“Durch die anhaltende Revolution in der Telekommunikation gewinnt die Photovoltaik zudem an Gewicht. Die Entwicklung von Solarzellen war seit jeher eng mit Fortschritten in der Telekommunikation verbunden. Die Verlegung des nordatlantischen Telegraphenkabels führte zur Entdeckung der Lichtempfindlichkeit von Selen und letztendlich von dessen Fähigkeit, Sonnenlicht direkt in Elektrizität umzuwandeln. Transistorforschung war die Geburtsstunde der Silizium-Solarzelle, die immer noch der Kern von Photovoltaikanwendungen im Weltraum und auf der Erde ist. Nachfolgende Fortschritte in der Telekommunikation hätten es ohne die Solarenergie buchstäblich niemals nach oben geschafft. Seit dem Telstar-Start im Jahr 1962 laufen die Sender aller Telekommunikationssatelliten mit Photovoltaik. Solarzellen versorgen die Satelliten mit Strom zum Übertragen von Telefonaten, Internetmitteilungen und Fernsehshows an Relaisstationen überall auf der Erde.

Die Verbindung zwischen der Photovoltaik und der Kommunikationsindustrie setzte sich auch auf der Erde fort, als 1980 Solarzellen als bevorzugte Energiequelle für Mikrowellen-Relaisstationen eingesetzt wurden. Die weitere Ausbreitung der Mobilfunknetze führt diese enge Beziehung fort. Jim Trotter berichtet, wie sein Unternehmen Solar Electric Specialties in den Bereich einstieg: „Als wir zum ersten Mal in den frühen 1980ern mit der Photovoltaik zu tun hatten, warenMobiltelefone noch eine Seltenheit und es gab weniger Mobilstationen, die dafür konzentrierter waren. Sie wurden in der Regel auf Berggipfeln installiert, die in den Jahrzehnten zuvor von anderen Sendeunternehmen verwendet worden waren und einen Anschluss ans Stromnetz hatten. Als die Mobilstationen jedoch in neue Gebiete ohne Stromversorgung vordrangen, wäre eine Anbindung ans Stromversorgungsnetz meist teurer gewesen als die Kosten für Solarzellen. Somit waren wir bei den Kosten in vielen Fällen wettbewerbsfähig mit einer Technologie, die in den Anfängen noch gar nicht verfügbar war.“

Telefonieren mit Sonnenenergie

Im Westen ist ein Telefonanschluss für die meisten eine Selbstverständlichkeit. In Afrika hingegen befinden sich 75 Prozent aller Telefonanschlüsse in Städten, wogegen mehr als 75 Prozent der Menschen in ländlichen Gebieten leben. Viele Afrikaner, Asiaten und Lateinamerikaner – tatsächlich über die Hälfte der Weltbevölkerung – müssen mehr als zwei Stunden fahren, nur um einen Telefonanruf zu tätigen. Die Kosten für elektrische Dienstleistungen und die Verlegung von Telefonleitungen bedeuten für einen Großteil der Entwicklungsländer die Isolation. Die einzige Hoffnung sind Satelliten, Mobilfunkservice oder die Kombination aus beidem. In den ländlichen Regionen der Dominikanischen Republik etwa ist „Mobilfunk der einzigverfügbare Telefonservice“, so Richard Hansen. „Wir beobachten, wie Telekommunikationsunternehmen Münztelefone mit Solarzellen aufstellen, für festen Mobilfunk im Gegensatz zum tragbaren in den USA.“ Solarbetriebene Mobiltelefone in Lebensmittelgeschäften oder Restaurants auf dem Land „sind zudem ein gutes Geschäft. So gibt es kleine Mobilfunkzentren“, fügt Hansen hinzu.

Die Grameen Bank in Bangladesch hat ähnliche Pläne für die Entwicklung eines Photovoltaik-Mobilfunknetzwerks. Über ihre Tochtergesellschaft Grameen Telecom wird die Bank 50.000 solarbetriebene Mobiltelefone für eine Million Teilnehmer finanzieren. Die Besitzer der Telefone sind arme Dorfbewohner. Zunächst werden sie die Ausrüstung abzahlen und dann selbst Geld verdienen, indem sie anderen den Telefonservice anbieten.

Die Photovoltaik wird wohl auch andere elektronische Einsatzmöglichkeiten im Privatbereich in den Entwicklungsländern und der entwickelten Welt haben. Auf dem Land lebende Handwerker in Entwicklungsländern zum Beispiel könnten über ihre mit Photovoltaik betriebenen Laptops direkt mit Kunden überall auf der Welt kommunizieren. So könnten Kunden auf Webseiten gezeigte Komponenten betrachten, auswählen und elektronisch bestellen und bezahlen. Durch die verbesserte Kommunikation wären Handwerker von städtischen Vermittlern unabhängig. Der globale Internetzugang würde es den Dorfbewohnern nach entsprechender Ausbildung auch erlauben, relativ gut bezahlter Heimarbeit nachzugehen. Mit derartiger Ausbildung und Ausrüstung „können junge Menschen in der Datenerfassungarbeiten und Transkriptionsdienste für beliebige Unternehmen in der ganzen Welt durchführen, ohne ihr Dorf verlassen zu müssen. Das ist eine bessere Option als die Migration in städtische Slums, um Beschäftigung zu finden“, sagt Nobelpreisträger Muhammed Yunus, Gründer und Geschäftsführer der Grameen Bank. Ähnlich kam eine Studie der Vereinten Nationen zu dem Schluss, dass „der Einsatz der Photovoltaik zur Revolution in der Kommunikation in den Entwicklungsländern führen kann, indem zum ersten Mal eine wirklich praktikable Möglichkeit geboten wird, der Öffentlichkeit in ländlichen Gebieten zuverlässige Kommunikation zu bieten.“ Die Einsatzmöglichkeiten der Photovoltaik in den entwickelten Ländern werden auch immer vielfältiger. So ist zum Beispiel der National Park Service in den USA inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass der von den vielen Generatoren erzeugte Strom nicht nur teurer als Photovoltaikstrom ist, sondern dass der Lärm der Generatoren, die ausgestoßenen Schadstoffe und das Risiko eines Ölunfalls beim Transport von Dieseltreibstoff auf dem Wasser der Mission der Agentur zuwiderlaufen, als Hüter der unberührten Landschaften Amerikas zu agieren. Auch das Verteidigungsministerium hat über 3.000 Megawatt an derzeit mit Dieselgeneratoren produziertem Strom ausgemacht, den die Photovoltaik ökonomischer erzeugen könnte. Das allein ist das Dreißigfache der heutigen Kapazität der Solarzellenindustrie.

Die Privatwirtschaft hat bereits damit begonnen, herkömmliche Generatoren durch Photovoltaikanlagen zu ersetzen. Jahrelang wurden beispielsweise die tragbaren Verkehrswarnschilder, die aufgesperrte Spuren oder vorübergehende Gefahren hinweisen, mit Benzingeneratoren betrieben. „Die Wartung lief jedoch so mies“, so ein Ingenieur, „dass man mit der Einführung von Solarzellen begann.“ Im Grunde ist die gesamte Industrie auf Photovoltaik umgeschwenkt. Bahnbrechende Leuchtelemente, sogenannte LED, haben zum Wechsel von Generatoren zur Solarenergie beigetragen. Die Dioden benötigen so wenig Energie, dass ein kleines Modul nicht nur bei Sonnenschein zur Beleuchtung ausreicht, sondern außerdem die angeschlossenen Akkus für den Betrieb bei Nacht oder schlechtem Wetter auflädt.

  johnperlin@physics.ucsb.edu

Dieses Kapitel wird in der nächsten photovoltaik-Ausgabe fortgesetzt.

John Perlin

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