Doch zu schwer war der Ballast dieses Tankers, nun ist Frank Asbecks Schiff gestrandet. Untergegangen ist es noch nicht, auch wenn die Prognosen nicht erfreulich sind. Im Gegenteil: Erstaunlich pessimistisch liest sich die Selbsteinschätzung des Bonner Konzerns: „Die Geschäftsleitung gelangte nach umfassender Prüfung zu der Überzeugung, dass im Zuge des aktuellen Geschäftsverlaufs und der weiter voranschreitenden Preisverwerfungen keine positive Fortbestehensprognose mehr besteht“.
Die größten Solarfabriken Europas
Damit sei die Gesellschaft überschuldet, es bestehe die Pflicht zur Beantragung der Insolvenz. Für die Tochtergesellschaften der Solarworld AG werde die jeweilige Insolvenzantragspflicht geprüft. Für die Fabriken in Freiberg (Sachsen) und Arnstadt (Thüringen) werde bereits ein Sozialplan verhandelt. Es geht um 3.000 Jobs, um die größten Solarfabriken in Europa.
Nun muss Konzernchef Frank Asbeck den Gang zum Insolvenzgericht antreten. Nun wird es viele Experten geben, die da sagen: „Das haben wir doch schon immer gewusst!“ Nun werden die Fehler aufgereiht: Der viel zu üppige Liefervertrag für Silizium mit Hemlock, die Übernahme des Werks in Arnstadt von Bosch, die Suche nach Lithium in Thüringen, medienwirksame Attacken gegen Module aus Cadmiumtellurid oder gegen die Konkurrenz aus China. Mancher wird sich die Hände reiben: „Endlich muss Asbeck zu Kreuze kriechen!“ Und mancher frohlockt: Nun wird der Liebhaber schneller Autos und feiner Schlösser für seine Arroganz bestraft.
Mehr Ingenieure statt Strafzölle
Tatsächlich reihte sich bei Solarworld seit Jahren eine Kette der Fehlentscheidungen, deren Summe nicht mehr zu leugnen ist. Heraus sticht der unverfrorene Lobbyismus in Washington, Berlin und Brüssel. Statt viel Geld in die Durchsetzung der Antidumpingzölle gegen die Chinesen zu stecken, hätte Asbeck mehr Ingenieure einstellen sollen. Hätte früher erkennen müssen, wohin die Reise in unserer Branche geht. Dass sich der Preiskrieg auf dem Weltmarkt nicht durch bürokratische Hürden aufhalten lässt. Märkte sind stets schneller als die Politik, wir leben nun mal im Kapitalismus. Das ist keine Lehre der Solarbranche, das ist Allgemeingut des Managements moderner Unternehmen.
Aber darum geht es uns heute nicht. Unsere Gedanken sind bei den Mitarbeitern von Solarworld. Ausgerechnet jetzt, wo eine neue Wachstumsphase der Solarwirtschaft auch bei uns zu greifen beginnt, muss der größte Solarkonzern Europas vors Insolvenzgericht. Das ist nicht einmal für die Konkurrenten ein guter Tag, denn die Meldung geht durch die Medien, wird erneut Misstrauen säen, wird dem neuen Optimismus einen gehörigen Dämpfer verleihen.
Pionier seit 1998
Wieder werden wir uns damit befassen müssen, die Verunsicherung in der öffentlichen Meinung zu bekämpfen, müssen die Fragen skeptischer Kunden beantworten. Wenn ein Konzern wie Solarworld in die Schieflage gerät, leidet der Ruf unserer ganzen Branche.
Denn Solarworld war seit 1998 im Geschäft, war einer der Pioniere der Photovoltaik. Das sollten wir nicht vergessen: Frank Asbecks Ausbau der Fertigung von Solarwafern, von Zellen oder die Übernahme der Solaraktivitäten von Shell in den USA gehören in die Gründungsannalen unserer Branche wie die Errichtung der Solar-Fabrik in Freiburg durch Georg Salvamoser oder von Q-Cells in Wolfen oder von Ersol in Arnstadt.
Und es war Frank Asbeck, der als Erster eine verlängerte Werkbank in China aufbaute, den späteren Suntech-Konzern von Zengrong Shi. Auch Suntech ist durch die Pleite gegangen, sogar Trina kam zu Jahresbeginn ins Straucheln und musste einen Investor finden.
Die AG wird verschwinden
Und wir sollten Solarworld nicht zu früh abschreiben. Die Insolvenz bedeutet zunächst nicht automatisch die komplette Zerschlagung oder die Einstellung des Geschäftsbetriebs. Klar dürfte aber sein: Solarworld wird als AG verschwinden, diese Gesellschaftsform hat sich in der Solarbranche wirklich nicht bewährt. Dafür ist die Wertschöpfung in der Modulproduktion einfach zu gering. Dafür ist der Preisdruck zu hoch. Woher sollte eine anständige Rendite kommen? Aus der Fertigung von Solarzellen? Sie war vermutlich einer der Faktoren, die das Betriebsergebnis von Solarworld in die tiefrote Zone zog.
Aleo Solar in Prenzlau, Astronergy (ehemals Conergy) in Frankfurt/Oder, CS Wismar (ehemals Centrosolar), Hörmann ITS Cell (vormals Innotech) in Halle und einige andere Modulhersteller haben sich in der Insolvenz neu aufgestellt, verschlankt und sind nun im Markt erfolgreich – trotz der harten Konkurrenz. Möglicherweise fällt es Frank Asbeck schwer, sein Unternehmen abzuspecken. Aber er hat nun ohnehin nichts mehr zu sagen, das übernehmen andere. Wir wollen hoffen, dass die unternehmerische Substanz dem Markt und der deutschen Solarwirtschaft erhalten bleibt.
Der Job als Geburtshelfer
Noch einmal: Wir sind jetzt bei den 3.000 Mitarbeitern des Unternehmens, die um ihre Arbeitsplätze bangen. Ihnen gilt unsere Solidarität. Wir sind auch bei den Kollegen in Hillsboro in Oregon, wo die Meldung von der Insolvenz des Mutterhauses vermutlich auch über alle Kanäle tobt.
Wir wissen aber zugleich: Am globalen Aufbruch der Photovoltaik wird die Insolvenz von Solarworld nichts ändern. Doch sie verdeutlicht einmal mehr: Die Zeit der Pioniere ist vorbei. Immerhin sei gesagt: Den Job als Geburtshelfer der Photovoltaik hat Frank Asbeck mit seinem Team ganz ordentlich erledigt. So gesehen, schulden wir ihm zumindest Respekt. Wir alle in dieser Branche, die offenbar noch kein Selbstläufer ist.