Zu den verschiedenen Ansätzen zur Senkung der Kosten für Solarzellen gehörte es, eine geringe Menge photovoltaisch aktiven Materials auf ein günstiges Trägermaterial wie Glas oder Kunststoff aufzubringen. Bei dieser Art von Solarzellen spricht man von Dünnschicht. Lange Zeit wurde geglaubt, dass dieses Verfahren eine deutlich geringere Menge der teuren Photovoltaikkomponenten benötige und die Automatisierung begünstigen könne. Mitte der 1950er Jahre teilte DarrylChapin, der bei Bell Laboratories arbeitete, diese Meinung in der Hoffnung, dass andere Technologen „einen neuen Prozess entwickeln würden, mit dem eine große Oberfläche lichtempfindlich gemacht werden könnte ohne die Herstellung von großen Monokristallen“.
Ein Jahrzehnt später meinte Dr. Fred Shurland, Wissenschaftler bei der Clevite Corporation in Cleveland, die Lösung zur Herstellung eines günstigen Photovoltaikgeräts genau nach Chapins Vorstellungen gefunden zu haben. Shurland ersetzte Silizium durch Cadmiumsulfid, das auch den photovoltaischen Effekt erzeugt. Es schien einfach, Kunststoff oder Glas mit einer dünnen Schicht Cadmiumsulfid zu bedampfen oder zu besprühen. Shurland versicherte seinen Kollegen: „Es gibt nichts in Bezug auf die benötigten Materialien, das Zellendesign oder die Herstellungsverfahren, das darauf hindeuten würde, dass Cadmiumsulfid-Zellen nicht in Massenproduktionsehr günstig hergestellt werden können.“ 1967 schien die erschwingliche Solarzelle für den Massenmarkt in greifbarer Nähe zu sein, was die Chemical Week in ihrer Ausgabe zum 1. April dazu veranlasste zu verkünden, dass Shurlands Unternehmen „die Entwicklung einer neuen Solarzelle geschafft hat, die günstig in Massen produziert werden kann durch die Aufbringung von Cadmiumsulfid auf Kunststoff“.
Trotz solch sonniger Erwartungen hat es nie eine brauchbare kostengünstige Cadmiumsulfid-Zelle gegeben. Einige Zellen von Clevite funktionierten im Freien über einen Zeitraum von sieben bis acht Jahren gut. Die meisten jedoch verloren ihre gesamte Leistung, wenn sie der Witterung ausgesetzt wurden. Bis heute ist es ein Rätsel, warum einige durchgehend liefen, während der Rest zerfiel. Trotz des Fiaskos bei Clevite und einer Warnung der Nasa, dass Cadmiumsulfid-Zellen „nur dann sehr stabil sind, wenn sie nicht Licht, Sauerstoff und Wasserdampf ausgesetzt sind“, investierten die US-Regierung und auch private Investoren wie Shell Oil Geld und Hoffnung in Cadmiumsulfid für den Masseneinsatz in der Photovoltaik. In den frühen 1980ern wandten sich die meisten von der Erforschung des Materials ab, weil es ihnen nicht gelang, eine langlebige effiziente Zelle hervorzubringen. Die Entdeckung einer Solaranlage, die die Lichter und Geräte in Amerika mit den kostenlosen Strahlen der Sonne betreibt, trieb die Forscher weiterhin an.
Alternativen zu Cadmiumsulfid
Während sich in den 1960ern und 1970ern die meisten Labore bei der Suche nach einer kostengünstigen Photovoltaikanlage auf Cadmiumsulfid konzentrierten, gab es Wissenschaftler, die anderen Materialien Beachtung schenkten. Elliot Berman hatte zunächst bei Exxon Interesse an der Idee geweckt, kostengünstige Solarzellen aus Farbstoffen herzustellen, die Sonnenlicht in Elektrizität umwandeln – eine Idee, die kürzlich wieder in abgewandelter Form aufgekommen ist. Berman sah vor, Farbstoffe im Roll-to-Roll-Verfahren auf ein fortlaufendes Material aufzubringen, ganz ähnlich wie bei den Produktionstechniken in der Fotoindustrie. Exxon ließ von diesem Ansatz ab, da es den Forschern nicht gelang, wirtschaftlich attraktive Wirkungsgrade zu erzielen.Ein Team bei RCA unter der Leitung von David Carlson arbeitete auch an einer günstigeren Solarzelle. Das Öl-Embargo von 1973 und die anschließende Vervierfachung der Erdölpreise hatten Carlsons Interesse an Solarstrom geweckt. Anfangs versuchte er, eine dünne Schicht von polykristallinem Silizium auf gängige Materialien wie etwa Glas aufzubringen, so wie Shurland es bereits mit Cadmiumsulfid getan hatte. Bei Lichteinstrahlung zeigten einige seiner Dünnschicht-Lösungen einen kleinen, aber signifikanten photovoltaischen Effekt. Das RCA-Team war so überzeugt, dass Carlson erfolgreich eine Dünnschichtform polykristallinen Siliziums erreicht hatte, dass der für Messungen zuständige Wissenschaftler Christopher Wronski die Berechnungen, die zu seinen Schlussfolgerungen führten, auf den Eigenschaften von polykristallinem Silizium aufbaute. Das führte zu „haarsträubenden Ergebnissen, unmöglichen Zahlen“, erinnerte sich Wronski. Als die Röntgenanalyse der vermeintlichen polykristallinen Dünnschicht aus dem Labor zurückkam, entdeckte Wronski, dass er falsch gelegen hatte. „Die Röntgenstrahlen brachten keine Hinweise auf Kristallinität hervor“, sagte Carlson. „Es stellte sich heraus, dass ich eine Zelle aus amorphem Silizium geschaffen hatte, also Silizium, das nicht die geordnete interne Struktur von kristallinem Silizium aufweist. Ich war einfach darüber gestolpert.“ Nach viel Feinabstimmung war es Carlson und seinen Mitarbeiten zwei Jahre später, im Jahre 1976, gelungen, den Wirkungsgrad ihrer neuen Solaranlage von weniger als 0,2 auf bedeutende 5,5 Prozent zu steigern. Sie berichteten von ihrer Errungenschaft in der Zeitschrift Applied Physics. Die renommierte Fachzeitschrift Science nannte die Arbeit bei RCA „die vielleicht faszinierendste jüngste Entwicklung“ bei den Solarzellen. Die Ankündigung führte zu Aufregung in aller Welt, denn die Zellen hatten, wie David Carlson schrieb, „das Potenzial, kostengünstigen Strom zu erzeugen, da günstige Materialien wie Stahl und Glas als Substrate verwendet werden konnten“.
Der relativ hohe Wirkungsgrad erstaunte viele Wissenschaftler, da die bisherigen theoretischen Modelle laut Carlson vorausgesagt hatten, „dass aus amorphen Materialien keine guten Solaranlagen gebaut werden könnten“.Es gab den Konsens, „dass Solarzellen aus amorphem Silizium einen Wirkungsgrad von einem Prozent niemals überschreiten könnten“, und somit ignorierten viele Wissenschaftler amorphe Materialien. „Zum Glück“, schrieb David Adler, ein Wissenschaftler, der mit der Entwicklung bei RCA vertraut war, „ließen sich Carlson und seine Mitarbeiter nicht von dieser Logik abschrecken.“ Der folgende starke weltweite Anstieg der Forschungsaktivitäten in Bezug auf amorphes Silizium zeigte, dass Carlson und sein Team da erfolgreich waren, wo andere Forscher gescheitert waren. Vor den ersten Arbeiten bei RCA untersuchten die meisten Experimentatoren lediglich reines amorphes Silizium, dessen völlig ungeordnete Zusammensetzung den Gebrauch des Materials als elektronisches Gerät ausschließt. Durch die versehentliche Verunreinigung des amorphen Siliziums mit Wasserstoff hatten Carlson und sein Team die photovoltaischen Eigenschaften deutlich verbessert. Der Wasserstoff verhielt sich wie ein molekularer Handwerker. Er begradigte durch Bildung chemischer Bindungen mit den freihängenden Siliziumatomen die unordentliche interne Struktur des reinen amorphen Siliziums. Als „beste“ Variante des amorphen Siliziums stellte sich eine „Silizium-Wasserstoff-Legierung“ heraus, gemeinhin als hydriertes amorphes Silizium bekannt.
Als sich das RCA-Team eingehender mit dem Verhalten des hydrierten amorphen Siliziums befasste, schien das Material selbstzerstörerische Züge aufzuweisen. Die Entdeckung wurde gemacht, als Wronski die Messdaten eines der Sonne ausgesetzten Musters erfasste. Sein Mitarbeiter David Staebler testete das Muster etwa einen Monat später, und die Ergebnisse stimmten nicht überein. „Wir stritten dann darum, wer richtig gemessen hatte“, erinnerte sich Wronski. „Schließlich fanden wir heraus, dass wir beide richtig gemessen hatten, und kamen zu dem Ergebnis, dass mit dem Material etwas ganz und gar nicht in Ordnung war – es kam im Sonnenlicht zur Degradation.“ Diese Erkenntnis jagte den RCA-Mitarbeitern einen ordentlichen Schreck ein. „Wir waren deswegen sehr besorgt“, gab Wronski zu.
Problem Degradation
Weitere Studien brachten Erleichterung. Es zeigte sich, dass Zellen aus hydriertem amorphem Silizium zwar während der ersten paar Monate degradierten, sich dann jedoch stabilisierten. „Es war kein katastrophaler Fehlschlag. Die Sache war vorhersehbar“, erinnerte sich Carlson. Die Zellen verhielten sich wie Jeans:Man kauft sie ein wenig zu groß, weil sie bei der ersten Wäsche vorhersehbar schrumpfen. Bei weiteren Wäschen behalten sie jedoch ihre Größe. Und aus dem Labor von Joe Haneck, Mitglied von Carlsons Forschungsteam, kamen noch bessere Nachrichten. „Joe hatte entdeckt, dass die Degradation sinkt, wenn die Zellen sehr dünn gefertigt werden“, so Carlson. Eine sehr dünne Zelle, die etwa 100-mal dünner als eine kristalline Zelle ist, senkt zudem die Menge des benötigten Ausgangsmaterials erheblich.
RCAs Lösung der Degradations-Problematik und der Erfolg bei der Steigerung des Wirkungsgrads von laborgefertigten Zellen auf eine Rekordzahl von zehn Prozent im Jahr 1982 verstärkten das Interesse an hydriertem amorphem Silizium. Es löste Cadmiumsulfid als erwarteten Nachfolger der arbeits- und energieintensiven kristallinen Solarzelle ab. Ein dreistelliger Millionen-Dollar-Betrag wurde jährlich in Forschung, Entwicklung und Vermarktung gesteckt, was zu einer besseren Zusammensetzung für bessere Solaranlagen führte. Zudem führten die Zugabe von Kohlenstoff und non noch größeren Mengen des Wasserstoffgemischs in den Gasen zur Herstellung von amorphen Siliziumlegierungen zu einer Verbesserung. Die Entwicklung von Mehrschichtzellen erhöhte denWirkungsgrad und die Stabilität. Der Wirkungsgrad der Zellen lag jedoch immer noch bei weniger als der Hälfte der kristallinen Konkurrenz.
Allmählich entwickelte sich eine amorphe Dünnschichtbranche, deren Produktion sich vom Labor in die Fabrik verlagerte. Nach mehr als einem Jahrzehnt mit begrenzter Produktion haben einige Unternehmen inzwischen Fabriken gebaut, die Solarmodule aus hydriertem amorphem Silizium mit einer Kapazität im Megawatt-Bereich herstellen können. Der Wirkungsgradverlust amorpher Zellen bei Sonneneinstrahlung führte bei der Forschung von Harold McMaste und Norman Nitchke zu einer Kursänderung. Sie stellten ihre Arbeit an amorphem Silizium ein, um ein anderes Material zu erproben: Cadmiumtellurid. Sie lernten das Bedampfen mit pulverisierten Cadmiumtellurid-Partikeln, die dann als dünne Schicht auf einer großen Glasplatte erstarren. Der Erfolg beim Aufbringen von Cadmiumtellurid-Dampf auf Glas hat zu einem weiteren Dünnschichtmaterial in der Photovoltaikbranche geführt. Ihre Arbeit brachte die günstigsten Module auf dem Markt hervor, auch wenn sie beim Wirkungsgrad deutlich hinter Silizium liegen.
Zugpferd Silizium
Kristalline Silizium-Solarzellen sind weiterhin das Zugpferd der Branche. Durch ihren hohen Wirkungsgrad und die Lebensdauer sind sie bis heute das Material der Wahl für die meisten Anwendungen. Sie haben von den Entwicklungen und Entdeckungen der letzten 60 Jahre in der gigantischen weltverändernden Silizium-Halbleiter-Industrie profitiert. Es gab seit ihrer Entdeckung bei Bell Labs viele Fortschritte. Bill Yerkes zum Beispiel hat in den 1970ern kostengünstige, leicht verfügbare und langlebige Materialien zur Aufnahme von photovoltaisch aktivem Silizium vorgestellt, die sich zur Massenproduktion eigneten. Er wählte gehärtetes Glas als obere Abdeckung. Es war robust, wurde überall hergestellt und reinigte sich bei Regen selbst. Zudem fanden Yerkes und seine Kollegen einen Weg, Kontakte durch Siebdruck effizienter auf die Zellen aufzubringen, und zwar mit derselben Methode, mit der T-Shirts bedruckt werden.
Lichtfallen durch Texturierung des Siliziums verbesserten zudem die Leistung und verringerten die pro Zelle benötigte Menge an Silizium. Wenn man die kristallinen Wafer mit amorphem Silizium beschichtet, können mehr durch Photonen freigegebene Elektronen die Kontakte erreichen, was den Wirkungsgrad der Zellen erhöht. Die metallischen Kontakte auf dem Silizium wurden zur Verminderung von Schatten noch dünner, wodurch die Aufnahme von Sonnenlicht durch die Module erhöht wurde.
Geburt der Rückseitenzellen
Mehrere Hersteller haben der Metallisierung auf der Vorderseite völlig abgeschworen und eine Möglichkeit gefunden, die Kontakte auf der Rückseite der Zellen anzubringen, so dass die Zellen komplett von der Sonne bestrahlt werden. Der Wirkungsgrad hat das Drei- bis Vierfache dessen erreicht, was die Bell Labs geschafft hatten. Immer dünnere Zellen und eine zunehmend automatisierte Produktion führten auch zu einer Preisreduktion. Verbesserungen sorgen auch weiterhin dafür, dass Silizium das am meisten eingesetzte Material ist.
Die Anzahl der Materialien auf dem Markt ist riesig. Darunter befinden sich kristallines Silizium, amorphes Silizium, Cadmiumtellurid und Kupfer-Indium-Diselenid. Zu den neuen Photovoltaikmaterialien werden Farbstoffe gehören, die die Photosynthese nachahmen und dabei noch effizienter als die Natur sind, sowie lösliche Photovoltaikmaterialien, die Tinten oder Farben beigemischt werden können und zum Drucken beziehungsweise Aufstreichen oder Aufsprühen auf eine Oberfläche geeignet sind. Die Zeit wird zeigen, welche Materialien dominieren. Vielleicht werden sie alle einen Teil des wachsenden Bedarfs an treibhausgasfrei erzeugtem Strom decken.
Ein Punkt scheint jedoch unstrittig zu sein: In den 1980er stritten die Menschen darüber, ob der Preis für Photovoltaik jemals weit genug sinken würde, um mit Netzstrom konkurrieren zu können. Gegen Ende des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts sind sich inzwischen alle einig, dass es nur eine Frage der Zeit ist.
johnperlin@physics.ucsb.edu
Im nächsten Teil unserer Serie erörtert John Perlin, wie die anhaltende Revolution in der Telekommunikation die Rolle der Photovoltaik stärkt.