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Licht aus allen Richtungen

„Made in Japan“ steht für Qualität – und für viele auch für Vertrauen. Die Japaner waren in Sachen Kreativität und praktischer Umsetzung dieser kreativen Energie oft Vorreiter. Ob Umstieg auf Nickel für kritische elektrische Kontakte oder Kohlenstoff-Nanoröhrchen: Die Suche nach höherem Wirkungsgrad, besserem Design und niedrigeren Kosten geht weiter. Josuke Nakata beispielsweise wurde vom Regen inspiriert: Der Erfinder beobachtete Regentropfen im Fall und setzte das in ein praktisches, vom Menschen geschaffenes Produkt um. Man mag es Biomimetik oder reine Vision nennen, das Ergebnis jedenfalls ist kugelförmig und unter der Bezeichnung Sphelar jetztverfügbar: Josuke Nakata hat eine Solarzelle ersonnen, die in ihrer Gestalt und ihrer Funktionsweise von der Norm abweicht, wie er auf der PV Expo Japan demonstrierte.

Kugelförmige Zelle

Die Idee der kugelförmigen Zelle ist nicht neu. In den 1990er Jahren versuchten sich Texas Instruments daran. Es scheint jedoch so, als habe erst das japanische Unternehmen Kyosemi, für das Josuke Nakata arbeitet, sie ins Rampenlicht geholt. Kenichi Taira, stellvertretender Geschäftsführer am Firmensitz in Hokkaido, erklärt, dass die Sphelar-Technologie auf kleinen, kristallinen Siliziumkugeln mit einem Durchmesser von ein bis zwei Millimetern basiert. Die Zellen können dann über dünne Fäden miteinander verbunden werden, und die Strings werden in einem Raster angeordnet und entweder von Glas oder einer klaren, flexiblen Membran eingeschlossen. Nakata fügt hinzu, dass die Reinheit bei 99,9999 Prozent liege. Dann zeigt er ein Muster seiner wahr gewordenen Vision: ein EVA-Bogen mit kugelförmigen Zellen, die in gleichmäßigen Reihen angeordnet sind.

Die Siliziumkugeln können aufgrund ihrer Form Licht aus allen Richtungen einfangen, direktes ebenso wie diffuses und reflektiertes Licht. Zur Formung der Kugeln aus geschmolzenem Siliziumwird Mikrogravitation genutzt. Lässt man geschmolzenes Silizium aus 14 Metern Höhe hinuntertropfen, gibt die Oberflächenspannung dem Silizium eine fast perfekte Kugelform. Unter weltraumähnlichen Mikrogravitationsbedingungen kommt es innerhalb von 1,5 Sekunden zur ungehinderten Kristallisation. Das Ergebnis ist die Entstehung tausender einzelner Siliziumkügelchen pro Sekunde, und die Segregationseffekte während der Erstarrung gewährleisten eine hohe Reinheit. Taira erklärt: „Bei Kyosemi befinden sich verschiedene Techniken zur Herstellung von Kugeln aus geschmolzenem Silizium in der Entwicklung. Das Tropfverfahren ist nur eine davon.“ Die Sphelar-Zelle ist mit den gleichen photoelektrisch aktiven Schichten versehen wie konventionelle Zellen. Die Bausteine der Solarzelle, die p-n-Übergänge, werden mit Hilfe eines n-plus-Diffusionsverfahrens gefertigt, das für p-n-Übergänge sorgt, die parallel zur Oberfläche sind. Zur Befestigung der Elektroden wird eine Silberpaste verwendet. Die Elektroden befinden sich an Ober- und Unterseite der Kugeln, um eine Verbindung zwischen n-dotiertem Emitter und der p-dotierten Basis herzustellen. Neben dem Solarsilizium testet das Unternehmen auch andere Stoffe als Ausgangsmaterial. So hat Kyosemi laut Taira probeweise Germanium- und Gallium-Antimonid-Kugeln mit dem Tropfverfahren produziert. Die praktische Umsetzung liegt jedoch noch in der Zukunft.

Tropfverfahren verhindert Schnittverluste

Das Schneideverfahren von kristallinen Ingots hat – im Gegensatz zu Siliziumtropfen – einen Nachteil: Schnittverluste, also Materialverschwendung. Dem Bericht „Solar Generation: Solar Photovoltaic Electricity Empowering the World“ der European Photovoltaic Industry Association und Greenpeace International zufolge führt das Schneideverfahren beim Silizium zum Materialverlust von bis zu 40 Prozent. Ein Laser-Cutter kann den Verlust zwar verringern, ist jedoch nur für Ingots einsetzbar, die mit dem String-Ribbon-Verfahren beziehungsweise EFG-Verfahren hergestellt wurden. In der Photovoltaikwelt wird bis 2020 mit einer Reduktion der Waferstärke auf weniger als 100 Mikrometer gerechnet sowie einer Verminderung der Schnittverluste, um Silizium zu sparen. Laut Nakata gibt es bei den Produktionsmethoden von Kyosemi kaum Schnittverluste, was wiederum kaum beziehungsweise keinen Verlust an Silizium bedeutet.Der Wirkungsgrad der Zelle kann außerdem gesteigert werden, wie Nakata und Taira hervorheben. Taira fügt hinzu: „Die Leistung der einzelnen Zellen wird unter anderem durch optimales Zelldesign, die Optimierung von Getter- und Passivierungstechniken und passende Antireflex-Beschichtungen noch weiter verbessert werden. Zur Leistungssteigerung der Module sollte der Lichtfang voll berücksichtigt werden.“ Herkömmliche Solarmodule werden einer Reihe von Tests unterzogen und erhalten dann Zertifizierungen, etwa von TÜV oder UL. Laut Taira wurden für die jetzt erhältlichen Lowpower-Module bereits eine breite Palette von Dauertests durchgeführt. „Wahrscheinlich müssen wir für unsere Sphelar-Technologie ein eigenes Zertifizierungsverfahren entwickeln. Ich kann bestätigen, dass zumindest die Zelle selbst sehr kompakt, langlebig und wiederverwendbar ist“, fügt er hinzu.

Das Unternehmen hat 15 mal 15 Zentimeter große Sphelar-Module mit Verbundglas getestet. Ein Modul bestand aus 2.100 Sphelar-Zellen und war in einerPolyvinylbutyral-Matrix verkapselt. Für eine vergleichende Analyse wurden im Handel erhältliche flache, kristalline Photovoltaikmodule verwendet. Die Tests wurden im Sommer, Herbst und Winter 2009/10 im japanischen Eniwa auf der Insel Hokkaido durchgeführt. Zwei Sphelar-Module sowie zwei herkömmliche Module wurden vertikal aufgebaut, wobei ein Paar nach Süden ausgerichtet wurde, das andere nach Westen. Das Team analysierte und bewertete eine Reihe von Faktoren. Mit einem computergestützten Datenerfassungssystem wurden meteorologische Daten sowie Bestrahlungs- und Photovoltaikdaten gespeichert. Die Modulleistung wurde an verschiedenen Tagen erfasst.

Positive Testergebnisse

Die Ergebnisse, so Kyosemi, zeigten, dass das Sphelar-Modul in jeder Jahreszeit einen größeren täglichen Energieertrag erzielte als das Standardmodul. Über die gesamte Testperiode hinweg lag der Energieertrag bei Sphelar ebenfalls höher, sowohl bei der Süd- als auch bei der Westausrichtung. Und auch bei der monatsweisen Betrachtung zeigte sich, dass das Sphelar-Modul immer einen höheren monatlichen Energieertrag hatte als die herkömmlichen Module. Insgesamt ergaben die Tests also einen höheren monatlichen Energieertrag unabhängig von der Ausrichtung, eine stabile Energieabgabe sowie eine geringere Abhängigkeit von den Jahreszeiten. Taira fügt hinzu: „Der Wirkungsgrad und die Spitzenleistung unter Standard-Testbedingungen dienen immer noch häufig zur Einstufung traditioneller flacher Photovoltaikmodule,die nur auf Licht reagieren, das auf die Vorderseite des Moduls fällt. Solche Standards bewerten jedoch nicht das Potenzial von Sphelar-Modulen, die Sonnenlicht aufgrund ihres einzigartigen kugelförmigen Aufbaus dreidimensional einfangen.“ In Sachen Design hat es das Unternehmen wohl geschafft. Die Module wären aufgrund ihrer Leichtigkeit und Biegsamkeit für Projektentwickler geradezu ideal, außerdem für Architekten, die Produkte suchen, bei denen sich Ästhetik mit Funktionalität verbindet, die also Energie erzeugen, ohne beim Gebäudedesign Kompromisse zu erzwingen. Aber BIPV ist ein Nischenmarkt, und beim Wirkungsgrad liegen die Sphelar-Zellen unter Standard-Testbedingungen bei etwa 13 Prozent – was Taira jedoch nicht überbewerten möchte, um keinen Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen anzustellen. „Der Wirkungsgrad und die Spitzenleistung unter Standard-Testbedingungen dienen immer noch häufig zur Einstufung traditioneller Photovoltaikmodule, bei denen nur eine flache Oberfläche zur Nutzung des Sonnenlichts eingesetzt werden kann. Solche Standards werden jedoch nicht dem vollen Potenzial der Sphelar-Zelle gerecht“, erklärt er. Die Frage ist daher: Können die Sphelar-Module ihrer Doppelrolle gerecht werden, also ein attraktives BIPV-Produkt sein und gleichzeitig genügend Strom erzeugen?

Christian Steinberg, Senior Consultant der Solarpraxis AG, meint, dass der BIPV-Markt, der selbst ein Nischenmarkt ist, Andersartigkeit belohnt. „Es ist in diesem Marktsegment von entscheidender Bedeutung, wie sehr sich Produkte voneinander unterscheiden und herausstechen. Für ein Produkt ist Einzigartigkeit auf dem Markt schon ein Verkaufsargument. Das kann bei Sphelar der Fall sein.“ Tatsächlich hat Sphelar trotz seines niedrigeren Wirkungsgrads ein Alleinstellungsmerkmal, und das wird das Produkt nach Meinung der Entwickler in den Massenmarkt bringen.

Ein weithin anerkannter Faktor bei BIPV ist die Möglichkeit, Module so zu integrieren, dass natürliches Licht in das Gebäude fällt. Bei Sphelar gibt es zusätzlich die Möglichkeit, dieses Licht über einen weißen Vorhang oder Jalousien zurück ins Modul zu reflektieren, wenn keine Raumbeleuchtung benötigt wird. Bei herkömmlichen Anwendungen„verlorene“ Energie kann hier eingefangen werden. Die Zellen haben außerdem eine hohe Biegsamkeit und passen in verschiedene und auch außergewöhnliche Modulformen, was ihnen einen Vorsprung verschafft gegenüber der üblichen rechteckigen Form, an die man sich in der Regel halten muss. Es bietet sich die Möglichkeit, ein ganzes Bild auf der Gebäudefassade zu entwerfen und dennoch Energie zu erzeugen. Das Sphelar-Modul reagiert zudem weniger empfindlich auf teilweise Verschattung. Das liegt an der seriell-parallelen Verschaltung der Zellen.

Kyosemi ist unter anderem eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem spanischen Unternehmen Robotiker Energía, Tecnalia eingegangen; das Projekt wurde 2009 auf der EU PVSEC in Hamburg vorgestellt. Die Zusammenarbeit sah die Entwicklung einer BIPV-Vorhangfassade vor, basierend auf der Sphelar-Technologie und Tecnalias Konzept für dezentrale Elektronik. Die von Tecnalia durchgeführten Tests zeigten, dass die BIPV-Lösung mit Sphelar im Vergleich zu anderen BIPV-Materialien mit derselben Leistung zu besserenErgebnissen, einem höheren Wirkungsgrad und einer geringeren mit Zellen bedeckten Fläche führte.

Interesse aus Europa

Die Visionäre Nakata und Taira sind von den Perspektiven von Sphelar und der möglichen Design-Revolution begeistert. Bei der letzten PV Expo Japan in Tokyo stellte das Unternehmen ein kleines Elektroauto aus, dessen Front und Dach mit Sphelar-Zellen bedeckt war, und zeigte damit andere Einsatzmöglichkeiten für ihre Entwicklung. Den Menschenmengen am Stand von Kyosemi nach zu urteilen, war das Interesse der Besucher riesengroß. Nakata bestätigt das. Nach Ansicht des Erfinders kommt die meiste Aufmerksamkeit aus Europa, und zwar von Unternehmen, die Interesse daran haben, in die Verwendung von Sphelar einzusteigen und zusammen mit Kyosemi an der Optimierung des Produktionsverfahrens und des Wirkungsgrads zu arbeiten. Gebäude, bei denen kleine, integrierte Siliziumkügelchen Energie erzeugen, scheinen also gar nicht so abwegig zu sein.

Shamsiah Ali-Oettinger

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