Seit einigen Jahren gibt es in Holland ein Ausschreibungsverfahren für große Solaranlagen. Unter dem Namen SDE+ werden jährlich in zwei Runden Förderbeträge für erneuerbare Energien ausgeschüttet.
Der Anteil der Photovoltaik an den bezuschussten Projekten steigt kontinuierlich. Da ähnlich wie in Deutschland mit dem Zuschlag auch die Frist für die Fertigstellung läuft, werden seit letztem Jahr beständig größere Projekte realisiert. Das treibt den Zubau in bemerkenswerte Höhen, Neuinstallationen in Größenordnungen von deutlich über einem Gigawatt Leistung könnten es in diesem Jahr werden.
„Ich finde das Ausschreibungsverfahren sehr klar und übersichtlich“, sagt Tobias Friedrich. Er ist Key Account Manager bei Goldbeck Solar und verantwortlich für die Aktivitäten im niederländischen Markt.
Klare Sache
Um sich an der Ausschreibung zu beteiligen, müssen schon viele Dinge geklärt sein. Die Pachtverträge müssen vorliegen oder das Land gekauft sein, die Baugenehmigung muss vorliegen. Ebenso muss das Netzgutachten bestätigen, dass der produzierte Strom auch vom Netz aufgenommen werden kann, und ein Wirtschaftlichkeitsgutachten vorliegen.
Die im Ausschreibungsverfahren festgestellten Vergütungssätze werden allerdings nur für 15 Jahre gezahlt. Dazu kommt noch ein sogenanntes Kompensationsjahr. In diesem 16. Jahr können die Erträge vergütet werden, die in den Vorjahren nicht erreicht wurden.
Anlagendesign folgt Förderlogik
Und noch ein Detail ist wichtig, erklärt Friedrich: „Egal, wie viel Strom mit einer Anlage produziert wird, man erhält nur 950 Kilowattstunden pro Kilowattpeak vergütet.“ Das führt zu investitionsoptimierten Anlagendesigns. Die Reihenabstände werden geringer gewählt. Dann gibt es unter Umständen leichte Verschattungen, aber es wird Platz gespart.
Bei der zum Jahresende 2017 von Goldbeck realisierten Anlage in Veendam war dies zum Beispiel der Fall. Aus diesem Grund werden auch mehr Ost-West-Anlagen gebaut. In Veendam hat Goldbeck Solar für Astronergy eine Freiflächenanlage mit 15,5 Megawatt realisiert. Diese Leistung macht 30 Prozent der in der Freifläche installierten Leistung im Jahr 2017 aus.
Die Anlage liegt nur einen Kilometer vom örtlichen Stadtwerk entfernt. Dort, aber auch in anderen Gegenden Hollands ist der Untergrund häufig eine Herausforderung. „Auf kleinstem Raum hatten wir sehr verschiedene Bodenbeschaffenheiten und mussten daher auch die Gründung der Trägersysteme variieren“, erzählt Friedrich. Nicht wenige Landesteile liegen unter null und das Grundwasser drückt, das macht die Montage anspruchsvoller.
Goldbeck Solar kann seine Erfahrungen aus anderen Märkten nun erfolgreich in den Niederlanden in die Waagschale werfen. Friedrich ist optimistisch, in Holland bald weitere Projekte realisieren zu können: „Veendam war unser erstes Projekt, aber es wird sicher nicht unser letztes sein.“ Goldbeck sehe seine Rolle in den Niederlanden aber als reiner EPC, gar nicht so sehr als Entwickler.
Vorbehalte gegen Bau auf Feldern
Aufgrund des Ausschreibungsmechanismus geht die Bautätigkeit für Großanlagen jetzt erst richtig los. Der Markt profitiert von den Erfahrungen der Firmen aus anderen Märkten, aber auch vom Wettbewerb.
Allerdings wird der Ansturm auf die Ackerflächen auch kritisch gesehen. Robert ter Horst, niederländischer Großhändler, berichtet von Anzeigen, mit denen Projektentwickler die Landwirte ansprechen, um an Flächen zu kommen.
Dabei sei doch im Klimavertrag von Paris verankert, dass Agrarflächen erhalten bleiben sollen! „Wir brauchen diese Flächen eigentlich auch nicht für die Photovoltaik“, sagt ter Horst. Er hält die Entwicklung für einen Fehler.
Auch IBC Solar ist in den Niederlanden aktiv, mit eigener Niederlassung und seit Neuestem auch mit einer niederländischen Version des Onlineshops. Dort werden alle Produkte aus dem Portfolio angeboten, die eigenen Marken, aber auch Module anderer Hersteller und natürlich Wechselrichter und Speicher. Geschäftsführer Peter Meijers weiß, worauf niederländische Kunden Wert legen: „Ein sehr großer Teil der Anlagen im Residential-Segment wird mit Full-Black-Modulen gebaut. Zudem entscheiden sich größere Bauträger im Neubau immer öfter für dachintegrierte Konzepte. Überhaupt kommt der Dachintegration mehr Bedeutung zu als in Deutschland.“
Deutsche Installateure haben es schwer
In puncto Optik seien die Niederländer sehr anspruchsvoll. Homogene Ansichten sind gewünscht. Dafür sind die Niederländer auch bereit, den entsprechenden Preis zu zahlen. „Für alles andere sind sie genauso preissensibel wie Kunden in anderen Märkten. Wenn deutsche Installateure auf den holländischen Markt schauen, kratzen sie sich wohl zweimal hinterm Ohr, bevor sie zu dem Schluss kommen: Für das Geld kann ich dort nicht bauen.
Net Metering ist Auslaufmodell
Nach wie vor gibt es für kleinere Anlagen das Net Metering. Eingespeister und bezogener Strom werden saldiert und abgerechnet. Deshalb hat es für den Investor wenig Mehrwert, den Eigenverbrauch zu steigern.
Aber es gibt Pläne, das zu ändern. Im Moment steht dafür 2020 als Zeitpunkt im Raum. Der zuständige Minister will noch im ersten Quartal 2018 eine Nachfolgeregelung bekannt geben. Das wird den Markt verändern. Peter Meijers macht auf eine weitere Eigenheit des Marktes aufmerksam: In privaten Haushalten wird überwiegend mit Gas geheizt. Auch das Brauchwasser wird über diesen Weg aufbereitet, in der Gastherme. Warmwasserspeicher gibt es deshalb so gut wie keine. Heizstäbe und andere Heizsysteme sind kaum verbreitet. Die Entwicklung hin zum Eigenverbrauch für die Heizung wird deshalb eine andere sein als in Deutschland.
Jahrzehntelang hat das Land seine reichen Gasvorkommen abgebaut, vor allem im Norden des Landes. Daher auch die flächendeckende Verbreitung der Gasheizungen. Die unzähligen Gewächshäuser im Land werden ebenfalls mit Gas geheizt.
Doch das Ende des Erdgaszeitalters steht an. Zum einen sind die Folgen der starken Entnahme in den letzten Jahren immer deutlicher geworden: In den Abbauregionen bewegt sich der Boden, kleine Erdbeben sind an der Tagesordnung, Häuser haben Risse, manch ein Bewohner musste sein Haus bereits verlassen.
Abschied von der Gasheizung
Die Vorkommen in der Nordsee neigen sich dem Ende zu. Die Niederlande, einst Exporteur von Erdgas, könnten sich in absehbarer Zeit nur noch selbst versorgen – und auch diese Zeitspanne ist befristet. Deshalb wird im Neubau immer öfter ohne Erdgasanschluss gebaut. Insofern sind Wärmepumpen und Niedrigenergiehäuser im Kommen. Und deshalb wird sich in der Haustechnik ist den nächsten Jahren einiges bewegen. Das birgt Chancen für die Photovoltaik im Land.
Netherlands Enterprise Agency
Die Frühjahrsrunde 2018 SDE plus
Neu ist, dass kleinere Projekte mit einer Leistung zwischen 15 Kilowatt und einem Megawatt nach dem Zuschlag in anderthalb Jahren realisiert werden müssen. Projekte mit einer Leistung von über einem Megawatt haben nach wie vor drei Jahre Zeit zur Realisierung. Anlagen mit einer Anschlussleistung von weniger als dreimal 80 Ampere können weiterhin im Net-Metering-Verfahren abgerechnet werden. Allerdings ist das Abrechnungsverfahren so organisiert, dass selbst erzeugter und selbst genutzter Strom de facto eine um rund zwei Cent geringere Vergütung erhält. Für Anlagen mit einer Leistung von über 500 Kilowatt müssen Betreiber eine Machbarkeitsstudie mit dem Angebot einreichen. Das Volumen der ersten Ausschreibungsrunde im Frühjahr 2018 beträgt sechs Milliarden Euro für alle Erzeugungsarten. Die Antragsfrist läuft vom 13. März bis 5. April. Innerhalb dieser Frist werden drei verschiedene Tarife ausgerufen. Anfangs ist der Tarif niedriger als am Ende, sodass späte Bieter eine höhere Vergütung erreichen können, allerdings mit dem Risiko, gar keinen Zuschlag zu erhalten.
Unsere Serie
Die Chancen jenseits des Tellerrands
In unserer Serie loten wir die Chancen anderer Märkte für Photovoltaik und Stromspeicher aus. Dort haben Solarteure aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Möglichkeit, interessante Geschäftspartner zu finden, ihr Geld als Investoren anzulegen oder ihr Wissen und ihre Erfahrungen als Mentoren in die globale Energiewende einzubringen. Wagen Sie mit uns den professionellen Blick in folgende Länder und Regionen:
- September 2017: Großbritannien
- Oktober 2017: Ukraine
- November 2017: Iran
- Dezember 2017: Skandinavien
- Februar 2018: Frankreich
- März 2018: Niederlande
- April 2018: Tschechien & Slowakei
- Mai 2018: Italien
Kurz nachgefragt
„Wir helfen unseren holländischen Elektrikern, sich im Angebotsdschungel zurechtzufinden“
Welche Erwartungen haben die Kunden an Sie als Großhändler?
Robert ter Horst: Die Elektriker haben es immer schwerer, sich in dem vielfältigen Angebot der Komponenten zurechtzufinden. Produktaktualisierungen, veränderte Garantien und Preise, die Kompatibilität der Produkte – da braucht man schon Zeit, um auf dem Laufenden zu bleiben. Deshalb sind wir nicht nur als Händler, sondern auch als Berater gefragt. Wir kommen aus dem Elektrohandwerk und neben dem Handel bieten wir auch Montageservice an. In dieser Kombination sind wir etwas Ungewöhnliches, aber das Konzept zahlt sich aus. Denn in Holland mangelt es an Elektrikern und Montagedienstleistern.
Gab es in den vergangenen Monaten Veränderungen in Ihrem Portfolio?
Ja, wir führen neue Komponenten. Im letzten Jahr haben wir viel Solar Frontier verkauft. Vor allem die Glas-Glas-Module des Herstellers in vollschwarzer Optik sind bei den Niederländern beliebt. Aber Solar Frontier beliefert den europäischen Markt nur noch spärlich, da die Produkte auch in Japan sehr gefragt sind. Deshalb setzen wir in diesem Segment auf die Sunmodule SW 290 und Bisun Protect 280 clear von Solarworld , die Module von Q-Cells sowie die Module von LG. Solarworld hatten wir schon lange im Sortiment und haben die Module auch gut verkauft. Q-Cells ist neu dazugekommen. Außerdem setzen wir weiterhin auf High-End-Produkte aus Japan von Sharp und Panasonic.
Und bei den Montagesystemen?
Wir haben Systeme der niederländischen Anbieter Van der Valk und Esdec im Programm. Außerdem Systeme von Aerocompact aus Österreich. Bei den Wechselrichtern setzen wir auf SMA, Fronius und Solaredge. Neu hinzu kommen jetzt die Produkte von Solax.
Profitieren Sie von den Ausschreibungen des Förderprogramms SDE+?
Ja. Wir begleiten Elektriker, die solche Projekte bauen, allerdings kleinere Projekte bis 500 Kilowatt. Größere Anlagen werden eher von Projektierern realisiert, das ist kein Markt für Händler. Wir verkaufen viele Anlagen an Wohnungsbaugesellschaften, die Bestände sanieren. Dort haben wir gute und beständige Kunden. Der holländische Markt besteht nicht nur aus SDE+. In der Landwirtschaft wurden im letzten Jahr viele Anlagen gebaut, der Milchpreis war ja wieder hoch und damit stiegen die Investitionen. Wir haben viele Anlagen in der Größenordnung zwischen 20 und 40 Kilowatt Leistung ausgestattet.
Hatten Sie schon Ärger wegen Komponenten mit mangelhafter Qualität?
Bei Modulen hatten wir noch nie nennenswerte Mängel. Bei Wechselrichtern war das zum Teil anders, aber damals handelte es sich um Hersteller, die in China fertigen ließen. Wir haben über die Jahre fast ausschließlich mit deutschen und japanischen Produkten gearbeitet. Mangelhafte Qualität gibt es allerdings zuhauf in der Installation. Letztes Beispiel: Wir haben vor einigen Wochen bei einem Neubau nach dem Wechselrichter gesucht. Er war unter dem Haus installiert! Kaum zu glauben. Zwei Jahre war er in feuchter Umgebung und natürlich kaputt. Dann müssen wir dem Kunden sagen: Hier gilt die Garantie vom Hersteller nicht.
Das Interview führte Petra Franke.