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Tragbar, formbar, haltbar

Die schweren Stahlwerkzeuge der drei Meter hohen Maschine schließen sich fest um das eingelegte Glas-Folien-Modul. Es zischt, als das flüssige Polyurethan mit einem Druck von knapp 250 Bar in die vorgesehene Hohlform gepresst wird. Nach ungefähr sechs Sekunden ist sie bereits vollständig ausgefüllt. Weitere zwei Minuten später ist der Kunststoff abgekühlt, die Stahlwerkzeuge öffnen sich wieder, und das zuvor rahmenlose Modul hat einen frisch gebackenen Kunststoffrahmen.

Auf diese Weise fertigt der Modulhersteller Solon zusammen mit dem Kunststoffexperten Wayand seit diesem Jahr sein gebäudeintegrierbares Modul Solitaire. Dafür hat das Unternehmen das Vorgängermodell Solon Black 160/05, das bereits seit dem Jahr 2009 mit einem Kunststoffrahmen gefertigt wird, weiterentwickelt und mit zusätzlichen Funktionen versehen. „Die Idee war, die Unterkonstruktion für ein Indachmodul mit in den Rahmen zu integrieren“, sagt Martin Kraft, Produktmanager bei Solon. Mit dem Spritzgussverfahren könne der Rahmen kostengünstig individuell gestaltet werden.

„Das Werkzeug haben wir zusammen mit der Firma Bayer entwickelt. Damit werden die Rahmen direkt um das Laminat gespritzt“, sagt Kraft. „So können wir alle mechanischen und sonstigen Eigenschaften, die notwendig sind, um das Laminat zu schützen, in einem System unterbringen.“ Solon ist damit noch eine Ausnahme. Die Bauweise von gerahmten kristallinen Solarmodulen ist bei den meisten Herstellern bisher sehr ähnlich: Rahmen aus Aluminium, Frontabdeckung aus Glas, auf der Rückseite ebenfalls Glas oder ein Folienverbund. Als Montagegestell dient in der Regel eine Unterkonstruktion aus Aluminium, Stahl oder bei Flachdächern aus Kunststoff, der in diesem Segment schon etabliert ist. Doch mit neuen Polymerwerkstoffen werden Alternativen denkbar, die im Vergleich zu den üblichen Baustoffen einige Vorteile mit sichbringen. Immer mehr Hersteller versuchen, sich diese zunutze zu machen.

Zusatzfunktionen

So zum Beispiel auch Schott Solar. Das Unternehmen untersucht in einer Konzeptstudie, wie sich rahmenlose Module mit einer Polymerwanne als Unterkonstruktion in Gebäude integrieren lassen. Allerdings wird die Unterkonstruktion hier nicht wie bei Solon direkt um das Modul gespritzt, sondern über ein Klicksystem am rahmenlosen Glas-Glas-Modul befestigt. Auch bei Schott sieht man die Vorteile des Kunststoffs vor allem in der kostengünstigen Fertigung einer multifunktionalen Unterkonstruktion. Der Kunststoff ermögliche die industrielle Fertigung von komplexen Bauteilen mit vielen integrierten Funktionen in hohen Stückzahlen, weil er durch das Spritzgussverfahren einfach zu verarbeiten sei, sagt André Schäfer, Produktentwickler bei BASF. Lars Waldmann, Pressesprecher von Schott Solar, erklärt: „Unsere Polymerwanne hat eine Aussparung, um Gewicht einzusparen, und sie hat eine Überlappung und eine Führungsnut, wo die Komponentenineinandergreifen und einrasten. Sie hat auch noch eine Wasserführung und eine interne Kabelführung, damit alles schön aufgeräumt ist.“ Die Halterungen, die am Modul befestigt werden und die in die Polymerwanne einrasten, könnten außerdem als Griff verwendet werden, um das rahmenlose Modul besser auf das Dach transportieren zu können. „Wären alle diese Funktionen aus Metall, hätten sie aufwendig und kostspielig angeschweißt oder montiert werden müssen“, erklärt André Schäfer.

Für gebäudeintegrierte Anwendungen kann es also durchaus sinnvoll sein, über Alternativen zum herkömmlichen Aluminiumrahmen nachzudenken. Ob sich das gleiche Vorgehen allerdings auch für standardmäßige Aufdachmodule lohnt, ist fraglich. Schäfer ist der Meinung, es sei zwar grundsätzlich denkbar, auch bei Standardmodulen von Aluminium auf Kunststoff umzustellen. Sinnvoll sei es aber nur, wenn dann auch weitere Funktionen in den Rahmen integriert würden, damit das Potenzial des Kunststoffes hinsichtlich seiner Gestaltungsfreiheit auch ausgenutzt werden könne. „Ein reiner Eins-zu-eins-Ersatz wäre sicherlichnicht zielführend“, sagt er. Auch Martin Kraft von Solon ist diesbezüglich skeptisch: „Bei Indachsystemen ist für uns vor allem die Wasserdichtigkeit einbedeutendes Merkmal. Das können wir mit diesem genau auf das Produkt abgestimmten Kunststoffrahmen realisieren.“ Bei Aufdachsystemen sei diese Zusatzfunktion allerdings nicht notwendig. Deshalb brauche man auch keinen speziellen Kunststoffrahmen.

Einfach leichter

Neben den Zusatzfunktionen bietet der Einsatz von Polymermaterialien als Modulrahmen aber noch einen weiteren Vorteil: Kunststoff ist leichter als Metall. „Dadurch, dass wir die Unterkonstruktion mit in den Rahmen integriert haben, ist das Gewicht relativ ähnlich zu einem Aluminiumrahmen. Aber wenn Sie das Gesamtsystem betrachten, dann ist es natürlich ein Stück leichter, weil man keine Unterkonstruktion aus Aluminium mehr benötigt“, sagt Kraft.

Lars Waldmann von Schott teilt diese Einschätzung und erkennt neue Einsatzmöglichkeiten für Kunststoff in Photovoltaikanlagen: „Mit unserem bisherigen Indax-BIPV-System haben wir immer noch Dächer, die wir aufgrund des Gewichts nicht bedienen können. Große Hallendächer mit Eternit zum Beispiel.Genau für solche Konzepte ist das neue Wannensystem aus Kunststoff gedacht. Es bringt weniger Gewicht auf die Dachkonstruktion und bietet trotzdem die nötige Festigkeit und Feuer- und Wasserdichtigkeit.“ Eine andere Methode, Module durch den Einsatz von Kunststoff zu erleichtern, scheint noch revolutionärer: Das Frontglas wird durch transparenten Kunststoff ersetzt. Mit diesem Ansatz beschäftigt sich zum Beispiel das Unternehmen Saint-Gobain. Das Gewicht von gewöhnlichen Modulen könne so ungefähr halbiert werden, erklärt Nikhil Bhiwankar, Produktmanager bei Saint-Gobain Performance Plastics. „Wenn man Polymere als Frontabdeckung verwendet und das Rückseitenglas durch einen Folienverbund ersetzt, kann man auf 8,5 bis 9 Kilogramm pro Quadratmeter kommen.“ Saint-Gobain entwickelt derzeit ein Frontsheet aus transparentem Kunststoff mit der Bezeichnung Lightswitch. Bei Dünnschichtmodulen gebe es das Konzept schon länger. Es sei aber bisher noch nicht bei kristallinen Modulen eingesetzt worden. „Seit letztem Jahr überlegen wir, dieses Konzept auch kristallinenModulherstellern anzubieten“, sagt Bhiwankar. „Wir haben dann ein Menge Forschung angestellt und sind mittlerweile überzeugt: Es kann nicht nur in kristallinen Modulen verwendet werden, sondern es ist zudem auch dauerhaft strapazierfähig, witterungsbeständig, und es wird die nötigen IEC-Tests bestehen.“

Den Bogen raus

„Glas hat zwei Nachteile: erstens das hohe Gewicht und zweitens, dass es nicht flexibel ist. Deswegen versucht man das Glas durch Kunststofffolien mit geringerem Gewicht und hoher Flexibilität zu ersetzen“, sagt Florian Schwager vom Chemieunternehmen Evonik und spricht dabei die neuentwickelte Barriere- und Schutzfolie des Unternehmens für flexible Dünnschicht-Solarmodule an. Neben dem altbekannten Plexiglas bietet Evonik auch ein speziell für die Solarindustrie entwickeltes Produkt an: das Plexiglas Solar. Damit können auch gewölbte Solarmodule gefertigt werden, die neue Möglichkeiten für die Integration von Photovoltaik in die Architektur erlauben. „Wir arbeiten im Bereich Photovoltaik vor allem an Sonderlösungen, also angroßformatigen Solarmodulen oder Modulen mit besonderen Formen“, sagt Schwagers Kollege Jochen Ackermann, Leiter Business Development Acrylic Polymers bei Evonik. „Das geht dann in Richtung gebäudeintegrierte Photovoltaik oder sogenanntes Stadtmobiliar, wie Überdachungen für Bushaltestellen. Da können Sie natürlich mit Kunststoff gegenüber Glas eindeutig punkten. Mit Glas können Sie das einfach nicht machen.“ Für starre Standardmodule könne man zwar theoretisch auch Frontsheets aus Plexiglas Solar verwenden. Der Ansatz sei aber aufgrund der hohen Kosten noch nicht wettbewerbsfähig, meint Schwager. Der Vorteil von Kunststoff komme vor allem dort zum Tragen, wo Gewicht und freiere Formgebung gefragt sind.

Besondere Formen

Ein Hersteller, der unter anderem mit dem Plexiglas Solar von Evonik arbeitet, ist Mage Sunovation. Hier setzt man nicht auf Standardmodule, sondern vor allem auf Photovoltaik-Speziallösungen. „Unsere Module finden Anwendung auf Carports, Stadiendächern, überdachten Gehwegen, auf Elektrofahrzeugen und in vielen weiteren Anwendungen, die mit Standardmodulen nicht möglich wären“, sagt Heribert Ley, Geschäftsführer von Sunovation. Das Unternehmen arbeitet mit selbsttragenden Doppelstegplatten aus Kunststoff als Backsheet, die dann mit einem transparenten Kunststoff-Frontsheet abgedeckt werden. Dadurch könne ganz auf einen Rahmen verzichtet werden. Größe und Geometrie seien bei den Kunststoffmodulen prinzipiell frei wählbar. „Das größte von uns gefertigte funktionsfähige Photovoltaikmodul hat Abmessungen von 4 mal 1,58 Metern“, sagt Ley. Ackermann, dessen Firma Evonik mit an der Entwicklung beteiligt war, sagt: „In der Kunststoffvariante ist es rund 60 Prozent leichter als ein Glas-Glas-Modul und kann noch relativ gut von zwei Männern hochgehobenwerden.“ Mit einem Frontsheet aus Solarglas könnte es bei diesem Versuch durch das hohe Gewicht und das starre Material einfach zerbrechen.

Mehr Leistung

Weniger Gewicht und bessere Formbarkeit sind laut den Herstellern von Kunststoff-Frontsheets aber nicht die einzigen Vorteile. Frontabdeckungen aus Kunststoff könnten zudem auch den Wirkungsgrad von Solarmodulen steigern. „Wir bieten zu unserem Kunststoff-Frontsheet ein passendes Verkapselungsmaterial an“, sagt Nikhil Bhiwankar von Saint-Gobain. Beide Produkte seien aufeinander abgestimmt und steigerten in Kombination merklich die Moduleffizienz im Vergleich zu herkömmlichem Solarglas, weil sie in bestimmten Wellenlängenbereichen durchlässiger für Licht seien. „Wir haben viele Tests durchgeführt und kommen immer zu sehr ähnlichen Ergebnissen. Es gibt je nach Dicke des Frontsheets eine Effizienzsteigerung zwischen 1,5 und 2,5 Prozent.“ Evonik versucht ebenfalls, die Modulleistung mit transparenten Polymermaterialien zu steigern. Dazu hat das Unternehmen das schon seit vielen Jahren auf dem Markt erhältliche Produkt Plexiglas weiterentwickelt. „Das neue Plexiglas Solar wurde im Hinblick auf die transmissiven Eigenschaften an die Ansprüche der Solarindustrie angepasst“, sagt Jochen Ackermann Mit dieser Methode erfülle das Plexiglas Solar die Anforderungen der darunter liegenden Solarzellen.

„Wir können das Material beispielsweise so einstellen, dass es im ultravioletten Bereich nur Licht der Wellenlängendurchlässt, die die Zelle auch in Strom umwandeln kann. Dadurch wird die Zelle vor Erwärmung geschützt. Dies führt zu einer Steigerung der Effizienz und einer Erhöhung der Stromausbeute. Andererseits gibt es gerade in der konzentrierenden Photovoltaik Solarzellen, die Licht aus dem ultravioletten Bereich stärker verwerten können. Da wollen wir dann ein Material einsetzen, das auch in diesem Bereich besonders viel Licht durchlässt“, so Ackermann.

Dauerhaft haltbar

Wenn es um den Einsatz von Polymermaterialien in Photovoltaikmodulen geht, stoßen Anbieter entsprechender Komponenten immer wieder auf Vorbehalte. „Organische Materialien haben im Allgemeinen eine nicht so hohe Lebensdauer wie anorganische Materialien“, sagt Stefan Schulze vom Fraunhofer-Center für Silizium-Photovoltaik (CSP). „Daher müssen Hersteller genau darauf achten, an welcher Stelle des Moduls Polymere eingesetzt werden und welche Belastungen diese Komponenten erfahren.“ Für das BIPV-Modul Solon Solitaire macht sich Produktmanager Martin Kraft keine Sorgen: „Wir haben sowohl interne als auch externe Tests durchgeführt und bestehen mit dem Modul alle notwendigen mechanischen Belastungstests, sowohl beim TÜV als auch bei anderen Zertifizierungsunternehmen, so dass wir da überhaupt keine Probleme sehen.“ Auch Schott ist der Meinung, dass es mit der Polymerwanne für die Gebäudeintegration in Bezug auf die Haltbarkeit keine Schwierigkeiten geben wird. „Man kann ein Polymer so konstruieren, dass es sich auch über Jahrzehnte trotz Bewitterung und starker UV-Strahlung nicht verändert“, sagt Lars Waldmann. „Unser Partner BASF hat auf diesem Gebiet bereits Erfahrung.“ Seine Materialien würden bereits im Fahrzeugbau, Flugzeugbau und in weiteren Bereichen eingesetzt, wo es um Haltbarkeit und Wartungsfreiheit gehe, so Waldmann.

Beim Thema Frontsheet aus Kunststoff tun sich noch andere Bedenken auf. „Es gibt ästhetische Vorbehalte einiger Architekten, die ein Verkratzen oder Vergilben befürchten“, sagt Heribert Ley von Mage Sunovation. Er hält dies aber für unbegründet: „ Kunststoffe haben sich enorm weiterentwickelt. Die Hersteller geben auf Kratzfestigkeit und UV-Stabilität eine Garantie von bis zu 30 Jahren.“ Betrachtet man das Gesamtmodul, ist es außerdem wichtig, die unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten der im Modul verwendeten Materialien zu berücksichtigen. „Wenn wir Plexiglas betrachten, hat es einen ungefähr 40-fach größeren Ausdehnungskoeffizienten als kristalline Wafer“, sagt Jochen Ackermann. Um diesen Unterschied ausgleichen zu können, ist ein vermittelndes Material notwendig. EVA-Folien seien allerdings nicht elastisch genug, meint Ackermann. „Deswegen gibt es Sonderlösungen, also zum Beispiel Mehrkomponenten-Gele. Mit denen können Sie das quasi entkoppeln. Dann kann das Plexiglas arbeiten, und das Gel federt das Ganze ab, weil es elastisch ist.“ Sunovation-Module bestehen auch aus zahlreichen Kunststoffkomponenten. Der Hersteller gibt an, die Haltbarkeit der Module ebenfalls im Griff zu haben. „Auf den Materialverbund geben wir mindestens fünf Jahre Produktgarantie und auf die Modulleistung die in der Branche üblichen Leistungsgarantien“, heißt es bei Sunovation.

„Eine der größten Herausforderungen des Einsatzes von technischen Kunststoffen ist sicherlich die Überwindung des Akzeptanzproblems in einem Bereich, der durch den Einsatz von Glas, Stahl und Aluminium geprägt ist“, meint André Schäfer von BASF. „Tech- nisch gesehen handelt es sich bei der Problemlösung um die Kombination von gestalterisch-konstruktivem Können, gezielter Additivierung des Kunststoffes mit Stabilisatoren und langjähriger Erfahrung.“

Mirco Sieg

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