„Das ist und bleibt besonders spannend“, sagt Henning Wicht, Senior Director & Principal Analyst von IHS iSuppli, über das Geschäft der Projektierer. Bis zum letzten Moment im Jahr können die Rankingplätze noch wechseln. Ein Großprojekt zusätzlich, und schon ist so ein EPC-Unternehmen (Engineering, Procuremet and Construction, zu Deutsch Planen, Beschaffen und Bauen) um einige Plätze weiter vorn im Ranking.
Anlagen zu projektieren und zu errichten war in der Vergangenheit eine Lizenzzum Geldverdienen. Die Margen fielen höher aus als beispielsweise bei der Zell- oder Modulproduktion. Deshalb haben sich Produzenten wie Q-Cells und First Solar auch früh in diesem Geschäftsfeld engagiert. Der Wettbewerb ist mittlerweile härter geworden, denn die Preise von einst sind nicht mehr zu erzielen. Dennoch wachsen die Projektierer weiter, einige sogar rasant. Die Preise für Module sind derzeit nämlich so weit im Keller, dass immer noch oder wieder gute Renditen möglich sind. „Und dann hängtes von den einzelnen Projektierern ab, ob sie entsprechend gefüllte Projektpipelines haben“, sagt Dirk Morbitzer, Managing Director des Marktforschungs- und Beratungsunternehmens Renewable Analytics in San Francisco. „Also Schublade auf, schon vorakquirierte und vorentwickelte Flächen raus, mit den aktuellen Modul- und Komponentenpreisen neu durchrechnen und wenn es sich lohnt, sofort auf potenzielle Kunden zugehen.“ Wer diese volle Schublade nicht hat, dafür aber eine pralleKriegskasse, kauft sich Pipelines, also Parks, die bereits genehmigt sind, und kann dann sofort loslegen. Entlastet wird die Kassenlage derzeit durch die Modulproduzenten. Sie sind angesichts der prekären Absatzlage eher bereit, einen Teil der künftigen Solarparks vorzufinanzieren. Das nützt den EPC-Unternehmen, die nicht an Hersteller gebunden sind, weil es ihren finanziellen Handlungsspielraum erhöht. Bei herstellergebundenen Projektierern ist Vorfinanzierung sowieso üblich.
Still viel installiert
Belectric (ehemals Beck Energy) war im letzten Jahr die Nummer eins und ist es in diesem Jahr erneut. „Ein Unternehmen, von dem man in der Presse relativ wenig wahrnimmt, das aber still und leise viel installiert“, urteilt Morbitzer. Belectric beschäftigt fast 2.000 Mitarbeiter, also ungewöhnlich viele für ein EPC-Unternehmen. Während andere Projektierer vor allem auf Subunternehmen setzen, macht Belectric fast alles selbst, weiß Henning Wicht: „Sie haben eigene Montageteams, produzieren alle BOS-Elemente wie etwa die Untergestelle selbst, sie kaufen also nur Module und die großen Wechselrichter zu.“ Eigenes Systemdesign der Komponenten und maßgeschneiderte Bauabläufe sparen Kosten. Die Projekte werden selbst entwickelt und vor Baubeginn Investoren mit an Bord geholt, berichtet Wicht: „Das heißt, sie gehen auch kein Risiko ein, dass sie das Projekt später zu einem nicht kalkulierbaren Preis verkaufen müssen.“ Belectric verbaut ausschließlich Dünnschicht. Damit hat der Projektierer als langjähriger Kunde von First SolarErfahrung. Mit dem US-amerikanischen Unternehmen und dem japanischen Hersteller Solar Frontier setzt Belectric auf finanziell solide und langfristig planende Modulproduzenten, was für die Gewährleistung der Garantie über 20 bis 25 Jahre wiederum sehr wichtig ist. Das ist ein Wettbewerbsvorteil, denn mit der Qualität von billigen No-Name-Produkten könnte es künftig Probleme geben.
Morbitzer glaubt, dass der Preisdruck viele andere Projektierer dazu verleiten wird, künftig immer billigere Komponenten einzusetzen, die nicht hinreichend getestet sind: „Wir sehen, dass Hersteller beispielsweise auf günstigere EVA-Folien ausweichen und auf billigere Backsheets. Und die Produktionsprozesse werden rationalisiert. Ich würde sagen, dass der Moduljahrgang 2011 und voraussichtlich auch die Moduljahrgänge 2012 und 2013 mehr Qualitätsprobleme mit sich bringen als die früheren Jahrgänge.“ Belectric ist Partner des französischen Energieversorgers EDF in Frankreich. Deshalb liegt der französische Anteil mit 20 Prozent nach den 45 Prozent installierter Leistung in Deutschland recht hoch. Auf 20 Prozent kommt Belectric auch in Italien, in den USA auf 10 Prozent.
Die Nummer zwei, Sunedison, war als Projektierer noch im Jahr 2009 eine ganz kleine Nummer. Dann setzte das Unternehmen 2010 zum großen Sprung an. Und in diesem Jahr werden sich die Installationszahlen nochmals mehr als verdoppeln. Steckt dahinter ein ganz bestimmtes Rezept, eine spezielle Erfolgsstrategie? Wicht nennt vor allem zwei Faktoren, die das explosionsartige Wachstum ermöglicht haben: „Siehaben es geschafft, schnell und günstig zu sein. Das heißt: Sie können schnell anbieten, bei den Ausschreibungen schnell reagieren, können die Finanzierung organisieren, und das Ganze preiswert. Das ist eine relativ banale Erkenntnis, aber man muss es umsetzen.“ Solarhybrid auf dem sechsten Platz verfolgt ein ähnliches Konzept und tutsich ebenfalls durch enorme Steigerungsraten hervor. „Diese beiden Firmen sind relativ technologieunabhängig“, so Wicht weiter. „So können sie ihre Module einkaufen, wo immer sie wollen.“ Sie haben geringe Lagerbestände und belasten sich daher nicht mit großen Wertabschreibungen, wenn die Preise fallen. „Üblicherweise übernehmen sie entwickelteProjekte, die bereits genehmigt sind“, sagt Wicht. „Diese kaufen sie auf. Letztlich geht es immer um die Genehmigungen.“ Beide Unternehmen arbeiten mit Subunternehmen für die Montage. Dadurch sind sie schlank.
Es gibt bei Sunedison aber noch einen weiteren Grund für den Erfolg, sagt Morbitzer: „Da hilft sicherlich die Zugehörigkeit zu MEMC, einem Unternehmen, welches direkten Zugriff auf das Rohmaterial Silizium hat und damit im Auftrag fertigen lassen kann.“ MEMC ist außerdem eine starke Muttergesellschaft mit einem guten finanziellen Polster, um sich bei genehmigten Projekten einzukaufen. „Was in diesem Jahr sicher auch zum Tragen gekommen ist, sind die ersten Großprojekte in den USA“, ergänzt Morbitzer.
Schicksalsjahr 2012
Das drittplatzierte Unternehmen Q-Cells hat in Brandenburg gerade mit dem Bau eines der größten Solarparks Europasbegonnen. Das 91 Megawatt starke Solarkraftwerk soll bis zum Jahresende am Netz sein. Damit hat sich der Zellhersteller und Projektierer im letzten Moment im Ranking noch nach vorn katapultiert. Q-Cells kann es gebrauchen. „Jetzt kommt es darauf an, wie Q-Cells sich im nächsten Jahr als Gesamtfirma positioniert“, sagt Renewable-Analytiker Dirk Morbitzer. „Ich glaube, 2012 ist das Schicksalsjahr von Q-Cells.“ Das Unternehmen kämpft derzeit mit massiven Verlusten und baut am Stammsitz Bitterfeld-Wolfen jeden achten Arbeitsplatz ab. Gerade hat der Zellhersteller eine Gläubigerversammlung einberufen, um vormöglichen Zahlungsausfällen zu warnen. Als Projektierer ist das Unternehmen vor allem in den USA, aber auch im kanadischen Ontario stark.
First Solar, größter Dünnschichthersteller und die Nummer vier unter den Projektierern, ist als EPC-Unternehmen vor allem in den USA vorn. Dort baut es momentan an einem 550-Megawatt- und einem 260-Megawatt-Solarpark. Der 550-Megawatt-Park soll 2013 fertig sein. „Bei First Solar wird im nächsten Jahr wichtig sein, wie viele der Module das Unternehmen bei eigenen Projekten installieren kann und muss“, erklärt Morbitzer. „Denn 2012 läuft ein Großteilder langfristigen Rahmenverträge mit europäischen Abnehmern aus. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Verträge dann wiederum für sieben Jahre mit festen Preisvereinbarungen abgeschlossen werden. Darauf werden sich die Vertragspartner wohl nicht mehr einlassen.“ Andere Dünnschichtproduzenten wie beispielsweise Solar Frontier,Nanosolar und Sharp machen First Solar mehr und mehr Konkurrenz.
Juwi ist nicht nur als Projektierer von Solarparks erfolgreich, sondern auch bei Windkraft und Biomasse. Da besteht zwar auf der einen Seite die Gefahr, sich zu verzetteln und überall in der zweiten Reihe zu stehen. Andererseits machen die Standbeine in verschiedenen Erneuerbare-Energien-Branchen Juwi unabhängiger von einer Krise in einer der Sparten. Das Unternehmen ist von Platz zwei 2010 auf Platz fünf in diesem Jahr abgestiegen, gehört aber immer noch zu den Schwergewichten.
Der Shootingstar
Auf große Projekte vor allem in Deutschland fokussiert sich Solarhybrid. „Sie haben sich auf Projektentwicklung und Finanzierung spezialisiert und treten als Generalunternehmer auf“, resümiert Wicht. Im Gegensatz zu Belectric verwendet Solarhybrid überwiegend kristalline Module aus chinesischer Produktion. „Sie konnten eine Projektpipeline aufbauen, die dann in diesem Jahr richtig Früchte getragen hat“, sagt Morbitzer. Für das nächste Jahr sieht es ähnlich gut aus. Allein für Deutschland liegen 120 Megawatt in der Projektpipeline. International steht Solarhybrid über eine Leistung von einem Gigawatt in Verhandlung.
Sunpower wurde in diesem Jahr von Total übernommen. Ein finanzstarker, klassischer Energiemulti hat sich damit ein Unternehmen der Solarbranche zugelegt. „Das war ganz klar die Rettungsleine, die Total da zugeworfen hat“, urteilt Morbitzer. Sunpower musste in der letzten Zeit erhebliche Verluste hinnehmen. Natürlich erwartet Total, dass das gerettete Unternehmen auch irgendwann ohne Leine wieder selbst schwimmt.
Das belgische Unternehmen Enfinity setzt nicht nur erfolgreich auf den wachsenden Heimatmarkt. Enfinity hat sich schon sehr früh in den neuen Märkten Indien und China engagiert und ist dort jetzt erfolgreich. China ist für iSuppli-Analyst Henning Wicht ein besonders beachtenswerter Markt mit riesigem Potenzial: „Wir erwarten in diesem Jahr 1,5 Gigawatt Installation dort und im nächsten Jahr bis zu drei Gigawatt. Die europäischen Projektierer können dort nur mitspielen, wenn sie extrem günstig anbieten und lokal gut vernetzt sind. Das schreckt viele Anbieter im Moment noch ab.“ Enfinity offenbar nicht.
„Firmen wie Phoenix, Fotowatio, Conergy und S.A.G Solarstrom stecken irgendwie alle in einem Dilemma: Sie machen Großprojekte, Großhandel und produzieren dann zum Teil sogar noch Module, wie Solon“, sagt Wicht. Das sei ein Spagat und in diesen Zeiten des harten Wettbewerbs extrem anstrengend. Der Großhandel hatte im ersten Halbjahr Lagerbestände, die nicht mehr zu den Einkaufspreisen abzusetzen waren. „Das heißt, sie mussten viel Energie investieren, um die Sachen irgendwie loszuwerden. Diese Energie fehlte ihnen dann letztendlich im Projektgeschäft“, ergänzt Wicht.
Dennoch kann er für diese Unternehmen auch Positives vermelden. Sie haben ihren Exportanteil stabil gehalten und waren international recht aktiv, auch in den wichtigen neuen Märkten, beispielsweise in Asien, Australien und auf dem indischen Subkontinent. „Der indische Markt beispielsweise wird im nächsten Jahr besonders bedeutend werden. Insofern ist es von großer Bedeutung, dort vor Ort zu sein.“