Für Kommunen und Kreise sind ehemalige Mülldeponien ein Kostenfaktor. Sie können in absehbarer Zeit weder als Baugrund noch als Agrarland genutzt werden. Doch auch solche Flächen lassen sich nutzbringend verwenden, wie die ehemalige Hausmülldeponie Bruchköbel im Main-Kinzig-Kreis belegt. IBC Solar baute dort einen Solarpark auf, der bis zu 900 Haushalte mit Strom versorgt. Besonders anspruchsvoll waren die baulichen Vorgaben, die bei dem Projekt zu beachten waren.
Was tun mit einer ehemaligen Hausmülldeponie, die Ende der 1960er-Jahre auf dem Abbaugebiet einer aufgelassenen Ziegelei eingerichtet wurde? Vor dieser Frage standen die Verantwortlichen der Stadt Bruchköbel und des Main-Kinzig-Kreises, nordöstlich von Frankfurt am Main. Die Deponie „An der B45“ war bis in die 1990er-Jahre hinein in Betrieb, zuletzt unter Leitung des Zweckverbandes Abfallbeseitigung Main-Kinzig. Zwischen 2004 und 2006 erfolgte eine grundlegende Sanierung der Anlage, inklusive einer umfangreichen Rekultivierung. Dennoch kann das Gelände weder als Baugrund noch als landwirtschaftliche Nutzfläche verwendet werden.
Einnahmequelle für die Kommune
Es ist schon der zweite Solarpark, den der Kreis auf einer Mülldeponie errichten lässt. Im Jahr 2015 wurde auf der Deponie „Auf dem Stein“ in Neuberg ein ähnliches Projekt umgesetzt. Aufgrund der guten Erfahrungen, die der Main-Kinzig-Kreis mit dieser Anlage machte, war das zweite Deponieprojekt in der Nachbargemeinde Bruchköbel ein weiterer Schritt, um ehemalige Hausmülldeponien zu nutzen.
Um auch diese ehemalige Deponie sinnvoll zu verwerten, beauftragte der Main-Kinzig-Kreis die Firma Next Energy und diese wiederum IBC Solar damit, auf dem Gelände einen Solarpark zu errichten. Für Betreiber von ehemaligen Mülldeponien hat eine solche Vorgehensweise mehrere Vorteile. Zum einen lässt sich das Deponiegelände auf sinnvolle und umweltverträgliche Weise nutzen. Zum anderen bringt ein Solarpark Pachteinnahmen für die Kommune aus der Flächenverpachtung und eine Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für den Solarparkbetreiber.
Rahmenbedingungen ändern sich
Für Deponien gilt im Jahr 2016 noch ein Sondervergütungsstatus, der eine um etwa 1,5 Cent pro Kilowattstunde höhere Vergütungen vorsieht als die Höhe der Marktprämie aus dem Freiflächenausschreibungsverfahren. Im Fall von Bruchköbel sind dies 8,91 Cent pro Kilowattstunde über einen Zeitraum von 20 Jahren zuzüglich des Inbetriebnahmejahres.
Das ändert sich zum Jahreswechsel. Ab 1. Januar 2017 müssen auch alle Deponiestandorte über 750 Kilowatt am offiziellen Freiflächenausschreibungsverfahren der Bundesnetzagentur teilnehmen. Kleinere Standorte fallen weiter unter die gesetzliche Vergütung nach dem EEG. Unter 750 Kilowatt Anlagenleistung und mit dem gesetzlichen Vergütungsanspruch werden Freiflächenanlagen also unter wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiter möglich sein. Anlagen über 750 Kilowatt Leistung sind ab 2017 mit den hohen deponiespezifischen Kosten unter anderem für spezielle Vermessungen und Gutachten wirtschaftlich kaum mehr machbar. Hinzu kommen die geringen Einspeisevergütungssätze von 7,25 Cent pro Kilowattstunde, die durchschnittlich im letzten Freiflächenausschreibungsverfahren vom August 2016 erzielt wurden. Die wirtschaftliche Umsetzbarkeit für Deponiestandorte ist damit frühzeitig zu prüfen.
Mit der Errichtung einer Solaranlage auf einer ehemaligen Mülldeponie sind spezielle Anforderungen verbunden. So werden Deponien nach dem aktuellen EEG als bauliche Anlagen eingestuft. Hinzu kommen Sonderfaktoren, etwa Gasbrunnen und dazu gehörige Gasleitungen, über die Deponiegase abgeleitet werden. Weiterhin muss beim Bau der Photovoltaikanlagen auf spezielle Drainagemaßnahmen Rücksicht genommen werden, beispielsweise Dichtungsbahnen aus Kunststoff, Matten aus Betonit und mineralische Dichtungen.
Viel Erfahrung und Fachwissen gefragt
Systemhäuser für Photovoltaik, die mit dem Bau von Freiflächenanlagen auf solchen Flächen beauftragt werden, müssen daher über ein spezielles Fachwissen und entsprechende Erfahrungen verfügen. IBC Solar übernimmt beispielsweise die Rolle des Projektentwicklers und EPC-Anbieters (Engineering, Procurement and Construction). Wichtig ist zudem, dass die zuständigen Behörden frühzeitig in den Planungsprozess einer Photovoltaikanlage auf einer Deponie mit einbezogen werden. Außerdem ist es erforderlich, sich vor Beginn der Bauarbeiten einen detaillierten Überblick über den Zustand der Deponie zu verschaffen.
Denn beim Bau der Unterkonstruktion dürfen weder Folien noch andere Dichtungsschichten beschädigt werden, wenn die Fundamente der Solaranlage in den Boden eingebracht werden.
Dieses Fachwissen war im Fall der ehemaligen Kreismülldeponie Bruchköbel in besonderem Maße gefordert. So musste durch ein Blendgutachten nachgewiesen werden, dass der Verkehr auf der nahe gelegenen Bundesstraße nicht durch die Photovoltaikanlage beeinträchtigt wird. Um dies sicherzustellen, war eine spezielle Ausrichtung der Solarmodule erforderlich. „Wir haben diese und weitere spezielle Anforderungen bereits frühzeitig in den Projektplan aufgenommen“, erläutert Oliver Partheymüller, Leiter Projektentwicklung & EPC Deutschland bei IBC Solar. „Dabei kam uns die umfassende Erfahrung mit vergleichbaren Projekten zugute. Alleine im Jahr 2016 hat IBC Solar bisher zwei Solarparks auf Deponiegeländen errichtet, fünf weitere Deponien sollen noch bis zum 31. Dezember 2016 gebaut werden.“
Deponie gut abdichten
Eine weitere Herausforderung stellt die Oberflächen- und Tiefenstruktur von ehemaligen Deponien dar. So wurde in Bruchköbel eine 6,5 Hektar große Oberflächenabdichtung aufgebracht. Sie besteht aus einer Gasdrainage, einer Dichtung aus mineralischen Stoffen und einer 2,5 Millimeter dicken Polymerbahn. Darüber befinden sich eine bis zu zwei Meter dicke Bodenschicht sowie Trapezrinnen für die Oberflächenentwässerung. Das anfallende Deponiegas wird unterhalb der Oberflächenabdichtung durch Gasbrunnen abgesaugt und über eine Hochtemperaturfackel entsorgt.
IBC Solar und dessen Auftraggeber Next Energy mussten beim Bau des Solarparks sicherstellen, dass ein Mindestabstand von fünf Metern zu den Gasbrunnen gewährleistet war und diese für Fachpersonal weiterhin zugänglich blieben. Das Anlegen von Kabelgräben auf Deponien mit solchen Gasbrunnen erfordert besondere Sorgfalt, weil dabei auf Gasleitungen Rücksicht genommen werden muss. Die Ausschachtarbeiten in sensiblen Bereichen werden daher von Hand vorgenommen.
Die Qualität sicherstellen
Eine besondere bauliche Herausforderung stellte in Bruchköbel die Neigung im Böschungsbereich dar. Sie beträgt bis zu 25 Grad. Solche Neigungswinkel sind bei Deponieanlagen häufig anzutreffen. Vor Beginn der Bauarbeiten wurden in Bruchköbel daher Statikgutachten erstellt, um ein Abrutschen der Böschung zu vermeiden. Fachleute von IBC Solar ermittelten zudem die maximal zulässige Rammtiefe beim Bau der Fundamente. In der Regel liegt diese bei Deponien bei nur 70 bis 100 Zentimeter. Der Aufbau einer tragfähigen Basis für eine Solaranlage erfordert daher eine besondere Sorgfalt und Expertise.
Ein zentraler Erfolgsfaktor bei Photovoltaikprojekten in sensiblen Bereichen wie Deponien ist ein Qualitätssicherungsplan. In den meisten Fällen bestehen die Behörden darauf, dass vor Baubeginn ein solcher Plan vorgelegt wird. Daher macht es sich bezahlt, wenn Projektentwickler über einschlägige Erfahrungen mit der Bebauung von Deponien verfügen.
Umsetzung in nur fünf Monaten
Im Idealfall übernimmt das Unternehmen, das für die Projektentwicklung zuständig ist, zusätzlich die Umsetzung der Baumaßnahmen und die Installation des Solarparks. Das hat den Vorteil, dass der Kunde alles aus einer Hand erhält: Planungsunterlagen, einen Qualitätssicherungsplan, die Kommunikation mit Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden sowie die Abnahme der Anlage durch Gutachter.
Das Projekt in Bruchköbel wurde innerhalb von fünf Monaten umgesetzt, inklusive aller Vorbereitungs- und Genehmigungsmaßnahmen. Die Bauarbeiten der Photovoltaikanlage waren bereits nach vier Wochen abgeschlossen. „Der Solarpark ging im April 2016 in Betrieb“, sagt Oliver Habekost vom Main-Kinzig-Kreis. Der Kreis ist für den Betrieb der Photovoltaikanlage zuständig. „Die Bilanz fällt bislang höchst positiv aus“, betont Habekost. „Mit Unterstützung der Next Energy und IBC Solar konnten wir für die ehemalige Deponie Bruchköbel einen neuen und vor allen Dingen umweltgerechten Verwendungszweck finden.“ Aus Sonnenenergie kann die Anlage jährlich rund 3,1 Millionen Kilowattstunden Strom produzieren. Damit lassen sich etwa 880 Dreipersonenhaushalte mit Strom versorgen.
Die Autorin
Christina Pfeufer
ist Unternehmenssprecherin von IBC Solar. Der Projektierer mit Sitz im fränkischen Bad Staffelstein hat sich unter anderem auf die Entwicklung von Photovoltaikprojekten auf schwierig zu erschließenden Flächen spezialisiert.