Die Arbeiter setzen ein Solarschiff auf die Schienenführung und fangen an zu schieben. Die schwarzen Kabel rattern, rollen immer weiter von der Trommel ab. Ein kleines Motorboot zieht drei dieser Schiffe auf das Wasser, ein Techniker befestigt sie an dem schwimmenden Solarpark, der immer weiter wächst. Sehr schnell, sehr leise. „Immer zwölf Module auf vier Pontons ergeben ein Schiff“, erklärt Edgar Gimbel. Er ist der technische Leiter der Konzernsparte Baywa r.e. Solar Projects und hat lange nach einem geeigneten schwimmenden System gesucht.
Ein Jahr für die Systementwicklung
Mit den auf dem Markt befindlichen Lösungen war er nicht zufrieden. Er steckte deshalb ein Jahr Entwicklungsarbeit in ein eigenes Floating-System, das er gemeinsam mit Zimmermann PV-Stahlbau konstruierte. Zwölf oder 18 Schiffe werden je an einen Stringwechselrichter von Huawei mit 38 Kilowatt oder 60 Kilowatt Leistung angeschlossen. Vier Trafostationen befinden sich mit auf dem See. Jede wiegt mehr als zehn Tonnen.
Der Fußweg über die Inverterstraße ist sehr stabil. Auch die Wege seitlich entlang der Solarschiffe sacken beim Überqueren kaum nach unten ab. Vom letzten Schiff aus sieht man auf eine Wasserröhre, die als Wellenbrecher dient. Wie ein Sieb glättet sie die Wasseroberfläche für den Solarpark. 67 Anker sichern die Anlage auf dem See, die immer mindestens 20 Meter Abstand zur Küste einhalten muss. Neue Ufer, das sind die schwimmenden Solarparks für die Branche in jedem Fall.
Schon legt das Montageteam die nächsten Schienen bereit, die nächsten Arbeiter stellen die vier Pontons dazu. Jeder weiß was genau, was er zu machen hat. Danach werden die Glas-Glas-Module von GCL mit 72 Zellen auf die Gestelle geschraubt. Dadurch werden die fast 40.000 Module in kurzer Zeit montiert.
14,5 Megawatt auf dem Baggersee
Fast 4.000 Haushalte werden rechnerisch künftig mit Solarstrom versorgt. Baywa r.e. hat den Solarpark gemeinsam mit dem niederländischen Unternehmen Groenleven innerhalb von nur sechs Wochen gebaut. Das Projekt Sekdoorn nahe der niederländischen Stadt Zwolle verfügt insgesamt über 14,5 Megawatt, die auf einem Baggersee schwimmen, der dem Besitzer einer Kiesgrube gehört.
Nach der Realisierung einer Anlage mit zwei Megawatt sowie einer weiteren mit 8,4 Megawatt ist dies bereits das dritte Floating-PV-Projekt, das Baywa mit Groenleven in den Niederlanden umsetzt. „Diese Anlagen sind eine sinnvolle Ergänzung zu Freiflächenanlagen und ein wichtiger Beitrag zu sogenannten Mehrfachanwendungen in der Solarenergie, wie Agrophotovoltaik, Carports sowie gebäudeintegrierte Photovoltaik und Dachanlagen“, schildert Benedikt Ortmann, Chef von Baywa r.e. Solar Projects.
Doppelte Nutzung angestrebt
Schwimmende Solarparks bieten vielfältige Möglichkeiten, um ungenutzte Gewässer mehrfach und damit wirtschaftlicher zu betreiben. In Betracht kommen Stauseen, Fischzuchtgewässer oder Seen auf ehemaligen Braunkohletagebauen. „Neben unseren Projekten in den Niederlanden arbeiten wir bereits an Floating-PV-Projekten in Deutschland Frankreich, Italien, Großbritannien und auch Spanien, das Potenzial in Europa ist groß“, erklärt Ortmann. Für nächstes Jahr seien weitere 100 Megawatt Floating PV in Europa geplant.
Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme beziffert das Potenzial für Floating PV in einer aktuellen Studie allein für Braunkohletagebauseen in Deutschland auf 15 Gigawatt. Eine Studie der World Bank Group errechnet für Europa sogar ein Potenzial von 20 Gigawatt, wenn nur ein Prozent der nicht natürlichen Süßwasserflächen genutzt wird.
Sowohl in den Niederlanden als auch in Frankreich gibt es Förderprogramme, die derlei schwimmende Anlagen berücksichtigen. In Deutschland werde das bisher aber nur am Rande diskutiert, kritisiert Ortmann.
Weltweit nimmt die Anzahl schwimmender Photovoltaikanlagen immer weiter zu. Nach Einschätzung des BSW-Solar ist bereits über ein Gigawatt Leistung in Floating-PV-Anlagen installiert. Der größte Teil der schwimmenden Solarparks befindet sich aktuell in Asien. Schwimmende Photovoltaik dürfte künftig insbesondere in Ländern mit einer hohen Bevölkerungsdichte und vielen Wasserflächen an Bedeutung gewinnen. Dazu zählen vor allem Großbritannien, aber auch die Niederlande. „Da die niederländische Regierung eine spezielle Förderung für schwimmende Anlagen beschlossen hat, werden weitere Projekte dieser Art folgen“, prognostiziert BSW-Solar-Chef Carsten Körnig. Die derzeit größte europäische Anlage schwimmt auf einem See in Frankreich.
Potenzial auf deutschen Baggerseen
Mehr Potenzial ist auch in Deutschland vorhanden. Es gibt ein riesiges, bislang ungenutztes Potenzial in ehemaligen Tagebauen und natürlich auch auf künstlichen Gewässern. Der Braunkohletagebau hat in Deutschland eine Fläche von 1.773 Quadratkilometern zerstört. Das entspricht mehr als drei mal der Fläche des Bodensees. Würde ein Viertel dieser Fläche geflutet und mit Floating PV belegt, eröffnet sich laut dem Fraunhofer ISE ein technisches Potenzial von 55 Gigawatt.
Der Baggersee Maiwald in Renchen trägt seit dem Sommer 2019 die erste schwimmende Solaranlage in Deutschland. Sie hat 800 Kilowatt Leistung und wurde von der Firma Ossola und Erdgas Südwest realisiert. Wird der Solarstrom nicht verbraucht, fließt er ins öffentliche Netz und wird von Erdgas Südwest direkt vermarktet.
Renchen-Projekt als Blaupause
„Baggerseen bieten uns eine bisher ungenutzte Flächenkulisse, die die Ziele einer regionalen Rohstoffgewinnung mit dezentraler regenerativer Energieerzeugung perfekt in Einklang bringt“, erklärt Boris Heller, Projektleiter von Erdgas Südwest. Durch die Reflexion des Wassers ist außerdem ein bis zu zehn Prozent höherer Energieertrag möglich.
„Ein fürwahr nicht alltägliches Projekt, welches sicher noch viele in Erstaunen versetzen wird“, sagt Franz Untersteller, Umweltminister von Baden-Württemberg. „Bei den zahlreichen Baggerseen in der Gegend besteht großes Potenzial, mit ähnlichen Projekten einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.“ Für die rund 150 in Betrieb befindlichen Baggerseen entlang der Rheinschiene sei das ein Vorzeigeprojekt.
Vor- und Nachteile auf dem See
Um eine stärkere Verbreitung von Floating-Anlagen in Deutschland zu fördern, müssten bewährte Marktprämien entsprechend angehoben werden, beispielsweise mittels eines eigenen Auktionstopfs im Rahmen der Innovationsausschreibung, schlägt Casten Körnig vom BSW-Solar vor.
Der Vorteil schwimmender Anlagen ist die permanente Kühlung durch das Wasser, welche die Leistung der Solarmodule bei hohen Lufttemperaturen etwas steigern kann. Nachteile liegen allerdings in der kostenintensiveren Installation und der Wartung. Letztere ist aufwendiger als an Land, außerdem kommen Verschmutzungen durch Algen oder Wasservögel hinzu.
Edgar Gimbel von Baywa schildert, dass er besonders darauf geachtet habe, dass sich kein altes Brackwasser sammeln kann. Seevögel und Enten können problemlos unter den Anlagen hausen. Es gebe bislang keine Hinweise, dass die Flora und Fauna von dem Floating-System beeinflusst würden, sagt er. Offshore-Anlagen im Meer hält Gimbel für technisch anspruchsvoll und wirtschaftlich kaum darstellbar. Auf Salzwasserflächen sieht der Ingenieur keine Anlagen schwimmen, jedenfalls keine von Baywa.
Bis zu drei Meter hohe Wellen
Martin Aichinger sieht das etwas anders. Der Österreicher ist Geschäftsführer des im April 2019 gemeinsam mit Gerold Guger gegründeten Unternehmens Solocean. Aichinger war zuvor 15 Jahre lang CTO der Ertex Solar, die gebäudeintegrierte Solartechnik anbietet. Technisch hält er den Offshore-Betrieb von Solaranlagen für machbar. Zusammen mit der TU Graz hat Solocean umfangreiche Simulationen des Schwimmverhaltens und Belastungstests in Extremsituationen durchgeführt. Bis drei Meter Wellenhöhe und einer Strömungsgeschwindigkeit von zwei Metern pro Sekunde hält das System stand. Den speziell entwickelten Schwimmkörper hat sich die Firma patentieren lassen.
Alle auf dem Floating-PV-Symposium in Amsterdam 2019 benannten Probleme der Floating-Systeme konnten laut Aichinger durch den Solocean-Floater gelöst werden. Zudem gebe es keine metallischen Aufständerungen. Für die Module wurde eine spezielle wasserabweisende, hydrophobe Glasbeschichtung entwickelt, die Salzverkrustungen und Verunreinigungen auf ein Minimum reduziert.
Pilotanlage im Jahr 2020
Die Wirtschaftlichkeit des Systems muss dagegen immer in Relation mit den vorherrschenden Standortbedingungen bewertet werden, betont Aichinger. Diese disruptive Technologie sei natürlich etwas kostenintensiver, erklärt er. „Wir kommen in vielen Fällen aber trotzdem auf Amortisationszeiten von unter fünf Jahren.“ Floating-Systeme können teure Dieselgeneratoren ersetzen und so die Kohlendioxidemissionen reduzieren. Beispielsweise würden auf den Malediven Preise zwischen 25 und 52 Cent pro Kilowattstunde für den Dieselstrom gezahlt. Solarstrom von schwimmenden Anlagen ist dort seiner Ansicht nach immer konkurrenzfähig.
Aichinger sieht die Märkte vor allem in weltweiten Regionen, die über wenig nutzbare Landflächen verfügen. Auch Inseln und Ansiedlungen in Küstennähe, die Wellen ausgesetzt sind, können mit dieser Technologie umweltfreundlich versorgt werden. „Mitte 2020 werden die ersten Pilotanlagen realisiert und anschließend startet der weltweite Vertrieb“, sagt er. „Die Herausforderungen bei der Entwicklung dieses innovativen Systems waren anfangs sehr groß“, meint Aichinger. Von Herausforderungen hat er sich aber auch bei der gebäudeintegrierten Photovoltaik vor über 15 Jahren nicht abschrecken lassen.
K2 Systems
Helikopter liefert die Plattformen
Im Schweizer Stausee Lac des Toules entsteht zurzeit laut K2 Systems das erste schwimmende Solarkraftwerk im Gebirge. Die 36 Plattformen liefern rund 800.000 Kilowattstunden Strom aus einer Fläche von 2.240 Quadratmetern. Das Projekt betreut Romande Energie, die mit K2 Systems eine passende Idee entwickelt haben. Die einzelnen Plattformen werden mit dem Helikopter vom Land in den See transportiert. Allerdings ist die Montage stark wetterabhängig, weshalb das Projekt voraussichtlich erst Ende 2019 abgeschlossen sein wird. In den kommenden Jahren soll es noch weiter ausgebaut werden.
Der Hersteller K2 Systems stellte im Sommer 2018 ein eigenes System für schwimmende Photovoltaikanlagen vor. Es basiert auf Pontons aus Kunststoff, die miteinander verbunden werden. Auf diese Weise wird dann das bewährte Montagegestell D-Dome Classic von K2 Systems installiert und die Solarmodule werden darauf in Ost-West-Ausrichtung aufgeständert. Laut Hersteller steigt der Solarertrag um etwa zehn Prozent aufgrund der Kühlung der Module durch das Wasser. Auch die Spiegelung des Sonnenlichts von der Wasseroberfläche auf die Module steigert die Leistung, vor allem, wenn bifaziale Module installiert werden.