Im ostbayerischen Eggenfelden betritt die Solarbranche Neuland. Die Freiflächenanlage, nah an der österreichischen Grenze gelegen, ist eine der ersten Anlagen in Deutschland, die komplett ohne EEG-Vergütung auskommt. Seit Anfang Juli 2019 ist sie in Betrieb und wird nach einem Probebetrieb über einen Stromliefervertrag die Firma Axpo Deutschland beliefern.
„Die Größe der Anlage wurde mit rund 1,5 Megawatt Leistung bewusst klein gehalten, um praktische Erfahrung mit PPA-Anlagen zu sammeln“, erklärt Christoph Strasser, Geschäftsführer beim Projektentwickler Maxsolar aus Traunstein. Die Kosten der Stromerzeugung bewegten sich zwischen 42 und 48 Euro pro Megawatt, kalkuliert Strasser. Damit sind die Preise für eine Megawattstunde Solarstrom heute schon konkurrenzfähig.
Die Projekte werden komplexer
Stromlieferverträge oder PPA sind international schon seit Jahrzehnten verbreitet – in Spanien bringen sie gerade neuen Schwung in einen zuvor jahrelang am Boden liegenden Solarmarkt. Das englische Kürzel steht für „Power Purchase Agreement“. Die Komplexität der noch neuen PPA-Projekte erfordere allerdings erfahrene Partner sowie einen detaillierten Zeitplan, betont Strasser. Um weitere Solarkraftwerke auch in größerer Dimension zu realisieren, hat Maxsolar nun eine neue Arbeitsgruppe innerhalb der Firma gegründet. Die Anlage in Eggenfelden ist die erste Referenzanlage von Maxsolar, eine zweite ist ebenfalls bereits am Netz und weitere sind in Planung oder im Bau, um im nächsten Jahr ans Netz zu gehen.
Was macht einen Stromliefervertrag aus? „PPA sind Verträge über die sonstige Direktvermarktung mit vier Besonderheiten: einem Prozedere bis zum Abschluss, einer Definition des Lieferumfangs, einer Verteilung des Ausfallrisikos und Sicherheiten“, erläutert Anwältin Margarete von Oppen. Sie arbeitet für die Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein. Dennoch sei Deutschland noch Anfänger beim Thema PPA.
Das EEG bleibt relevant
Die Anwältin von Oppen hält auch das EEG für Solaranlagen mit PPA-Verträgen für anwendbar. „Denn das EEG greift für alle Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien – wozu Photovoltaikanlagen zweifelsohne zählen“, betont sie. Das EEG bestehe nämlich aus drei Säulen: der Einspeiseförderung, dem Netzanschlussvorrang und dem Einspeisevorrang. „Fällt eine Säule weg, bleiben die anderen aber weiter bestehen“, betont die Anwältin.
Die geplanten gesetzlichen Änderungen seien moderat. Das EEG bleibe erhalten, nur dass die Säule der EEG-Förderung wegfalle. Der Vorrang für die Abnahme und den Netzanschluss der Solarstromanlage bleibe somit bestehen. Das sollte man immer im Hinterkopf behalten, wenn einige in der Branche die Abschaffung des EEG gleichgültig hinnehmen, weil es auch ohne geht. „Wenn der Strom aus einer PPA-Solarstromanlage an einen Versorger verkauft wird, handelt es sich demnach um eine sonstige Direktvermarktung, das EEG bleibt relevant“, sagt von Oppen.
Ein Mustervertrag für PPA
Die Fachanwältin hat sich bereits viele Stunden mit Stromlieferverträgen für Solarparks beschäftigt und sowohl Maxsolar als auch die Umweltbank bei der Vertragsentwicklung beraten. Zusammen mit der Bank hat sie einen PPA-Mustervertrag für Photovoltaikprojekte auf der Freifläche entwickelt.
Der Vertrag sei im direkten Austausch mit mehreren Marktakteuren wie Stromlieferanten und Stromabnehmern entstanden. Die Anregungen und Anforderungen aus den Interviews wurden bei der Erstellung des Mustervertrags berücksichtigt. Dieser Mustervertrag sei ein wichtiger Schritt, um die Projektkosten für förderfreie Solarparks hierzulande gering zu halten. Denn individuelle Projektverträge bedeuten höhere Kosten und brauchen zusätzlich Zeit. Der strukturierte Aufbau des Musters ermögliche nun einen schnellen Überblick über alle Regelungsaspekte. Dennoch sei es mit dem Muster möglich, individuelle Vereinbarungen zu Entgelten sowie zu den Rechten und Pflichten zu treffen und zu ergänzen.
8,8 Megawatt ohne EEG-Förderung
Er eignet sich als Muster sowie als Leitfaden für eine Vertragsprüfung, verspricht die Umweltbank, für die PPA ein zukunftsträchtiges Geschäft werden könnten. „Wir sind froh, dass wir den Mustervertrag trotz seiner komplexen Inhalte sehr übersichtlich gestalten konnten“, sagt Umweltbank-Vorstandsmitglied Goran Baši. Kreditentscheidungen kann die nachhaltige Bank künftig auf Basis dieses Vertrags noch zügiger treffen, da umfangreiche Prüfungen und Analysen entfallen.
Die Bank von Manager Baši hat Ende November eine Finanzierung für einen förderfreien Solarpark auf Basis eines Stromliefervertrags abgeschlossen. Der Solarpark Barth 5 westlich von Stralsund leistet 8,8 Megawatt. Er wurde vom Projektierer Baywa r.e. Solar Projects gebaut und ist bis dato die größte Anlage in Deutschland ohne EEG-Förderung.
Vorausschauende Planung bei förderfreien Projekten
Der erzeugte Strom wird über einen fünfjährigen Stromabnahmevertrag mit der Tochter Baywa r.e. Clean Energy Sourcing vermarktet. Das Projekt wird über eine langfristige Finanzierung mit einer Kreditlaufzeit von 20 Jahren durch die Umweltbank finanziert. „Der Solarpark Barth 5 ist der Beginn einer neuen Ära förderfreier Photovoltaikanlagen in Deutschland“, sagt Benedikt Ortmann, Geschäftsführer bei Baywa r.e. Solar Projects.
Bereits während des Baus des Solarparks Barth 3 auf dem Gelände des Ostseeflughafens Stralsund-Barth im Jahr 2016 hat Baywa die für 2019 geplanten Solarparks Barth 4 bis 6 vorausschauend geplant. So wurden beispielsweise die Kabel für die neuen Parks gleich mit in den Kabelgraben von Barth 3 verlegt und die Kosten entsprechend umgelegt. Barth 5 ist einer der drei neuen Solarparks auf dem Ostseeflughafen. Aber er ist der erste, der schon fertig gebaut wurde.
2020 über 100 Megawatt geplant
Durch die starke Nachfrage nach PPA-Projekten sieht sich die Umweltbank in ihrer Strategie bestätigt, ein spezielles Finanzierungskonzept anzubieten. „In diesem Jahr rechnen wir damit, rund zehn PPA-Projekte mit einer Gesamtleistung von 20 Megawatt zu finanzieren“, erläutert André Hückstädt, Leiter der Abteilung Energie und Infrastruktur bei der Umweltbank. Für 2020 gebe es Planungen für PPA-Projekte von insgesamt weit über 100 Megawatt Leistung.
Jes will 250 Millionen Euro investieren
Im November hat der Stromversorger Jes mit Hauptsitz in Rostock vermeldet, dass er bis 2022 rund 250 Millionen Euro in neue Photovoltaikparks in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern investieren will. Der Clou: Diese sollen explizit ohne EEG-Förderung betrieben werden.
Der mittelständische Stromversorger nutzt dafür das Know-how für die Projektentwicklung der Firma HK Solartec, die ebenfalls in Rostock sitzt. Der Schwerpunkt des Anlagenbaus liege zunächst auf Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, sagt Jes-Vorstand Frank Jarmer. 70 Megawatt seien aktuell schon in der Entwicklung. Privatkunden könnten bereits den Sonnenstromtarif bestellen, die Stromlieferung beginne dann ab Januar 2020. Privatkunden mit eigener Immobilie könnten zudem die Dachfläche zur Verfügung stellen, damit Jes auf eigene Kosten eine Photovoltaikanlage errichten kann. Für Gewerbekunden gebe es individuelle Vertragsmodelle. Stromversorger sind derzeit die ersten Abnehmer des Stroms aus Lieferverträgen. Auch der Konzern EnBW hat den Aufbau mehrerer Großprojekte mit PPA-Verträgen verkündet. Darunter der Solarpark Weesow-Willmersdorf in Brandenburg mit 180 Megawatt Leistung. Er wird aber erst im nächsten Jahr ans Netz gehen.
Mehr als 20 Jahre Laufzeit
Eine sichere Vergütung über 20 Jahre plus des Jahres der Installation aus dem EEG war der Grund für den Solarboom. Das ist mehr und mehr Vergangenheit. „Jetzt kommt eine neue Welt, in der das nicht mehr gilt. Die Banken werden deshalb möglichst lange Laufzeiten fordern“, meint Hückstädt. Der Umweltbank reicht allerdings eine Mindestlaufzeit von fünf Jahren für die EEG-förderfreien Parks. Sie ist in der neuen Energiwelt angekommen.
Für Schnelle Leser
Hier erfahren Sie:
- Post-EEG: Das EEG bleibt wichtig – trotz PPA und förderfreier Projekte.
- PPA: Björn Broda von Juwi erläutert die Chancen und Risiken der Finanzierung.
- Neue Geschäfte: Sauberer Strom für die Bauern, ohne dass sie selbst investieren.
- Vielfalt: Solarparks bilden geschützte Biotope mit zahlreichen Arten.
Kurz nachgefragt
„Mindestens fünf Jahre Laufzeit“
Wie sind PPA für Projekte mit erneuerbaren Energien einzuordnen?
André Hückstädt: Das Thema ist neu und alt zugleich. Für die Erneuerbare-Energien-Branche ist es ein Hoffnungsschimmer, vom EEG losgelöst Projekte zu realisieren. Bisher ist die Zahl der tatsächlich abgeschlossenen Verträge eher gering. Weil es keine Standards gibt, tastet sich jeder individuell heran mit dem Ergebnis, dass sehr hohe Transaktionskosten entstehen, insbesondere Kosten für Rechtsanwälte. Das rechnet sich für kleinere Projekte eher nicht.
Wie geht die Umweltbank damit um?
Die Umweltbank findet das Thema interessant. Stromlieferverträge sind ja in der traditionellen Energiewirtschaft gang und gäbe. So sehen die Verträge dann auch aus, sie sind sehr umfangreich. Für die erneuerbaren Energien braucht man zusätzlich Flexibilität, auch auf Vertragsseite. Deshalb haben wir begonnen, einen Mustervertrag zu entwickeln. Wir hoffen, dass dieses Muster zu einem Marktstandard werden kann, bei dem sowohl die Interessen der Erzeuger als auch der Abnehmer berücksichtigt sind.
Wer kann zuerst dieses Modell sinnvoll anwenden?
Jetzt in der Anfangsphase profitieren davon sicher nur Großprojekte. Aber perspektivisch können auch mittlere und kleinere Projekte dieses Geschäftsmodell wirtschaftlich nutzen. Aber das sehe ich für den aktuellen Markt noch nicht. Die aktuellen Börsenstrompreise sind einfach so niedrig, dass es sich nur bei großen Volumina lohnt. Dafür braucht man extrem niedrige Errichtungs- und Betriebskosten. Das erreicht man derzeit fast nur bei großen Freiflächenanlagen.
Jetzt in der Anfangsphase profitieren davon sicher nur Großprojekte. Aber perspektivisch können auch mittlere und kleinere Projekte dieses Geschäftsmodell wirtschaftlich nutzen. Aber das sehe ich für den aktuellen Markt noch nicht. Die aktuellen Börsenstrompreise sind einfach so niedrig, dass es sich nur bei großen Volumina lohnt. Dafür braucht man extrem niedrige Errichtungs- und Betriebskosten. Das erreicht man derzeit fast nur bei großen Freiflächenanlagen.
Wie sinnvoll sind lange Laufzeiten?
Die Laufzeiten werden derzeit noch sehr lang gewählt. Aber niemand weiß, wie sich die Strompreise in den nächsten zehn Jahren entwickeln. Seriöse Prognosen sind nur für die nächsten drei bis vier Jahre zu haben. Ganz sicher werden wir eine Transformation der Stromerzeugung erleben hin zu mehr Nachhaltigkeit. Da sind Photovoltaik und Windkraft die Arbeitspferde der Zukunft. Die Frage ist dann nur, wie passen sich Angebot und Nachfrage an. Im Kern glauben wir, dass die Nachfrage nach dieser Energie nicht weniger werden wird. Wenn zusätzlich fossile Energie mit Steuern oder Abgaben belegt wird, wird das auch Folgen auf die Preisentwicklung haben und Strom aus Wind und Solar sich auf einem vernünftigen Preisniveau einpendeln.
Die Laufzeiten werden derzeit noch sehr lang gewählt. Aber niemand weiß, wie sich die Strompreise in den nächsten zehn Jahren entwickeln. Seriöse Prognosen sind nur für die nächsten drei bis vier Jahre zu haben. Ganz sicher werden wir eine Transformation der Stromerzeugung erleben hin zu mehr Nachhaltigkeit. Da sind Photovoltaik und Windkraft die Arbeitspferde der Zukunft. Die Frage ist dann nur, wie passen sich Angebot und Nachfrage an. Im Kern glauben wir, dass die Nachfrage nach dieser Energie nicht weniger werden wird. Wenn zusätzlich fossile Energie mit Steuern oder Abgaben belegt wird, wird das auch Folgen auf die Preisentwicklung haben und Strom aus Wind und Solar sich auf einem vernünftigen Preisniveau einpendeln.
Spricht das nicht eher für kürzere Laufzeiten?
Man braucht tatsächlich keine Vertragslaufzeiten von zehn oder 15 Jahren, sondern einen vernünftigen Markt. Die nächsten fünf Jahre werden wir eine Weichenstellung bei der Energieerzeugung erleben. Dazu gehören auch der Atomausstieg und die CO2-Bepreisung. Die größte Bedrohung ist vielleicht eher eine Art Kannibalisierung durch die Entwicklung noch günstigerer Energieerzeugungsarten. Wenn neue PV-Anlagen noch günstiger produzieren können, wird das auch Folgen für ältere teurere Anlagen haben.
Man braucht tatsächlich keine Vertragslaufzeiten von zehn oder 15 Jahren, sondern einen vernünftigen Markt. Die nächsten fünf Jahre werden wir eine Weichenstellung bei der Energieerzeugung erleben. Dazu gehören auch der Atomausstieg und die CO2-Bepreisung. Die größte Bedrohung ist vielleicht eher eine Art Kannibalisierung durch die Entwicklung noch günstigerer Energieerzeugungsarten. Wenn neue PV-Anlagen noch günstiger produzieren können, wird das auch Folgen für ältere teurere Anlagen haben.
Banken präferieren aber doch langfristige Verträge?
Ja natürlich. Jeder hat seine Komfortzone. Bisher hatten wir den Zeithorizont von 20 Jahren Vergütung aus dem EEG. Darauf haben sich alle Banken eingestellt. Und jetzt kommt eine neue Welt, wo das nicht mehr gilt. Die Banken werden deshalb möglichst lange Laufzeiten fordern. Aber das Produkt Strom ist ein sehr universelles Produkt, das mit hoher Sicherheit langfristig genutzt wird und damit auch auf eine stetige Nachfrage trifft. Da bleibt dann nur noch die Preisfrage im Raum. Wir fordern deshalb eine Mindestlaufzeit für PPA von fünf Jahren.
Das Gespräch führte Petra Franke.