Wittenberg, die Stadt Luthers. Fein putzt sie sich heraus, denn bald jährt sich das Geburtsereignis der deutschen Reformation. Im Jahr 1517 schlug Martin Luther seine ketzerischen Thesen ans Portal der Schlosskirche. Zur 500-Jahr-Feier erwartet die Stadt Millionen Besucher aus aller Welt. Derzeit werden die ehrwürdige Schlosskirche und zahlreiche weitere Gebäude in der Altstadt aufwendig restauriert.
Doch Wittenberg hat nicht nur Vergangenheit zu bieten. Im Gegenteil, in einem modernen Bürogebäude am alten Bahnhof, quasi Auge in Auge mit der eingerüsteten Schlosskirche, hat die Firma Tesvolt ihren Sitz. Das Team hat sich der Energiewende verschrieben.
Binnen zwei Jahren wurde hier eine neue Speichertechnologie entwickelt, speziell für gewerbliche Anwendungen. „Unser Batteriecontainer bietet außerordentlich geringe Kosten“, erläutert Daniel Hannemann, Chef von Tesvolt. „Die größte Version mit 1.152 Kilowattstunden Speicherkapazität kostet 330 Euro je Kilowattstunde. Das sind zehn Cent je Kilowattstunde Speicherstrom.“
Bis zu 70 Prozent entladen
Zunächst erscheint die Idee simpel: Tesvolt bietet schlüsselfertige Stromspeicher an, mit Blei-Säure-Batterien als Speichermedium. Die Baugrößen reichen von 96 bis 1.152 Kilowattstunden. Die Container werden ans Stromnetz angeschlossen, sind aber zugleich inselfähig. Die Entladetiefe im normalen Speicherbetrieb beträgt – bei Blei üblich – 50 Prozent.
Läuft der Speicher als Notstromsystem (unterbrechungsfreie Stromversorgung: USV), kann er bis zu 70 Prozent entladen werden. Das erreichen die Ingenieure durch geringere Entladeströme und ein gesondertes Betriebsregime. Im Standardbetrieb als Strompuffer wird die Zyklenzahl mit 2.800 angegeben, bei USV-Betrieb mit 1.900 Ladezyklen.
Tesvolt will preiswerte Speicher bauen. Denn nach dem Rennen um die Kosten in der Photovoltaik ist nun das Rennen bei den Speicherpreisen im Gange. „Auf der Intersolar 2014 in München haben wir uns die ausgestellten Speicher angesehen“, erinnert sich Daniel Hannemann. „Ein Speicher mit 80 Kilowattstunden kostete mehr als 200.000 Euro. Wir wollten einen Solarstromspeicher entwickeln, der auch in Afrika verkauft werden kann. Für den netzparallelen Betrieb, aber auch für netzferne Regionen.“ Bei der Tesvolt-Version mit 192 Kilowattstunden liegen die Kosten derzeit bei 390 Euro je Kilowattstunde, Endkundenpreis wohlgemerkt. Macht rund 75.000 Euro.
Alle Vorgaben der TAB erfüllt
Zwei Jahre Entwicklungsarbeit haben die Speicherpioniere investiert. Nun befinden sich die ersten Container in Feldtests. Seit Ende 2014 werden die Großspeicher verkauft. Sie erfüllen alle Vorgaben der TAB durch die Energieversorger. An das Stromnetz werden sie über die Niederspannung angeschlossen, „weil die meisten Photovoltaikanlagen auch an der Niederspannung hängen“, wie Simon Schandert erklärt, Technikdirektor und Mitinhaber des Unternehmens.
Partner von Tesvolt ist der Wechselrichterhersteller SMA, der auch die Ladeelektronik und die Umrichtertechnologie liefert. Neben den Blei-Säure-Batterien stecken in jedem Container drei Batteriewechselrichter von SMA und der Home Manager. Denn der Speicher ist in der Lage, einen Dieselgenerator oder ein BHKW zur Notstromversorgung zu starten, falls erforderlich.
Ersatz für Dieselaggregate
Denn oft wird die unterbrechungsfreie Stromversorgung durch teilweise veraltete Dieselaggregate gewährleistet. Sie laufen nur wenige Stunden im Jahr, müssen aber startbereit vorgehalten werden. „Das ist unwirtschaftlich und teuer“, meint Daniel Hannemann. „Mit unserem Stromspeicher kann der Sonnenstrom diese Aufgabe übernehmen.“
So haben beispielsweise Landwirte nicht selten zwischen 500 Kilowatt und einem Megawatt Solarleistung auf ihren Scheunen, Ställen oder Brachen installiert. Ihre Grundlast liegt zwischen 100.000 und 200.000 Kilowattstunden im Jahr. Da kommt so ein Speicher durchaus gelegen, um die Kosten zu reduzieren und den Eigenverbrauch deutlich zu erhöhen. Der Speicher läuft dreiphasig, ein gängiger Anschluss für Gewerbebetriebe in Mitteleuropa. „Der Speicher ist in PV Sol hinterlegt“, ergänzt Hannemann. „Man kann ihn direkt aus dem Programm mit dem Lastprofil des Kunden dimensionieren.“ Die beiden kleineren Versionen mit 96 und 192 Kilowattstunden sind förderfähig durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). SMA bietet auch die Schulung von Installateuren für die Laderegler an.
Attraktive Margen für Installateure
SMA übernimmt den weltweiten Support und den Service für seine Laderegler (Sunny Island). Das gilt für die Startmärkte in Deutschland, Österreich und der Schweiz, aber auch für Kunden in Afrika, Südasien oder Brasilien. Damit stößt Tesvolt das Tor zum globalen Speichergeschäft auf. Denn die SMA-Elektronik erfüllt auch die Anforderungen der Stromnetze und Energieversorger in diesen Regionen.
Im Prinzip können sich Installateure diese Container mit einem Sattelschlepper direkt zur Baustelle ihrer Solarkunden bestellen. „Der Container ist schlüsselfertig, inklusive Software und Anschluss beim Kunden“, erläutert Daniel Hannemann. „Die Bleizellen zu verbinden und die Elektronik einzubauen, das dürfte viele Installateure überfordern. Im Gegenzug bieten wir diesen wichtigen Vertriebspartnern eine attraktive Marge im unteren zweistelligen Bereich.“ In Wittenberg werden die Container nach Kundenwunsch komplettiert und vorbereitet.
Aufladung in fünf Stunden
Ein wichtiges Problem haben die Wittenberger Tüftler gelöst: Der Speicher wird innerhalb von fünf Stunden komplett aufgeladen. Gängige Speicher brauchen dafür zehn Stunden, was die Sonnenscheindauer an einem Tag meist nicht hergibt. Auch der Austausch der Bleibatterien am Ende ihrer Lebensdauer ist bereits einkalkuliert: Die schweren Blei-Säure-Zellen sind auf Schienen gelagert.
Dadurch lassen sie sich blockweise montieren und demontieren. Der Austausch erfolgt nahezu problemlos, er kostet 30 Prozent des Neupreises für den Container. Auch die Lüftung und die Umwälzung der Säure in den Zellen sind integriert. Die Elektronik bleibt drin, sie ist auf 20 Jahre ausgelegt.
Bleizellen lassen sich vollständig recyceln. Das ist ein Vorteil gegenüber Lithiumbatterien, bei denen die Wiederverwertung noch in den Kinderschuhen steckt. Das entscheidende Argument für Blei-Säure-Zellen war jedoch wirtschaftlicher Natur: „Bei großen, gewerblichen Anlagen spielen die Kostenvorteile eine sehr wichtige Rolle“, sagt Simon Schandert, der Technikchef von Tesvolt. „Wir haben auch mit Blei-Gel-Zellen und mit Lithiumzellen experimentiert. Letztendlich erreichen Speichersysteme mit Lithiumzellen und mit Blei-Säure-Akkus nahezu den gleichen Gesamtwirkungsgrad.“
Wenig Kosten für Batteriemanagement
Lithiumzellen kann man häufiger und tiefer entladen, das ist ihr Vorteil. Doch sie brauchen ein ausgeklügeltes Batteriemanagementsystem, um jede einzelne Zelle zu überwachen und zu steuern. Auch dürfen die Zellen nicht ungleich entladen werden. „Dieses Batteriemanagementsystem wirkt wie eine zusätzliche Last, es verursacht Energieverluste in den Lithiumzellen“, sagt Schandert. „Blei-Säure-Batterien hingegen brauchen kein übergeordnetes Batteriemanagementsystem.“
Allerdings bereitet er sich bereits auf Lithiumbatterien vor, wenn die Preise ihren Einsatz erlauben. „Wir können unser Lademanagement auch auf Lithiumbatterien adaptieren, ebenso auf Nickel-Kadmium-Akkus“, meint er. „Noch sind die Lithiumzellen zu teuer, um sie in solchen Großspeichern zu verbauen.“
Integriert sind auch der NA-Schutz und zwei Zähler, für die Stromerzeugung der Photovoltaikanlage und den Strombezug aus dem Speicher. Der Container wurde von der Dekra als elektrischer Betriebsraum zertifiziert, ebenso als Batterieraum für die Bleiakkumulatoren. Die gesamte Batterieelektronik basiert auf 48 Volt DC.
Seit einiger Zeit läuft bereits ein Tesvolt-Speicher mit 192 Kilowattstunden in Stackelitz, einem Ortsteil von Coswig, unweit der Bundesautobahn A9 in Sachsen-Anhalt gelegen. Dort hat ein größerer Betrieb für Landschaftsgestaltung und Gartenbau seinen Sitz. Auch Waldpflege, Straßenbau, Tiefbau und Energiecontracting gehören zum Geschäft.
Neben den Gewächshäusern betreibt die Firmengruppe eine eigene Holzpelletproduktion. Rund 200 Leute sind beschäftigt, ein wichtiger Arbeitgeber in dieser Region. Auf den Dächern des Betriebs sind bereits 300 Kilowatt Photovoltaik installiert. Der Stromspeicher ersetzt das fossile Dieselkraftwerk, das bislang für die Notversorgung vorgehalten wurde.
Tesvolt GmbH
Großbatterien für Gewerbe und Industrie
Das Unternehmen in Wittenberg wurde nach erfolgreicher zweijähriger Entwicklungsarbeit 2014 gegründet. Der Firmenname setzt sich aus den Physikern Nikola Tesla und Alessandro Volta zusammen. Tesla war ein genialer Erfinder in der Elektrotechnik. Volta gilt als Erfinder der elektrochemischen Batterie. Tesvolt entwickelt und fertigt Batteriesysteme, in enger Kooperation mit Partnern wie SMA. Die Batterien decken eine Speicherkapazität (brutto) von 96 bis 1.152 Kilowattstunden ab. Sie werden weltweit vertrieben und eingesetzt, als schlüssel- und anschlussfertige Container. Die Fertigung startete 2014. Die jährlich installierte Speicherkapazität erreicht zurzeit rund 50 Megawattstunden.