Im vergangenen Jahr hat Solarwatt den neuen Solarspeicher My Reserve präsentiert, gewann den Award der EES in München, der Stand auf der Messe wurde von interessierten Installateuren geradewegs gestürmt. Fast 4.000 Anfragen durfte Solarwatt aufnehmen und abarbeiten – dabei war die Fertigung noch nicht einmal aufgebaut.
Die Speicherbranche dreht extrem schnell hoch, nach der Messe ist vor der Messe. Seit Juni vergangenen Jahres hat Solarwatt die Batteriefabrik aufgebaut, nun rollen die Speichermodule im Takt von acht Minuten vom Band. „Zurzeit verkaufen wir pro Speicher zwei Batteriemodule, das macht in der Summe 4,4 Kilowattstunden“, erläutert Andreas Gutsch. Etwa 400 Speicher werden nun monatlich ausgeliefert. Der Auftragsstau und die langen Lieferzeiten sind jetzt mittlerweile Vergangenheit.
Ein neues Werk in Frechen
Der ehemalige Forschungsmanager vom „Competence E“ am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und davor Geschäftsführer von Li-Tec Battery in Kamenz führt seit Jahresbeginn die neue Solarwatt Innovation GmbH. Der Dresdner Systemanbieter hat die Firma E-Wolf in Frechen bei Köln übernommen, dort werden nun die koreanischen Lithiumzellenmit der Platine und Sicherheitsgehäuse zum Batteriemodul komplettiert.
Jedes Modul kann bis zu 2,2 Kilowattstunden aufnehmen. Ein My Reserve kann aktuell bis zu 8,8 Kilowattstunden – also vier Module – steuern. Die Batteriemodule gehen als Gefahrgut aus Frechen separat an den Installateur auf die Reise. Das Speichergehäuse, die Kabel und die Leistungselektronik des Batteriesystems werden von Dresden auf die Baustelle geliefert. Dort sitzt die Systemintegration.
Die Firma E-Wolf, die Solarwatt inzwischen gekauft hat, stand an der Wiege des My Reserve, den Solarwatt mittlerweile unter anderem auch für den Energieriesen Eon baut. E-Wolf entstand als kleine, feine Schmiede für Elektroautos. Dort fanden sich die Ingenieure von Toyota, als die Japaner aus der Formel Eins ausstiegen und ihre Motorsportsparte abwickelten.
Erfahrungen aus der Formel Eins
Das klingt seltsam, muss erklärt werden: „Im Jahr 2009 hatten die Boliden der Formel Eins ein Bremssystem, das die Bremsenergie zurückgewann und in einer Batterie speicherte, um sie bei der nächsten Beschleunigung wieder zu verwenden“, sagt Andreas Gutsch. „Damals waren die Rennautos mit Hybridantrieben unterwegs. Der Batteriestrom wurde genutzt, um die Beschleunigung mit dm Elektromotor zu unterstützen.“
Hinter E-Wolf stand Investor Frank Maiworm, der bereits Li-Tec Battery gegründet und später an Evonik beziehungsweise Daimler verkauft hatte. Mit seinen Elektroautos erregte E-Wolf Aufsehen, aber keine kommerziellen Erfolge.
Nahezu einzigartige Kompetenz
Dennoch entstand eine nahezu einzigartige Kompetenz in schnellen Steuerungen für die Batterien und elektrischen Antriebe, die Einbindung in Can Bus und in der Sicherheit von elektrischen Systemen. Zudem war E-Wolf von Beginn an mit Lithiumbatterien befasst, auch diese Erfahrungen konnte Solarwatt nutzen.
Denn 2013 gaben die Dresdner bei E-Wolf die Entwicklung eines skalierbaren Batteriemoduls mit 2,2-Kilowattstunden-Modulen in Auftrag. So wurde der My Reserve aus der Taufe gehoben. Das Batteriemanagementsystem (BMS) und die Betriebsstrategie agieren sehr schnell mit einer Taktfrequenz von Millisekunden und einer Sprungreaktionszeit von 0,7 Sekunden. „Die Leistungselektronik ist im Vergleich zur Batterie sehr kostengünstig“, meint Andreas Gutsch, der das Team von knapp 20 Leuten führt. „Deshalb ist die Batterie werthaltiger. Steuerung und BMS sind darauf optimiert, die Batterie möglichst lange nutzen zu können.“
Viel Wertschöpfung im Batteriemodul
Noch sind die Lithiumzellen teuer, ein großer Teil der Wertschöpfung steckt im Batteriemodul. Im Grunde ist es sehr ähnlich wie in der Photovoltaik, wo die kristallinen Solarzellen etwa 80 Prozent der Wertschöpfung eines Moduls ausmachen. Solarwatt verwendet die SK-Zellen mit einem keramischen Separator, was die Gefahr interner Kurzschlüsse beispielsweise durch Lithiumablagerungen (Dendrite) stark verringert.
Solarwatt gibt eine Garantie für zehn Jahre auf 80 Prozent der Nennkapazität. Wird sie unterschritten, bietet das Unternehmen den Vollersatz an – nicht nur den Zeitwert, wie von der KfW verlangt. Auch schaltet sich der My Reserve automatisch ab, wenn 80 Prozent Restkapazität unterschritten werden. „Dann hat die Batterie ihre Lebensdauer erreicht“, erläutert Andreas Gutsch. „Denn unterhalb von 80 Prozent wachsen die Dendriten deutlich schneller, auch wenn man das von außen nicht erkennen kann.“
20.000 Batteriemodule im Jahr
In Frechen wurde seit Herbst eine Fabrik aufgebaut, um die Batteriemodule des Heimspeichers zu fertigen. Die Zellen kommen vom Chemiekonzern SK aus Korea. Alle anderen Teile – rund 1.000 Komponenten und Bauelemente – stammen aus Deutschland. Neben dem Aufbau der Fertigung ging es in den vergangenen Monaten vor allem darum, die Zulieferer zu qualifizieren.
Einmal einen Prototyp zu bauen ist etwas ganz anderes, als in die Massenproduktion zu gehen. Derzeit dominiert in Frechen noch der teilautomatisierte Montagebetrieb, das kleine Werk kann im Ein-Schicht-Betrieb bis zu 20.000 Batteriemodule pro Jahr herstellen. Das entspricht rund 10.000 Speichern.
Immer zwölf flache Lithiumzellen werden in Reihe geschaltet. Jede Zelle wird getestet, auch das Modul durchläuft mehrere Tests: Spannungen, Sicherheit, Temperaturen, Ladezustand. Am Ende kommen die Zellstacks sprichwörtlich unter die Haube, werden im Alugussgehäuse versiegelt. Das Gehäuse ist bis zu 13 Millimeter stark und schützt die Batterie gegen Beschädigungen von außen. An die Zellen kommt so auch kein Sauerstoff, was im Falle eines Brandes sehr bedeutend sein kann. Insgesamt wiegt ein Batteriemodul 24,5 Kilogramm, ist also leicht von einer Person zu heben und zu installieren. Der Installateur schließt lediglich einen Kabelbaum an die Speicherelektronik an (DC-Pole und Steuerleitung) – das war‘s.
Eine superschnelle Regelung
Die Installation des Speichers mag einfach sein – die Technik dahinter ist es nicht. Denn in der Steuerung der Batterie liegt ihre Effizienz verborgen. Es geht vor allem darum, wie schnell die Batterie auf Lastanforderungen aus dem Gebäude oder auf das Stromangebot aus der Photovoltaik reagiert.
Solarwatt hat einen ACS-Sensor für den Bezugszähler des Hauses entwickelt. Er meldet, sobald das Gebäude Strom aus dem Netz ziehen will. Dieser Sensor muss extrem flink sein, sonst dauert die Signalkette bis zur Schaltung des Stromspeichers viel zu lange. „Unser Ziel ist es, dass der Bezugszähler auf null stehen bleibt“, erläutert Andreas Gutsch die Betriebsstrategie. „Der Speicherbetreiber soll möglichst wenig Strom aus dem Netz beziehen.“
Der schnelle Sensor und die schnelle Steuerungselektronik von Solarwatt reagieren innerhalb von 0,7 Sekunden. „Wir könnten noch schneller sein, aber das passt nicht zu den Takten der Stromverbraucher im Haus.“ Was die meisten Kunden – auch die Installateure – nicht wissen: Spülmaschine, Induktionsherd, Kaffeemaschine oder Kühltruhe ziehen ihren Strom nicht gleichmäßig aus dem Hausnetz. Sondern sie takten den Strombedarf in Sekunden oder noch kürzer.
Der Ventilator eines elektrischen Föns zum Beispiel läuft durch, aber die Heizspiralen werden in kurzen Intervallen bestromt. Auch eine Kaffeemaschine im Stand-by-Modus heizt das Wasser im Innern im Sekundenbereich auf, schaltet dann wieder ab, heizt erneut und so weiter.
Zu langsame Regelungen führen dazu, dass der Stromspeicher solche Verbraucher gar nicht mitbekommt und regelrecht verschläft. Rund 30 bis 40 Prozent aller Stromverbraucher in einem Wohnhaus werden mit Zwei-Punkt-Regelungen gefahren, schalten also in Intervallen zu und ab. Kommt der Speicher nicht hinterher, wird er den Anteil des selbst verbrauchten Stroms nur unzureichend erhöhen.
Die Tricks aus dem Wechselrichter
Noch anspruchsvoller sind die Tricks, mit denen die Hersteller der Solarwechselrichter den Ertrag ihrer Geräte steigern. SMA oder Steca erkennen Teilverschattung automatisch, indem sie einen kurzzeitigen Testzyklus fahren, in der Branche als „irrer Iwan“ bekannt.
Der MPP-Tracker fällt innerhalb von 500 Millisekunden auf Stillstandsspannung ab und schwingt dann wieder auf die Stringspannung zurück. Weil der My Reserve auf der DC-Seite im Solarstring am MPP-Tracker hängt, muss er diesen Loop mitmachen. „Unsere Elektronik reagiert darauf in Echtzeit“, sagt Andreas Gutsch. „Sonst würde der Wechselrichter abschalten.“
Bislang ist der Spannungsbereich des My Reserve auf 600 Volt begrenzt. Das hat manchem Installateur Kopfzerbrechen bereitet: Beim Anschluss des Speichers herrschte gutes Wetter, es war warm und freundlich. Der Solarstring lieferte 580 Volt, alles paletti. Dann fielen die Temperaturen. Plötzlich stieg die Stringspannung an, weil sie von der Außentemperatur abhängt – Solarzellen lieben es kühl. Nun lagen 602 Volt am Speicher an, der aufgrund der Überspannung jedoch abriegelte. „Gerade zertifizieren wir den neuen My Reserve für 850 Volt am DC-Eingang“, stellt Gutsch in Aussicht. „Aber wir bleiben in der Niederspannung, unter 1.000 Volt DC.“
Außerdem will Solarwatt seine Speicher in Schwärmen ansteuern, um überschüssige Energie aus dem Netz zu saugen. Größere Speicher will man vorerst nicht anbieten. Denkbar seien eher modulare Konzepte, die auf einem Basismodul und einer standardisierten Steuerelektronik aufbauen. „Auf alle Fälle werden wir uns der Einbindung von BHKW und Windstrom aus dem Netz widmen“, meint Andreas Gutsch. „Für die Beladung unseres DC-geführten Speichers mit Wechselstrom haben wir eine sehr günstige Lösung in der Entwicklung.“
Faustregel zur Auslegung
Verbrauch und Generator müssen stimmen
Lithiumbatterien altern viel schneller, wenn sie vollgeladen sind. Bei über 95 Prozent SOC (State of Charge) geht die Alterung steil nach oben. Deshalb versucht My Reserve, solche Betriebszustände nur kurzzeitig zu erreichen – nämlich erst am Abend, kurz vor Sonnenuntergang. Am Morgen sollte die Batterie nahezu leer sein, um sogleich wieder Solarstrom aufzunehmen.
Aus diesem Grunde muss der Speicher genau an die Photovoltaikanlage und den Verbrauch angepasst werden. Nach der Installation lernt der Speicher über eine eingebaute Fuzzy Logic, welche Kurven die Verbraucher im Haushalt fahren. Darauf richtet er sich ein, nutzt sie zur Prognose des Lastverhaltens über den Tag beziehungsweise übers Jahr und plant seine Ladestrategie entsprechend.
Als Faustregel gilt: Ein My Reserve mit zwei Batteriemodulen (4,4 Kilowattstunden im Gehäuse) eignet sich für einen Drei- bis Vier-Personen-Haushalt mit 2,5 bis 3,5 Kilowatt Photovoltaik auf dem Dach.
Bei acht bis zehn Kilowatt Photovoltaik steht viel zu viel Sonnenstrom zur Verfügung, den man mit einem solchen Speicher weder wegpuffern noch im Wohnhaus verbrauchen kann. Denn am Tag liefert der Generator bis zu 50 oder 60 Kilowattstunden, die man höchstens an die Nachbarn verschenken oder ins Elektroauto laden kann. Andernfalls werden sie ins Stromnetz eingespeist.
IT-Sicherheit von Speichern
Hacker haben keinen Zugriff
Der My Reserve bezieht keine Daten aus dem Internet, auch keine Prognosedaten für das Wetter. Zwar kann der Energiemanager von Solarwatt seine Daten an das Internet senden, der Empfang von Daten ist jedoch nicht möglich. „Wir haben uns bewusst dafür entschieden, dass der Speicher von außen nicht zugänglich ist“, erklärt Andreas Gutsch. „Das Risiko ist uns zu hoch, dass er von unbefugten Personen gehackt wird.“
Hat ein Hacker Zugriff über Datenleitung und IP-Adresse auf den Speicher, könnte er die Betriebsparameter verändern und die Steuerung in die eigenen Hände nehmen. Er könnte die Batterie auf Tiefenentladung schalten oder sie überladen und somit – im schlimmsten Fall – zur Explosion bringen. „Deshalb spielen wir Updates der Software auch nicht über das Internet aus, sondern die Installateure erhalten zukünftig von uns einen USB-Stick, den sie beim Kunden an das Gerät anschließen.“
Um dennoch Wetterdaten nutzen zu können, hatten die Ingenieure von Solarwatt eine pfiffige Idee: „Unser Speicher benutzt die Photovoltaikanlage als Wetterstation“, erzählt der Experte. „Wir bekommen die Einstrahlungsdaten vom Referenzsensor der Solaranlage. Die Außentemperatur können wir aus der U-I-Kennlinie ermitteln.“
Wird der Speicher künftig innerhalb eines Schwarms gefahren, wird nur der Sensor am Bezugszähler über das Internet angesteuert, jedoch nicht der Speicher selbst.