Im vergangenen Jahr ist Tesvolt in neue Hallen in Apollensdorf umgezogen, am Stadtrand von Wittenberg. Schon wird es wieder zu eng. „Wir haben 2017 unsere Gewerbespeicher in 30 Länder geliefert, auf allen sechs Kontinenten“, berichtet Daniel Hannemann, Geschäftsführer von Tesvolt. „Wir stehen vor einem Massenmarkt. Er kommt noch nicht in diesem oder im nächsten Jahr. Aber er wird bald kommen.“
Laden und entladen mit 1C
2017 hatte Tesvolt in München die neuen Gewerbespeicher vorgestellt, mit prismatischen Zellen von Samsung SDI. Die Koreaner liefern vorkonfektionierte Batteriemodule, die rund fünf Kilowattstunden speichern können.
Die Module sind als 1C-Systeme ausgelegt, lassen sich also mit fünf Kilowatt beladen und entladen. In Wittenberg werden die Batterien mit der Leistungselektronik, der Steuerung und Verkabelung komplettiert. Die Speicher werden als Niederspannungssysteme mit 48 Volt oder als Hochvoltspeicher ausgeliefert.
Sehr große Systeme mit 0,5 Megawattstunden bietet Tesvolt anschlussfertig im Container an. Outdoor-Schränke erlauben die Installation beispielsweise auch als Leistungsspeicher für Ladesäulen auf Parkplätzen.
Die Leistungselektronik stammt von SMA: Sunny Tripower Storage 60, Sunny Island oder Sunny Central Storage, je nach Einsatz und Größe. „Im Vertrieb arbeiten wir eng mit SMA zusammen“, sagt Hannemann. „Unsere internationalen Kunden nehmen wie gewohnt den Service und den weltweiten Support von SMA in Anspruch, auch das Monitoring läuft über SMA.“
Von Beginn an hat Tesvolt diese strategische Zusammenarbeit entwickelt, die nun ihre Früchte trägt. Über die Produkte von SMA ist die Leistungselektronik der Gewerbespeicher faktisch standardisiert.
Vertrieb direkt an die Installateure
Die Batterien lassen sich sehr schnell und einfach in Betrieb nehmen – über Steckverbindungen und wenige Handgriffe. „Die Anwendungsgebiete von Speichern für Gewerbebetriebe sind wesentlich vielfältiger als für Heimspeicher. Der Bedarf an Weiterbildung ist enorm“, weiß Mathias Zdzieblowski, der die Schulungen leitet. „Unsere Schulungen für die Erstinstallation dauern einen Tag. Die Montage und Inbetriebnahme ist sehr einfach gehalten. Damit bieten sie dem Installateur Planungssicherheit in seiner Verkaufskalkulation.“ Tesvolt vertreibt die Speichersysteme direkt an die Installateure, der Vertrieb ist zweistufig aufgebaut. „Nur in einigen Ländern arbeiten wir mit Großhändlern zusammen“, berichtet Daniel Hannemann. „In Deutschland sind vornehmlich die Installateure unsere Kunden, zwischen 60 und 70 Betriebe. Sie haben unsere Systeme mittlerweile kennengelernt und können sie installieren.“
Noch kein Butterbrotgeschäft
Im Ausland kooperiert Tesvolt oft mit deutschen EPC, etwa bei Anlagen in Afrika. In Australien wird der Markt mit regionalen Partnern gemeinsam entwickelt. Diese Partner erledigen auch den After-Sales-Service.
Noch sind Gewerbespeicher kein Butterbrotgeschäft, wie Mathias Zdzieblowski analysiert: „Viele Installateure haben noch nicht den Zugang zu den Geschäftskunden aufgebaut. Deshalb richten wir unser Marketing zunehmend darauf aus, eigene Leads zu generieren, die wir an unsere Fachpartner weitergeben können.“
Den Durchbruch geschafft
In Europa werden Gewerbespeicher nicht nur in Deutschland installiert. Auch in Großbritannien, in Tschechien und in Skandinavien steigt die Nachfrage. Im Norden Europas werden vor allem Offgrid-Systeme gebaut. „Ende Mai beginnen wir mit den Schulungen der Installateure in Österreich“, gibt Zdzieblowski einen Ausblick. „Auch in der Schweiz werden wir demnächst starten.“
Der Betrieb in Wittenberg hat 2017 den Durchbruch geschafft, seitdem schreibt das Unternehmen schwarze Zahlen – ohne Investor, aus eigener Kraft. Während Mercedes-Benz seine Speicherpläne beerdigt und andere Hersteller noch Verluste schreiben, wollen die Wittenberger nun den nächsten Schritt wagen: Bis Ende 2018 wird die Fertigung weitgehend automatisiert.
Automatische Fertigung geplant
Bislang werden die Batteriesysteme manuell komplettiert, werden die Kabel und Platinen von Hand montiert. „Wenn wir die Fertigungszellen aufbauen, wird sich unsere Produktivität verfünffachen.“
Die Vorbereitungen laufen seit einem halben Jahr. Denn die Maschinen und Prozesse müssen die Ingenieure mit Zulieferern selbst entwickeln, so etwas gibt es nicht von der Stange.
Rund 40 Mitarbeiter insgesamt hat Tesvolt derzeit, „alles handverlesene Kollegen“, wie Hannemann sagt. Das Unternehmen stellt weiter ein. Ende 2018 könnten es 50 bis 60 Mitarbeiter sein. Ein eigenes Testzentrum mit Prüfständen für die Batterien und die Speichersysteme wird derzeit entwickelt, zur Sicherung der Qualität. Wenn die Batteriemodule aus Korea kommen, müssen sie beispielsweise mindestens einmal beladen und entladen (zyklisiert) werden, bevor sie die Weiterreise nach Afrika oder USA antreten.
Gewerbespeicher gehören zum Projektgeschäft. Man baut sie nicht so leicht ein wie die kompakten Heimspeicher.
Der Aufwand zur Planung ist in den vergangenen Jahren jedoch gesunken, zumindest für die Tesvolt-Systeme.
Denn sie sind im Sunny Design von SMA hinterlegt, ebenso im Planungsprogramm PV Sol von Valentin Software.
Für den US-Markt wird bereits der neue Sunny Core von SMA als Wechselrichter eingesetzt, der gleichfalls im vergangenen Jahr in München vorgestellt wurde.
Kurz nachgefragt
„Wir brauchen eine Normenreife wie bei den Solarwechselrichtern“
Der Effizienzleitfaden für Heimspeicher ist nun seit einiger Zeit verfügbar. Welche Erkenntnisse hat die Branche daraus mittlerweile gewonnen?
Thomas Timke: Durch den Leitfaden ist das Verständnis gewachsen, dass die Wirkungsgrade und damit Effizienz der Heimspeichersysteme ganz wesentlich von den Nutzungsprofilen und der Einbindung des Speichers in die Installation vor Ort abhängen. Nicht allein die technische Qualität der Geräte, sondern ihre korrekte Auslegung und Adaption auf den konkreten Einsatz spielen dabei eine wichtige Rolle.
Zum Beispiel?
Der Wirkungsgrad ist unter anderem davon abhängig, wie viel Prozent seiner Leistung der Speicher gerade nutzt. Dementsprechend ist es relevant, wie lange er sich in Bereichen mit hohem oder geringerem Wirkungsgrad aufhält. Auch fiel auf, dass Hersteller unterschiedlich viel Wert auf möglichst geringe Stand-by-Verbräuche gelegt haben.
Bei Gewerbespeichern kennt man die Lastgänge in der Regel. Wie sieht es bei den privaten Endkunden aus?
Im Projektgeschäft kann man die Lastgänge ausmessen und den Speicher danach modular anpassen. Bei Heimspeichern lohnt sich dieser Aufwand meistens nicht. Bei privaten Endkunden werden in der Regel kompakte Komplettsysteme installiert, die schon für typische Fälle ausgelegt sind.
Dann könnte man solche typischen Lastfälle generell nutzen, oder nicht?
Man kann ihre Effizienz mit einem oder mehreren Standardprofilen bestimmen. Eventuell passt ein Testprofil nicht exakt auf einen Kunden, aber es dient zumindest als einheitliche Vergleichsbasis zwischen den Produkten.
Sie sprachen von Simulation. Haben sich die im Leitfaden vorgeschlagenen Simulationen bewährt?
Wir haben gelernt, an welche Grenzen man damit stößt, speziell bei lernenden Produkten. Das ist nun mal ein Erkenntnisprozess.
Und hat sich der Leitfaden insgesamt bewährt?
Der Sinn und der größte Nutzen des Effizienzleitfadens für die Kunden ist ja vor allem, die schwarzen Schafe unter den Speicherherstellern ausfindig zu machen.
Wer sind die schwarzen Schafe?
Das sind diejenigen Anbieter von Stromspeichern, die schlechte Wirkungsgrade oder hohe Stand-by-Verbräuche haben. Der Vorteil, zwischen guten Systemen bei geringen Unterschieden noch das beste zu finden, wird eventuell aufgehoben, wenn zum Beispiel das zweitbeste System besser zum eigenen Nutzungsprofil passt.
Der Leitfaden ist eine Selbstverpflichtung der Speicherbranche, keine technische Norm. Welche Lücken sehen Sie noch bei der Normung der Stromspeicher?
In Deutschland sind wir damit und bei Sicherheitsnormen für Heim- beziehungsweise Stationärspeicher schon sehr weit fortgeschritten. Lücken gibt es nur noch in Details.
Wie sieht es in anderen Märkten aus?
Durch die aktuelle Anwendungsregel VDE-AR-E 2510-50 sind wir sehr gut aufgestellt, auch was die internationale Kompatibilität betrifft. Dadurch werden keine Marktbarrieren errichtet. Schwieriger wird es bei internationalen Normen, wenn man die Stromspeicher als Geräte mit integrierter Batterie versteht. Da gibt es noch einige offene Punkte, je nach Land und Markt.
Geht es dabei um die Sicherheit der Systeme oder sind bestimmte Funktionalitäten betroffen?
Die elektrische Sicherheit der Systeme ist ausreichend standardisiert. Ein Beispiel für Nachholbedarf ist die elektromagnetische Verträglichkeit.
Welche Regelungen gelten dafür?
Hier gilt die EMV-Richtlinie der Europäischen Union, deren allgemeine Anwendung klar ist. Aber es ist zum Beispiel noch nicht festgelegt, welche Funktion des Batteriemanagementsystems (BMS) wie störfest sein soll.
Wie steht es um die Software der Steuerung?
Auch die Betrachtung der BMS-Software nach funktionaler Sicherheit ist längst nicht so ausgereift in der Normung wie beispielsweise für die Steuerungssoftware in den Wechselrichtern. Profis machen es dennoch richtig, aber die Unterschiede sind für Kunden durch einen Vergleich der erfüllten Standards noch nicht zu erkennen.
Werden diese Lücken geschlossen?
Da sind wir auf gutem Wege. Entweder werden bestehende Normen angepasst oder solche Themen werden in die Entwürfe für neue Normen aufgenommen.
Wann werden die Normen einigermaßen vollständig sein?
Die Normung für die Batteriesysteme geht einen ganz ähnlichen Weg wie bei den Wechselrichtern, die schon einige Jahrzehnte länger im Markt sind.
Wie ist der Stand der Normung im Ausland?
Sehr unterschiedlich. Man muss schon sagen, dass wir in Deutschland einen vorbildlichen Stand erreicht haben. In Australien beispielsweise ist etwas schiefgelaufen, dort werden zwischenzeitlich nur noch Outdoor-Geräte zugelassen.
Ist es in Europa einfacher?
In Frankreich beispielsweise soll ein Zyklentest die Sicherheit der Speichersysteme belegen. Da ist noch viel Arbeit in den Gremien zu erledigen. Im Ausland werden einfach noch sehr viele Fehler gemacht, die wir in Deutschland schon hinter uns haben.
Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.
Thomas Timke
Der 50-Jährige verantwortet seit 2016 im Technologiezentrum Solarwatt Innovation die Weiterentwicklung des Sicherheitskonzepts des Batteriespeichers My Reserve. Darüber hinaus vertritt er das Unternehmen in Gremien und auf Konferenzen. Timke ist einer der führenden Sicherheitsspezialisten für Lithium-Ionen-Speicher. Der gelernte Radio- und Fernsehtechniker sammelte seine ersten beruflichen Erfahrungen bei Cornea Technology und Brain Light. 2007 wechselte er zur Li-Tec Battery GmbH. Timke war maßgeblich an der Entwicklung eines Batteriemanagementsystems beteiligt, das erstmalig Active Balancing bei einem Großspeicher einsetzte. Danach heuerte er bei SK-Innovation aus Korea an, einem Hersteller von Batteriezellen. 2013 wechselte Timke zum Karlsruher Institut für Technologie. Er sitzt in verschiedenen Gremien, beispielsweise in der Deutschen Kommission für Elektrotechnik (DKE), sowie in diversen Bundesverbänden.
Beuth Verlag
Neues Handbuch über Gewerbespeicher
Stromspeicher boomen. Doch die Technik ist neu, die Systeme komplex und die Genehmigungen zäh. Oft fehlt ein umfassender Überblick.
Das Buch Stromspeicher für Gewerbe und Industrie: Technik, Auslegung, Installation und Produkte unterstützt die konkreten Anwender von elektrischen Speichersystemen im Gewerbe, in der Industrie, bei den Kommunen und Energieversorger.
Über die grundlegende Beschreibung des aktuellen Stands der Technik und Normung werden praktische Hinweise zur korrekten Auslegung, Auswahl und Sicherheit gegeben. Etablierte Firmen geben einen Überblick über ihre Referenzen und Kompetenzen: von der Planung über die Genehmigung, den Bau bis zur Inbetriebnahme und Betrieb.
Das hilft bei der Sondierung und Auswahl von geeigneten Projektpartnern. Das Buch schließt mit einem Überblick über die wichtigsten Systeme am Markt, die Preisentwicklung sowie Beispielangebote für den Einkauf.
Ergänzend werden Schemata zur Einbindung in Firmennetze (Arealnetze) und in öffentliche Netze (Niederspannung, Mittelspannung, Hochspannung) geliefert. Darüber hinaus bietet das Handbuch aktuelle Checklisten: zur Auswahl und dem Einkauf von Speichern, zur Inbetriebnahme, über die wichtigsten Normen und Sicherheitsaspekte.
www.beuth.de/de/publikation/stromspeicher-gewerbe-industrie/238197617
Rothacher, Schwarzburger, Timke:Stromspeicher für Gewerbe und Industrie:Technik, Auslegung, Installation und Produkte
Beuth Verlag Berlin 2018, ca. 350 Seiten, zahlreiche Abbildungen, Format A5 broschiert. ISBN 978-3-410-25755-4, Preis: 84 Euro.