Sie haben eigens für unser Gespräch den Geschäftsbericht von IBC Solar aus dem Jahr 2007 mitgebracht. Was dürfen wir daraus entnehmen?
Udo Möhrstedt: Wissen Sie, Herr Schwarzburger, man hat ja schon so vieles vergessen. Deshalb ist das auch für mich sehr interessant, noch einmal einen Blick in die Berichte zu werfen. 2007 resümierten wir gegenüber dem Vorjahr eine weiterhin starke Nachfrage. Wir wuchsen mit dem Markt, unsere Ertragslage verbesserte sich. Doch damals gab es einige Engpässe und Unwägbarkeiten. Ich erinnere mich: Silizium war ein knappes Gut. Damals waren Spotmarktpreise von 200 US-Dollar je Kilogramm keine Seltenheit.
Woran erinnern Sie sich persönlich?
Wir haben damals an Ersol und Q-Cells enorme Vorkasse für Wafer und Solarzellen gezahlt, damit wir überhaupt Solarzellen bekamen. Die Nachfrage in Spanien boomte, das war nach Deutschland der zweitwichtigste Markt, noch vor Japan und den USA. Die Nachfrage war so hoch, dass wir gar nicht alle Anfragen bedienen konnten.
Wie sind Sie mit der Knappheit an Zellen und Modulen umgegangen?
Wir haben unseren Kunden offen gesagt, dass wir nur 50 Prozent der Bestellung ausliefern können, aber das haben wir garantiert. Da waren wir offen und fair und haben rechtzeitig gesagt, dass es eng wird. Das wurde uns von den Kunden sehr hoch angerechnet.
IBC Solar hat sich von früh an als Partner der Handwerker verstanden. War es nicht verlockend, mehr große Brötchen zu backen?
Um unsere Fachpartner zu beliefern, haben wir sogar eigene Projekte zurückgestellt. Unabhängig davon haben wir in Spanien einige Projekte aufgebaut. 2007 hatten wir mit 1,3 bis 1,5 Gigawatt Gesamtzubau in Deutschland gerechnet. 2008 wurden es dann 1,6 Gigawatt.
Wegen des knappen Siliziums lagen die Systempreise damals deutlich höher als heute. Wie viel Umsatz hat IBC Solar im Jahr 2007 gemacht?
2006 lag unser Umsatz noch bei 288 Millionen Euro. 2007 haben wir ihn auf 559 Millionen fast verdoppelt. Um das ganze Umlaufvermögen zu finanzieren, mussten wir rund zwei Millionen Euro für Zinsen aufwenden. Ohne Vorkasse und Lagerhaltung lief nichts.
Woher haben Sie damals Ihre Solarmodule bezogen?
Unsere Zulieferer waren BP Solar, Sanyo und Kaneka. Aber sie konnten 2007 nicht ausreichend liefern, also begannen wir eine Zusammenarbeit mit Suntech, damals von Dr. Shi in Wuxi aufgebaut. Daneben kamen die ersten Lieferungen von Trina und Yingli. Wir haben seinerzeit auch Versuche mit Dünnschichtmodulen von CSG und Sulfurcell gemacht, aber diese Module erwiesen sich als zu leistungsschwach.
Wie viele Mitarbeiter hatte IBC Solar im Jahr 2007?
Damals hatten wir 175 Mitarbeiter, 50 mehr als im Vorjahr. 2008 waren es bereits 252 Mitarbeiter. Heute sind es 360 Mitarbeiter, davon 250 in Deutschland. 2009 haben wir rund 285 Megawatt abgesetzt, in diesem Jahr 2017 rechnen wir mit einem Absatz von 320 bis 350 Megawatt.
Woran erinnern Sie sich außerdem, wenn wir über 2007 sprechen?
Damals begannen bereits die Debatten über die Neufassung des EEG, daran erinnere ich mich genau. Die Regierung kündigte eine höhere Degression an, von fünf Prozent auf mehr als neun Prozent. Bei den Lieferanten waren wir der Hahn im Korb, weil wir erhebliche Mengen abgenommen haben. Überall waren wir der größte Abnehmer. Mit dem Markteinbruch in Deutschland und dem Aufstieg anderer Märkte hat sich das natürlich geändert. Heute muss man mindestens 500 Megawatt im Jahr abnehmen, um nicht zerrieben zu werden. Das ist unser Ziel: mindestens 500 Megawatt im Jahr zu verkaufen, um wieder ernst genommen zu werden.
Wir werden bald wieder über das EEG reden, jetzt, nach der Bundestagswahl. Brauchen wir es noch?
Das EEG in der vorliegenden, bürokratischen und verkomplizierten Fassung brauchen wir sicher nicht. Aber in Deutschland geht so etwas nie einfach. Am Anfang war das EEG einfach, jetzt sehen Sie, was daraus geworden ist. Wir brauchen auf alle Fälle noch den Einspeisevorrang für die Photovoltaik bis zu den 52 Gigawatt und die Einspeisevergütung. Auch die Ausschreibungen, die im EEG geregelt werden, sind ein wichtiger Faktor im Markt. Auf alle Fälle müssen wir jetzt anfangen, darüber zu reden, was nach dem EEG kommen soll.
IBC baut weiterhin Solarparks. Wie wird sich dieses Segment entwickeln, das vor zehn Jahren den Photovoltaikmarkt noch eindeutig dominiert hat?
Wir haben uns an den Ausschreibungen 2015 und 2016 beteiligt und waren 2017 sehr gut mit Projekten versorgt. Nun geht es darum, die Projekte für das kommende Jahr zu gewinnen. Wir haben 2017 bei den Ausschreibungen gesehen, dass die Preise unter sechs Cent je Kilowattstunde fielen. Projekte, die wir mit 6,1 oder 6,2 angeboten haben, kriegten wir nicht mehr durch. Bis 2020 hoffe ich, dass wir Projekte um fünf Cent anbieten können.
Da sind wir schon beim Ausblick. Was erwarten Sie in den kommenden zehn Jahren?
Dass es ungefähr so chaotisch wird wie im vergangenen Jahrzehnt. Obwohl zunehmend wirtschaftliche Regeln gelten. Das ist eine sehr gute Entwicklung, unsere Branche ist sehr gereift. Ich sehe, dass zunehmend Impulse durch die Elektromobilität kommen. Volkswagen will in den nächsten Jahren rund 50 Milliarden Euro investieren, um seine gesamte Modellpalette bis 2030 auch elektrisch anzubieten. Aus Kohle können wir den Strom nicht gewinnen, dann sind die E-Autos ja schmutziger als Diesel. Und die Atomkraftwerke sollen bis 2022 abgeschaltet werden.
Wie viel Photovoltaik könnten wir 2027 zubauen?
Das Potenzial allein der zur Verfügung stehenden nutzbaren Dachflächen liegt in Deutschland bei rund 120 bis 130 Gigawatt. Über größeren Zubau kriegen wir auch bessere Preise, da ist das Ende der Fahnenstange noch längst nicht erreicht. 20 Prozent mehr Zubau bedeutet fünf Prozent sinkende Preise.
Im Moment sind Zellen und Module wieder knapp, da könnte es genau andersherum gehen …
Das sehe ich nicht, zumindest nicht auf längere Sicht. Der Preis für Solarsilizium ist von 14 US-Dollar je Kilogramm auf 18 US-Dollar hochgegangen, das stimmt. Aufgrund der hohen Nachfrage sind Silizium, Zellen und Module derzeit wieder knapp. Außerdem wirken sich Paniklieferungen in die USA und die hohe Nachfrage im chinesischen Markt aus. Mittelfristig sehe ich die Preise bei zehn US-Dollar je Kilogramm Silizium. Dann können wir die Module für 29 bis 30 Cent je Watt anbieten. Ich erwarte zudem technologische Innovationen, vor allem bei den Wafern. Damit könnten wir auch 25 Cent je Watt erreichen.
Welche Rolle werden die Stromspeicher spielen?
Wie Sie wissen, habe ich 1967 bei Varta angefangen. Später bin ich über meine Frau in eine Familie von Batteriefabrikanten gekommen. 2012 hat IBC Solar als einer der ersten Anbieter überhaupt die Speicherbatterien für die Photovoltaik in sein Produktportfolio aufgenommen, damals noch Bleispeicher. Obwohl deutlich teurer, kamen später die Lithiumspeicher in den Markt.
Das ging noch schneller als in der Photovoltaik …
Als hätte jemand einen Schalter umgelegt: Nach dem 1. Januar 2016 haben wir nur noch einen einzigen Bleispeicher verkauft. Ab diesem Tag ging die Nachfrage nach Lithiumbatterien steil nach oben und deren Preise sind mittlerweile stark gesunken.
Bauen Sie gar keine Bleispeicher mehr?
Bei Speichergrößen über 50 Kilowattstunden spielt Blei noch eine Rolle, darunter kaum. Unsere Lithiumspeicher lassen sich bis zu 225 Kilowattstunden Nutzkapazität kaskadieren, damit decken wir den Markt sehr gut ab.
Welches Motto hat Sie über all die Jahre begleitet?
Wir müssen den Strom so günstig machen, dass ihn jeder nutzen und bezahlen kann. Darum geht es, nur darum.
Das Interview führte Heiko Schwarzburger.
Udo Möhrstedt
hat IBC Solar im Jahr 1982 gegründet, als Ingenieurbüro für Solartechnik und Batterien. Eines der ersten Büros befand sich über einem Fahrradgeschäft in Bad Staffelstein, wo sich auch heute noch der Firmensitz befindet. Später füllte seine Firma immer mehr Räume, baute an, überdachte den Innenhof. Mittlerweile hat der Physiker schon fast ein halbes Jahrhundert Photovoltaik gesehen. Nach dem Studium in Münster und Gießen hatte sich Möhrstedt erste Sporen als Leiter des Bereichs Anwendungstechnik beim Batteriefabrikanten Varta verdient. Danach wechselte er zur Firma Moll Akkumulatoren. Heute gehört IBC Solar zu den führenden Mittelständlern in Bayern. Drei Mal wurde die Firma unter „Bayerns Best 50“ gekürt. Nebenbei sitzt Udo Möhrstedt für die CSU im Stadtrat.
Michael Aigner von Aton Solar
Bittere Insolvenzen durchlebt
2007 war ich bereits zwei Jahre mit meiner Firma Aton Solar als Großhändler und Projektierer für private Dachanlagen selbstständig. Den Vertrieb machte ich bundesweit über Installateure, hatte 2008 den ersten Mitarbeiter und 2010 mit 24 Millionen Euro den besten Jahresumsatz.
Ende 2008 bröckelten die Preise für Module, da in Spanien der Hype aussetzte und nichts mehr lief. Ich brauchte immer mehr Volumen, um Umsatz und Ertrag halten zu können. In der Spitze verkauften wir 2013 mit 14 Angestellten bis Ende Juli Anlagen im Volumen von 23 Megawatt. Danach ging fast gar nichts mehr, weil Frank Asbeck Mindestpreise für Solarmodule aus China durchsetzte, um Solarworld zu retten.
Peu à peu musste ich Leute entlassen und einen Strategiewechsel zum Direktvertrieb vollziehen bei Gewerbekunden, die mit größeren Dachflächen Strom für den Eigenverbrauch benötigten. Bis 2014 brach der Umsatz auf zwei Millionen Euro zusammen. Mit jeder Menge Projekten in der Pipeline, die aber alle nicht mehr rechtzeitig kamen, meldete ich im Oktober 2015 Insolvenz an. Im Januar 2016 folgte meine Privatinsolvenz wegen mehrerer persönlicher Bankbürgschaften im sechsstelligen Bereich.
Über längere Zeit hatte ich monatlich 30.000 Euro Verlust gemacht, immer im Glauben, die Wende in Bälde zu erleben. In besten Zeiten hatte ich bei zwei Millionen Euro Bilanzsumme eine Eigenkapitalquote von 50 Prozent – und viele Freunde.
Weil ich seit 2002 Heilpraktiker für Psychotherapie bin, mich schon als Jugendlicher für Spiritualität interessierte und wie Uri Geller mit magischer Energie Löffel verbiegen konnte, habe ich 2015 eine Praxis eröffnet. Seit wenigen Monaten konzentriere ich mich voll darauf und profitiere von meinem hohen Bekanntheitsgrad.
Mittlerweile kommen Klienten mit Störungen in der orthopädischen Statik aus dem Südwesten, denen ich empfohlen wurde. Vielen helfe ich auch durch Gespräche und meine persönliche Biografie. Meine Praxis hat aber noch Luft nach oben und ich bin weiter am Aufbau.
Michael Aigner (50) ist Heilpraktiker für Psychotherapie in Laichingen/Alb.
Tobias Schwartz von Solarinvert
Mehr Emotionen statt Emissionen!
Es ist schon erstaunlich, wie schnell die Zeit vergeht. Immerhin fast zwei Millionen Photovoltaikanlagen (etwa 43 Gigawatt) sind mittlerweile in Deutschland installiert. Und dennoch ist das nur die Spitze des Eisbergs. Dem gegenüber steht nämlich ein Bestand von 19 Millionen Wohngebäuden und noch einmal fast zwei Millionen sonstigen Immobilien.
Für die Eigentümer dieser Gebäude wird Energieeffizienz zu einem zunehmend drängenden Thema. Das passiert kurzfristig, weil immer schärfere Vorschriften erlassen werden, und langfristig, weil die Verbrennung knapper Rohstoffe zwangsläufig dazu führt, dass sie irgendwann erschöpft sind. Gäbe es keine Einspeisevergütung, würde Solarstrom schon jetzt dem Wärmepreis fossiler Brennstoffe Konkurrenz machen.
Gute Nachrichten also für die Photovoltaikbranche in Deutschland, denn es gibt Bedarf im Überfluss! Und dieser Bedarf übersteigt die derzeitigen Installationskapazitäten bei Weitem. Wir sollten uns deshalb auch keinesfalls davon verunsichern oder entmutigen lassen, dass das EEG in seiner aktuellen Fassung unsere neue Bundesregierung nicht überleben wird. Der Wendepunkt ist längst überschritten! Wer möchte noch gerne den Strom aus der Steckdose kaufen, welcher im Mix zu 80 Prozent aus fossilen oder nuklearen Quellen stammt, wenn er ihn selbst billiger und 100 Prozent erneuerbar herstellen kann?
Eine dezentrale Energieversorgung mit erneuerbaren Energiequellen braucht keine Konzerne oder großtechnische Lösungen. Sie braucht eine breite Basis. Dazu bedarf es bedarfsgerechter und vielseitiger Systemtechnik und vieler Menschen mit Begeisterung und Überzeugungskraft – mehr Emotionen statt Emissionen!
Meine Prognose für die kommenden zehn Jahre: Photovoltaik wird allgegenwärtig und vielfältiger werden. Erscheinungsbild und übliche Nutzungsdauer werden sich den Anforderungen von Fassaden und Dächern anpassen. Photovoltaik, Akkus und Heizungstechnik (Kraft-Wärme-Kopplung) werden zusammenwachsen und die Netzqualität verbessern.
Ich freue mich auf weitere zehn spannende Jahre Photovoltaik!
Tobias Schwartz ist Geschäftsführer von Solarinvert in Freiberg am Neckar.