Noch vor vier Jahren galt die Devise, möglichst viel Solarstrom ins öffentliche Netz einzuspeisen. Damals war die Vergütung sehr hoch, bot das Stromnetz ein lukratives Geschäftsmodell.
Heute gilt es, möglichst viel vom selbst erzeugten Solarstrom im Haus zu nutzen, um dadurch Stromkauf zu vermeiden. Denn Netzstrom ist teuer und eigener Solarstrom günstig.
Mithilfe von Solarakkus kann man den Eigenstromanteil im Haus auf mehr als 70 oder 80 Prozent verdoppeln – mit vertretbarem finanziellem Aufwand. Die Speichersysteme werden laufend verbessert, und die Preise sinken rapide.
Stand-by ist nur eine Komponente
Auch durch spezielle Kniffe kann der Solarkunde einiges tun, um mehr Solarstrom selbst zu nutzen: zum Beispiel durch Zeitschaltuhren, die den Geschirrspüler oder die Waschmaschine starten, wenn die Solarerträge am höchsten sind.
Vernachlässigt wird bisher, den Strom differenziert aufzuschlüsseln, den der Stromspeicher selbst verbraucht. Die Datenblätter der Hersteller machen dazu nur sehr selten nützliche Angaben. Dabei ist der Stand-by-Modus nur eine Komponente, sie allein anzugeben reicht nicht. In der Regel ist der Leistungsbedarf dreimal höher.
Denn hinzu kommen der Strom für den Batteriewechselrichter und die Regelung (Batteriemanagementsystem) sowie für den Internetanschluss. Der Eigenstrombedarf ist auch abhängig vom eingesetzten Batterietyp.
Was ist eine Erhaltungsladung?
Eindeutige Werte anzugeben scheint den Herstellern unmöglich, weil auch das individuelle Verhalten der Nutzer, das sich im Betriebsregime des Batteriesystems zeigt, in die Rechnung eingeht. Und das ist eine Blackbox.
Doch der Markt braucht mehr Transparenz, nicht nur bei Wirkungsgraden oder Ladezyklen. Wäre es nicht an der Zeit, den Eigenstrombedarf zumindest prototypisch zu ermitteln? Bei der Heiztechnik oder den Stringwechselrichtern sind solche Angaben bereits üblich.
Auch beim Begriff der Erhaltungsladung bedarf es der dringenden Klärung. Klassisch meint er, dass der Akku einen bestimmten Ladezustand braucht, um nicht in die Tiefenentladung zu rutschen. Sie könnte die Batterie zerstören. Im Winter ist ein solcher Fall denkbar: Die Batterie wird nicht beladen, weil Schnee auf den Solarmodulen liegt. Trotzdem fordert das System Strom ab, um die Batterie vor der Selbstzerstörung zu schützen.
Ein Ingenieur aus Berlin fragt nach
Auch solche Fragen sind von Belang: Ab welcher Mindestentladung der Batterie setzt der Vorgang der Vollaufladung wieder ein? Ist der Schwellwert gering, setzt sie ziemlich schnell ein. Und: Welche Verluste – die einem faktischen Eigenstrombedarf entsprechen – entstehen durch die Wandlung des Solarstroms für die Batterie?
Bei DC-geführten Systemen sind ein Tiefsetzsteller und ein Hochsetzsteller integriert, um die Spannung aus den Strings auf die Batteriespannung zu bringen, beziehungsweise auf die DC-Spannung am Wechselrichter. Bei AC-geführten Systemen ist die Umsetzung von DC auf Wechselstrom (von der Solaranlage durch den Solarwechselrichter) und die erneute Wandlung von AC auf DC für die Batterie (Batteriewechselrichter) involviert, ebenso rückwärts bei der Entladung. Dann wird DC aus der Batterie im Batteriewechselrichter auf AC für die Verbraucher und das Hausnetz gewandelt.
André Jödicke aus Berlin ist stolzer Besitzer eines Solargenerators und eines Stromspeichers. In seiner Freizeit dokumentiert er über Excel-Tabellen und Grafiken die Solarerträge seiner Dachanlage, die Eigenstromversorgung im Haus und den Eigenverbrauch des Speichers.
Der Hausherr eines freistehenden Einfamilienhauses besitzt seit Februar 2015 einen Solarstromspeicher, eine Sonnenbatterie Classic, Bruttokapazität: 4,5 Kilowattstunden, Nutzkapazität: 3,2 Kilowattstunden, maximale Ladeleistung: 2,4 Kilowatt, Batterietyp: Lithium-Eisenphosphat.
Die Batterie wurde nachgerüstet, die Photovoltaikanlage läuft seit Oktober 2011 (monokristalline Module, 3,3 Kilowatt Leistung). Der prognostizierte Ertrag: 2.780 Kilowattstunden im Jahr. Das war eine zuverlässige Prognose, denn 2015 lieferte der Generator 2.690 Kilowattstunden. Ursprünglich speiste der Generator voll ins Stromnetz, an der Nordseite des Hauses hängt noch der alte Wechselrichter (mit Trafo). Module und Wechselrichter stammen von Solarworld.
Umstellung auf Eigenverbrauch
Beim Besuch der Anlage im Berliner Südosten wurde zunächst klar: Technisch gesehen laufen Solargenerator und Sonnenbatterie einwandfrei. Es gab keine Ausfälle, lediglich durch die Nachrüstung der Batterie wurde dem Eigenverbrauch Vorrang eingeräumt. Jetzt gehen nur noch die Überschüsse ins Stromnetz, werden dort zu den Tarifen von 2011 vergütet.
André Jödicke ist Ingenieur, er arbeitet bei einer Berliner Wohnungsbaugesellschaft. „Nach der Montage der Solaranlage stellte ich mit einigem Erstaunen fest, dass wir bei Ausfall des Stromnetzes auch keinen Strom haben“, erzählt er. „Dann schaltet der Wechselrichter ab. Eigentlich ist das Unsinn, denn die Photovoltaik bietet sich doch gerade dafür an, Notstrom zu liefern.“
Stromausfälle in Berlin sind selten, sie dauern höchstens wenige Minuten. Das passiert fast unbemerkt ein oder zwei Mal im Jahr. Man merkt nur, dass die Uhr der Heizungsregelung blinkt und dann neu eingestellt werden muss. Auch der Nachbar klingelte schon einmal: „Haben Sie auch keinen Strom?“ Heizung und Warmwasser laufen (noch) über eine Gasbrennwerttherme, gespeist aus einem Flüssiggastank im Erdreich.
Mittlerweile lässt André Jödicke den Geschirrspüler und die Waschmaschine per Zeitschaltung am Mittag laufen, wenn die höchsten solaren Gewinne zu erwarten sind. Er erhöht die Eigenstromversorgung und verringert den Strombedarf durch technische Maßnahmen im Haus. So hat die Zu- und Abluftanlage sparsame Gleichstrommotoren. Aktueller Strombedarf für zwei Personen im Jahr: rund 1.400 Kilowattstunden.
Eine Batterie angeschafft
Autonomie, Unabhängigkeit auch bei Netzausfall: Die Idee kam dem Ingenieur, als er den Roman „Blackout“ gelesen hatte. „Seit 2014 haben wir uns dann mit der Frage befasst, wie wir unsere Solaranlage auf Inselbetrieb umstellen können“, erinnert er sich. „So kamen wir auf einen inselfähigen Batteriespeicher.“
Und so kam er auf die Sonnenbatterie, seinerzeit dem Markt für Lithiumspeicher weit voraus. Die Batterie hat einen Wirkungsgrad von 94 Prozent, die Installation erfolgte völlig problemlos.
In seinem Job hat der stolze Batteriebesitzer viel mit Zahlen zu tun, mit harten Fakten, wie man so schön sagt. Aufmerksam wurde er, als der Stromverbrauch im Gebäude gleich blieb, obwohl der volljährige Sohn auszog. Nun setzte Jödicke den spitzen Bleistift an und fragte nach: „Für uns war es überraschend, dass es in den Nachtstunden Erhaltungsladungen für die Batterieanlage gab“, nennt er ein Beispiel. „Natürlich zog der Speicher diesen Strom aus dem Netz, dafür mussten wir zahlen. Warum nicht mit Sonnenstrom laden? Wir hatten dann dem Installateur vorgeschlagen, diese Erhaltungsladungen, wenn sie technisch notwendig sind, doch am Tage durchzuführen.“
Wie viel Strom frisst der Speicher?
Bei der Batterieanlage wurde mehrfach eine Erhaltungsladung beobachtet. Wenn der Akku längere Zeit bei der Mindestentladetiefe von 30 Prozent verblieben war, erfolgte eine Aufladung auf 100 Prozent. Das hatte beispielsweise zur Folge, dass der Speicher am Morgen, kurz vor Sonnenaufgang, mit Netzstrom gefüllt war und keinen Solarstrom mehr aufnehmen konnte. In der Anlagendokumentation findet sich dazu keine Erklärung.
Nach einigem Hin und Her zwischen ihm, seinem Installateur und dem Hersteller gehörten die nächtlichen Erhaltungsladungen auf magische Weise der Vergangenheit an. „Vermutlich hat man uns ein Update aufgespielt, aber eine Bestätigung habe ich dafür nie erhalten“, meint Jödicke. „Zumindest gibt es keine nächtlichen Beladungen mehr.“
Eigenverbrauch verdoppelt
In der dunklen Jahreszeit wird jetzt durch Jödicke die Mindestentladetiefe manuell auf bis zu 80 Prozent angehoben: „Die ganze Batteriekapazität benötigt man dann sowieso nicht, und eine Erhaltungsladung wurde auch nicht mehr beobachtet“. Soll heißen: Offenbar hat die 2015 installierte Batterie zwischenzeitlich ein Update bekommen, die das Problem charmant löst. Dennoch wäre eine schriftliche Bestätigung sinnvoll, auch um den aktuellen Betriebszustand und die aktuell aktive Firmware für Wartungszwecke genau zu dokumentieren.
Trotzdem war der Speicherbetreiber nicht zufrieden. Denn nach seinen Berechnungen frisst der Speicher zu viel Strom. Zwar half der Speicher, den Eigenverbrauch an Solarstrom im Haus zu verdoppeln. Zwei Drittel des Strombedarfs kann Familie Jödicke nun selbst decken. Aber 530 Kilowattstunden muss er noch immer bei Vattenfall kaufen.
Beispiel Stand-by: „Der Vertreter von Sonnenbatterie hatte uns 14 Watt als Stand-by-Leistung angegeben“, berichtet André Jödicke. Das Batteriedisplay zeigt jedoch konstant 41 Watt an. „Rechne ich die Verluste von sechs Prozent beim Laden und Entladen ein, ist der Eigenstromverbrauch deutlich höher. Die Energie geht zwar nicht verloren, aber die Wandlungsverluste verbleiben bei uns und kommen nur während der Heizperiode der Gebäudehülle zugute.“ Die Zahl der Ladezyklen wird auf dem Batteriedisplay mit 134 im Jahr angezeigt.
Zudem braucht der Internetanschluss der Batterie sechs Watt, das sind rund 50 Kilowattstunden im Jahr. Deshalb schaltet Jödicke mittlerweile die Powerline und den Router ab, wenn er das Internet nicht benötigt.
Die Hälfte des jährlichen Strombedarfs
Jödicke ist zufrieden mit seiner Solaranlage, er ist insgesamt auch zufrieden mit der Batterie. Das sagt er ganz klar. Zukünftig will er gänzlich unabhängig werden, demnächst vielleicht ein BHKW nachrüsten. Deshalb will er verstehen, wo die Stolperfallen des Systems lauern und wo er das System optimieren kann. Deshalb hat er uns in sein Haus eingeladen, um die Erfahrungen zu diskutieren.
Für seinen Fall hat er jährlich mindestens 412 Kilowattstunden Eigenstrombedarf des Stromspeichers errechnet. Für einen Kunden wie Jödicke ist das angesichts des nur dreimal so hohen Jahresgesamtstrombedarfs ernüchternd. „Für Nutzer mit 4.000 Kilowattstunden Strombedarf pro Jahr und höher ist das kein Thema. Wenn wir aber nur noch rund 900 Kilowattstunden pro Jahr im Haushalt benötigen, ist das für uns schon wichtig“, merkt er an und resümiert: „Eine Batterieanlage ohne Eigenverbrauch und Wandlungsverluste haben wir aus physikalischen Gründen nicht erwarten können. Wir hätten nur gern im Vorfeld gewusst, was real zu erwarten ist.“
Will wissen, was ihn erwartet
Was zu erwarten ist, ist tatsächlich nicht einfach zu sagen. Wie viel Strom zieht ein Solarspeichersystem? Pauschale Aussagen sind schwer, wenn nicht gar unmöglich. Denn der Verbrauch hängt von vielen technischen Faktoren ab, natürlich auch vom individuellen Verhalten. Im vorliegenden Fall ist der Speicher außerdem deutlich zu groß.
Zwar passt er zur Solaranlage. Aber nicht zum Stromverbrauch im Gebäude. Der Solargenerator wurde ursprünglich für Netzeinspeisung ausgelegt, denn 3,3 Kilowatt auf dem Dach sind auch für 900 Kilowattstunden Strombedarf im Haus viel zu viel. „Mit Heiterkeit denke ich an die Angebotsphase, wo die Anbieter fast doppelt so große Solargeneratoren montieren wollten“, erinnert sich Jödicke. „Als ich dann in den Telefonaten mit den Anbietern schon klare Vorgaben zur Größe machte, fragte man mich, warum mein Dach so klein ist.“
Ein Ergebnis unseres Gesprächs vor Ort: Sollte in einigen Jahren der Austausch der Module anstehen, wird der Trafo-Solarwechselrichter durch ein Gerät ersetzt, das für den Eigenverbrauch optimiert ist. Und André Jödicke spielt bereits mit dem Gedanken, das jetzige Drei-Liter-Auto gegen ein Elektroauto auszutauschen.
Ein Puzzle, eine Aufgabe für die Branche
Nach dem Besuch haben wir bei verschiedenen Anbietern von Speichern nachgefragt, wie hoch der Eigenstromverbrauch ihrer Systeme ist. Als einer von wenigen Systemanbietern hat sich IBC Solar die Mühe gemacht und den Eigenstromverbrauch des Solstore Li berechnet. Im Stand-by-Betrieb braucht er fünf Watt, die das Batteriemanagementsystem zieht. Sieben Watt braucht der SMA Sunny Island, zwei Watt der Zähler.
Der Eigenverbrauch für das Stand-by des Speichersystems (in toto: 14 Watt Leistung) summiert sich im Jahr laut IBC Solar auf 122 Kilowattstunden bei 100 Prozent Stand-by. Der Leistungsbedarf im realen Betrieb dürfte dreimal höher sein. Denn: „Im Betrieb wird die Leistungsaufnahme in der Größenordnung um 50 Watt liegen“, rechnet Iris Meyer von IBC Solar vor.
Mancher Speicher schläft ein
Wenn Energie gespeichert wird, fallen Wandlungsverluste an. Deshalb sollte die Zahl der Ladevorgänge möglichst klein sein. Die Verluste sind unter anderem auch vom Batterietyp abhängig. Bleibatterien haben höhere Verluste als Lithiumbatterien. Bei Lithium gibt es wiederum Unterschiede, auch wenn diese im Vergleich relativ gering sind. Lithium-Eisenphosphat-Batterien gelten als besser als Nickel-Kobalt-Mangan- oder Nickel-Kobalt-Aluminiumoxid-Batterien.
Werden Akkus nicht benutzt, entladen sie sich mit der Zeit von selbst. Dann ziehen sie Strom, um Tiefenentladung zu verhindern. Oder schlafen ein. Dies ist zum Beispiel beim My Reserve von Solarwatt der Fall. Er geht in einen Ruhemodus über, in dem die gesamte Elektronik einschläft und nur ab und zu prüft, ob alles in Ordnung ist. „Der Speicher kann in diesem Zustand etwa sechs Monate, also den gesamten Winter, verbleiben, ohne dass die Gefahr besteht, dass die Batterie Schaden nimmt“, erläutert Detlef Neuhaus, Geschäftsführer von Solarwatt.
Produkte besser vergleichen
Viele Speicheranbieter geben den Eigenstrombedarf in ihren Datenblättern gar nicht erst an. Das muss sich ändern, wenn der Markt transparent und kundenfreundlich werden soll. Wie beim Spitzenwirkungsgrad und der Zahl der Ladezyklen braucht man verlässliche Angaben zum Eigenstrombedarf, um die Produkte miteinander vergleichen zu können – inklusive Stand-by, Ladeverluste und Hilfsstrom für die Datenleitung.
Das bedeutet, dass ein genormtes Testregime für die Ermittlung solcher Werte entwickelt werden muss. Das kann die Branche nur in kollegialer Zusammenarbeit, etwa in den Gremien des Verbandes oder beim TÜV. Ein solcher Testzyklus wird ohnehin benötigt, um die Wirkungsgrade und Verluste bei Teillastbetrieb genauer zu analysieren und anzugeben.
Da wartet ein kniffliges Puzzle. Denn das Speichersystem besteht aus verschiedenen Komponenten, die fast alle verbrauchsrelevant sind. Batteriemanagementsystem, Zähler, DC-Steller und Wandler oder einfach nur ein Display. André Jödicke beispielsweise fragt auch: „Ist es wirklich notwendig, den Speicher über 24 Stunden online ans Internet anzubinden?“
Solche Fragen der Solarkunden werden zunehmen. Denn das Interesse an Stromspeichern – für neue Solargeneratoren oder die Nachrüstung – wächst enorm. Und das kann nur ein gutes Zeichen sein.